Im Kinderbad in meinem Elternhaus hängt ein Foto von meiner Schwägerin und meiner Schwester. Beide waren vor 20 Jahren zeitgleich mit ihrem jeweils ersten Kind hochschwanger. Sie stehen sich gegenüber, haben ihre Pullover hochgezogen und schauen auf ihre Bäuche, die sich leicht berühren.
An dieses Bild denke ich beim Besuch Marias bei ihrer Verwandten Elisabeth. Eine Begegnung von vier Menschen, von denen zwei schon da, aber noch nicht sichtbar sind: Johannes und Jesus als ungeborene Kinder, von denen das eine sich über die Nähe des anderen so sehr freut, dass es im Leib der Mutter hüpft.
Die erste Begegnung mit dem Mensch gewordenen Gott findet nicht in Bethlehem, sondern im Haus der Elisabeth bei Jerusalem statt. Als erstes freuen sich über ihn nicht die Hirten auf dem Feld. Als erstes freut sich über ihn ein ungeborenes Kind. Die weihnachtliche Freude beginnt bereits im Advent.
Wenn Gott auf die Welt kommt wie wir – „geboren von einer Frau“ (Gal 4.4) – dann will er offenbar den ganzen Weg unseres Werdens mitgehen. Vom ersten Augenblick unseres zunächst noch unentdeckten Lebens im Mutterleib an.
„Gott wird Mensch, damit der Mensch vergöttlicht werde“, schrieb der hl. Athanasius (+373). Auch das unterscheidet uns von ihm: dass wir nicht Mensch geworden sind. Wir sind alsMenschen geworden, was wir sind. Ich war nie etwas und bin dann jemandgeworden. Das ist wichtig. Denn „etwas“ kann man handhaben, verändern, verleihen, verkaufen, schätzen oder verwerfen, pflegen oder verkommen lassen. Mit „jemandem“ darf das keiner tun.
Die Antwort auf die Frage nach den Ungeborenen hat fundamentale Folgen für die Geborenen: Kein Mensch ist jemand, den man irgendwann mal einfach hätte wegmachen dürfen.
Gott holt uns im Advent ab, damit wir mit ihm geboren werden. Wenn Gott als Mensch geboren wird, kommt auch zum Vorschein, wer wir sind: der von Anbeginn an um jeden Preis geliebte Mensch.
Fra' Georg Lengerke
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