In Russland steht die Software eines 35 Milliarden Dollar schweren Cloudunternehmens aus dem Silicon Valley auf den Spitzenplätzen der Downloadcharts: Cloudflare. Der Konzern ist ein globaler Experte für schnelles Internet – und schützt Webseiten vor Hackerangriffen.
Im Podcast „Handelsblatt Disrupt“ erklärt Finanzchef Thomas Seifert dem Silicon-Valley-Korrespondenten des Handelsblatts, Stephan Scheuer, warum die Firma am Russlandgeschäft festhält, wie sie gleichzeitig der Ukraine hilft und wie sich das Cloudflare-Geschäftsmodell von Amazon, Google und Co. unterscheidet.
„Wir haben schon vor der Invasion angefangen, mit der Ukraine zusammenzuarbeiten und einen Großteil der kritischen Infrastruktur in unser Netzwerk integriert“, sagt Seifert. Als der Krieg begonnen habe, seien sämtliche Regierungswebseiten und unabhängige Medienportale hinzugefügt worden.
Durch das Geschäft in der Ukraine hat Seifert einen detaillierten Einblick in die Kriegsentwicklung. Nicht nur die Anzahl der Hackerangriffe sei gestiegen, sagt er. Auch könne er anhand der Spuren im Netz nachvollziehen, wie sich die Flüchtlingsströme von Osten nach Westen bewegen und wie der Krieg die Infrastruktur zerstört.
Das Geschäft in Russland dagegen umfasse „ganz kleine Geldbeträge“, rechtfertigt er sich. Es sei wichtig, auch für die russische Bevölkerung „den Zugang zum Netz offenzuhalten“. Denn die Nachfrage nach kritischen News-Angeboten sei in Russland nach der Invasion „sprunghaft gestiegen“.
Scheuer und Seifert sprechen auch über das Geschäftsmodell des Konzerns, der über zehn Prozent des weltweiten Internetverkehrs abwickelt. Gegen Ende des Jahres rechnet Seifert mit einem Umsatz von einer Milliarde Dollar – als er vor fünf Jahren Finanzchef wurde, lag der Umsatz bei 100 Millionen Dollar.
Cloudflare profitiere von den Transformationsprojekten der weltweiten Softwarekonzerne. Durch die Migration der Daten in die Cloud „ändern sich die Geschäftsmodelle von Konzernen grundlegend. Statt Hardware einzukaufen, beziehen sie lieber Dienstleistungen im Abomodell“, sagt er.
Inhalte, die auf Webseiten von Cloudflare publiziert werden, will der Konzern nicht zensieren, so Seifert. „Ist es im Interesse der Welt, dass CEOs entscheiden, was unter Meinungsfreiheit in Deutschland fällt? Wir brauchen einen politischen Prozess, der unserer Firma sagt, was geschützt werden soll – und was nicht.“
Auf die Frage, wie Cloudflare mit Konkurrenten wie Google und Amazon umgeht, reagiert Seifert gelassen. Ein Gegengewicht werde Cloudflare nicht bilden, sagt er. Es sei nicht das Ziel, „große Datencenter im Silicon Valley aufzubauen“. Stattdessen speichere Cloudflare die Daten auf dezentralen Servern in Städten und Gemeinden.
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