Wird von Rechtsdurchsetzung im Datenschutz gesprochen, geht es meistens um Verfahren und Bußgelder der Aufsichtsbehörden. Doch weil sehr oft Verbraucher die Leidtragenden von systematischen Datenschutzverletzungen sind, nehmen sich auch Organisationen der Verstöße an, die die Rechte der Bürgerinnen und Bürger in der digitalen Welt vertreten. In Deutschland agiert an zentraler Stelle der Bundesverband Verbraucherzentralen (vzbv). Er berät, führt aber auch strategisch juristische Auseinandersetzungen. Das darf er, weil ihn das Verbandsklagerecht dazu ermächtigt, Rechtsfragen anstelle von Verbrauchern von Gerichten klären zu lassen.
In Episode 51 des c't-Datenschutz-Podcasts erläutert Heiko Dünkel, Leiter des Teams Rechtsdurchsetzung beim vzbv, wie das funktioniert: "Wir sind dafür da, Waffengleichheit zwischen den Verbrauchern und den großen Konzernen zu gewährleisten." Mit einem Jahresgesamtbudget von ca. 300.000 Euro pro Jahr kämpft sein Team gegen Rechtsverstöße von Facebook oder Apple. Zunächst fordert es per Abmahnung, den Datenschutzverstoß dauerhaft abzustellen. Klappt das nicht, wird im Team entschieden, ob der vzbv die Unterlassungsforderung durch die Gerichtsinstanzen treibt.
Der Verband erzielt dabei mitunter spektakuläre Erfolge. Beispielsweise ging die wegweisende EuGH-Entscheidung "Planet49" von 2019 auf seine Klage zurück. Mit diesem Urteil war europaweit endgültig geklärt, dass eine Einwilligung auf Websites nicht mit einem voreingestellten Häkchen, sondern nur mit einer aktiven Handlung erfolgen darf. Aber auch weniger prominente Verfahren sorgen in Fachkreisen für Aufsehen. 2020 etwa hat der vzbv eine Klage gegen den Anwaltssuchdienst advocado vorm Landgericht Rostock gewonnen, mit der klargestellt wurde, dass auch für Cookies zu Analyse- und Marketingzwecken eine informierte Einwilligung erforderlich ist.
Dünkel betont, dass der vzbv außerdem intensiv die Gesetzesvorhaben in Deutschland und Europa begleitet. Sein Team sieht sich beispielsweise gerade das ab Dezember gültige neue deutsche Datenschutzgesetz TTDSG an. Außerdem verfolge man die Entwicklung der E-Privacy-Gesetzgebung auf EU-Ebene. Eine "neue Spielwiese" sieht er in der neuen, bislang wenig bekannten BGB-Vorschrift 327q, die im Januar 2022 in Kraft tritt. Kein Wunder, denn darin stellt der Gesetzgeber erstmals klar: Wenn ein Verbraucher für den Erhalt einer Leistung personenbezogene Daten bereitstellt, dann ist das so, als wäre es die Zahlung eines Geldbetrags. "Damit werden wir uns als Verbraucherverband sehr genau befassen, das wird spannend", freut sich Dünkel im Gespräch mit Joerg und Holger.
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