#diepodcastin ampelt: Isabel Rohner & Regula Staempfli über Zapfenstreich, Nina Hagen, Hildegard Knef,Kurzwaschen & grässliche, mediale goldene Schrumpelgurken.
Was für ein Ab- und Unterschied: Während sich Ex-Kanzler Gerhard Schröder beim Zapfenstreich noch das Männerlied “My Way” vorspielen ließ, setzte Bundeskanzlerin Angela Merkel 16 Jahre später auch hier neue Maßstäbe: Neben dem DDR-kritischen “Du hast den Farbfilm vergessen” und dem Choral “Großer Gott, wir loben dich” erklang im Bendler-Block Hildegard Knefs große Hymne “Für mich soll’s rote Rosen regnen”. Die Rohnerin outet sich als große Bewunderin des Multitalents Hildegard Knef, für sie nicht nur eine große Schauspielerin und Sängerin, sondern vor allem auch eine der größten deutschen Autorinnen des 20. Jahrhunderts. Lest bitte alle “Der geschenkte Gaul” und Knefs wunderbare, tiefen Gedichte! Die Rohnerin liebt über alles “Wieviel Menschen waren glücklich, dass du gelebt?” laStaempfli ist entzückt, denn sie hat all dies über Hildegard Knef auch nicht gewusst.
laStaempfli berichtet aus Wien: Die österreichische Boysgroup ist abgetreten. Die Begründung von Sebastian Kurz, Alexander Schallenberg udn Gernot Blümel ist nicht etwa: “Well, wir stecken tief im Korruptionssumpf und müssen uns vor Gericht verantworten”, sondern “Wir wollen uns dem Nachwuchs, der Familie weitweg von der Politik widmen.” Selten wurde Care-Arbeit so verhunzt. Die gelackmeierte Türkiselite ist zwar weg: Das Automatensprech der von PR getränkten öffentlichen Rede leider noch nicht.
Was ist eigentlich ein “Koalitionsvertrag”? Die Rohnerin staunt, dass dies offenbar viele nicht wissen, wenn sie sich die Jubelposts in den sozialen Medien und einige Berichterstattungen so ansieht. Da wird doch ernsthaft so getan, als sie das alles schon Wirklichkeit. Dabei handelt es sich bei einem Koalitionsvertrag schlicht um Absichtserklärungen. Oder haben tatsächlich schon das flächendeckende schnelle Internet, das uns seit 2009 (!) in jedem einzelnen Koalitionsvertrag auf Bundesebene versprochen wurde? So wartet die Rohnerin mit ihrem Jubel zur Abschaffung des frauenverachtenden und ärztInnenfeindlichen §219a des Strafgesetzbuches, wegen dem GERADE JETZT Gynäkologinnen und Gynäkologen in Deutschland vor Gericht stehen, bis er wirklich weg ist. Bei anderen Ankündigungen hofft die Rohnerin hingegen, dass sie nie umgesetzt werden.
Derweil wird die zukünftige deutsche Außenministerin Annalena Baerbock (übrigens die erste Außenministerin in der deutschen Geschichte!) fröhlich weiter medial niedergemacht. Die Rohnerin bringt ein erschreckendes Beispiel: Der Münchner Merkur macht Baerbock in der Überschrift nieder – doch der im Text zitierte Experte hat sich gar nicht kritisch gegen sie geäußert. Click Bait vor journalistischer Sorgfalt. Geht das wirklich nicht besser? laStaempflli fügt an: Annalena Baerbock gilt als unerfahren und muss sich beweisen; Christian Lindner ist hingegen ein Supermann und starker Politiker, obwohl BEIDE ähnliche Karrieren aufweisen, nämlich keine eigene, ausserhalb der Politik.
Und last but not least geht die “Goldene Schrumpelgurke” dieser Woche an die Redaktion von Pro7 “TVtotal” und Moderator Sebastian Pufpaff, die doch tatsächlich die “heißeste Biene der FDP” ausfindig machen wollten. Auch wenn der Preis am Ende an Christian Lindner ging – die Sexualisierung von Politikerinnen war schon in den 1950er Jahren kalter Kaffee. 2021 ist sie nur noch peinlich. Zu den goldenen Schrumpelgurken ergänzt laStaempfli: Die Politsatire ist in Zeiten digitaler Automation schon längst zu misogynen Vernichtungsprogrammen mutiert. Das Lachen über Aussehen von Frauen, die pornografischen und sexistischen Anspielungen gegenüber Politikerinnen ist Ausdruck zutiefst frauenverachtender Referenzen, Images und Vorstellungen. Hier empfiehlt laStaempfli nochmals das Buch von Angela Nagle, Kill all Normies und ihr eigenes Kolumnenbuch, Sex, Katzen und Diäten oder Gretchens Rache von Isabel Rohner. Ein spannender, genial geschriebener Krimi, in dem Frauen lachen und in dem nicht über Frauen gelacht wird.
#diepodcastin ist sich diesmal einig: Die Medienqualität – vor allem auch der öffentlich-rechtlichen – versagt angesichts der Möglichkeit der ersten Aussenministerin Deutschlands und stellt fest, dass sich die strukturelle Diskriminierung in den journalistischen Narrativen hartnäckig hält. Hier ergänzt laStaempfli ein gutes Beispiel im Text punkto Süddeutsche: Am 3. Dezember 2021 war der Feuilleton so gut wie nie: #diepodcastin gratuliert auf Instagram.
Links:
– Fake News im Merkur: https://www.merkur.de/politik/baerbock-aussenministerium-gruene-experte-aussenministerin-ampel-regierung-91145960.html
– Fake News bei den Norddeutschen neuesten Medien, hier wird über die Abschaffung von §219a berichtet, als wäre sie schon Realität: https://www.nnn.de/lokales/rostock/hansestadt-rostock/Schwangerschaftsabbruch-Kaum-Aenderungen-fuer-Aerzte-und-Beratungsstelle-id34528177.html
– Stattdessen stehen Ärtzinnen und Ärzte auch heute noch wegen des frauenverachtenenden §219a vor Gericht: https://www.wn.de/muensterland/kreis-coesfeld/nottuln/dr-detlef-merchel-geht-nach-karlsruhe-2499243
– Tagesspiegel über Pufpaffs Fail: https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/medien/pufpaff-witzelt-ueber-schaerfste-biene-der-fdp-tv-total-folge-gipfelt-in-sexismusvorwuerfen/27859454.html