Die EZB hebt erstmals seit 2011 ihre Zinsen an. Das hat Folgen für Unternehmen, Verbraucher und Europa.
Zum ersten Mal seit elf Jahren erhöht die Europäische Zentralbank (EZB) ihre Zinsen. Bei der Ratssitzung am Donnerstag haben die Notenbanker einer Anhebung um 0,5 Prozentpunkte zugestimmt. Damit beenden sie die Ära der ultralockeren Geldpolitik. Null- und Negativzinsen gehören künftig vorerst der Vergangenheit an.
Der aktuell entscheidende Einlagenzins, zu dem Geschäftsbanken ihre überschüssigen Gelder bei der EZB parken können, soll damit auf null Prozent steigen. Der offizielle Leitzins, zu dem die Zentralbanken Geld verleihen, soll einen halben Prozent erreichen. Auch für den Spitzenrefinanzierungssatz ist eine Anhebung um 50 Basispunkte geplant.
Der Schritt der Währungshüter dürfte viele Marktteilnehmer überraschen. Zwar kündigte EZB-Präsidentin Christin Lagarde bereits im Juni eine Zinserhöhung an. In den vergangenen Wochen war jedoch stets die Rede von einem Schritt in Höhe von 25 Basispunkten.
Mit dem heutigen Beschluss reagiert Lagarde auf die Rekordinflation von derzeit 8,6 Prozent im Euroraum. Viele Expertinnen und Experten hielten den Schritt für längst überfällig, um den steigenden Preisen entgegenzuwirken und vor allem Verbraucher zu entlasten. Andere mahnen, die EZB könnte durch die Zinsanhebung die schwache Konjunktur weiter abwürgen und eine Rezession auslösen.
Handelsblatt Finanzredakteur Leonidas Exuzidis erklärt im Podcast „Handelsblatt Today“, welche Folgen das Ende der Null- und Negativzinsen unter anderem für Anlegerinnen und Anleger hat und welche weiteren geldpolitischen Instrumente die Währungshüter der Eurozone beschlossen haben.
Außerdem: Seit Donnerstag-Morgen fließt wieder Gas durch die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1 aus Russland nach Deutschland. Aufgrund der jährlichen Wartung der Pipeline war diese für zehn Tage außer Betrieb. Die Befürchtungen der russische Präsident Wladimir Putin könne die Lieferungen anschließend einfrieren, haben sich damit vorerst nicht bestätigt.
Aktuelle Lieferdaten zeigen, dass der Gasfluss mittlerweile bei fast 40 Prozent liegt. Das entspricht ungefähr 29 Gigawattstunden und insgesamt 67 Millionen Kubikmeter Gas pro Tag. Der Lieferumfang nach Deutschland ist damit so hoch wie vor den Wartungsarbeiten. Schon da hatte das russische Förderunternehmen Gazprom die Menge unter einem Vorwand limitiert.
Dass Putin seine am Mittwochabend im Teheran ausgesprochene Warnung vor einem totalen Lieferstopp wahr machen wird, hält Handelsblatt Kreml-Expertin Mareike Müller jedoch für unwahrscheinlich: „Damit würde Putin ein wichtiger Hebel fehlen, um Druck auf den Westen auszuüben.“
Auch das umgekehrte Szenario sei unwahrscheinlich. Russland werde die Liefermenge kaum wieder auf ein Vorkriegsniveau anheben: „Aus russischer Sicht hat der Gashandel mit der EU keine Zukunft mehr, seitdem diese angekündigt hat sich komplett aus dem Gasgeschäft mit Russland zurückzuziehen.“
Mehr zum Kalkül des russischen Präsidenten und den Folgen der limitierten Gaslieferungen sowohl für den Kreml als auch für Deutschland erklärt Müller im Podcast.
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