In seinem Buch „How to be an Alien“ vergleicht der Exil-Ungar George Mikes die Engländer mit „people on the Continent“. Im Kapitel „How to be rude“ geht es um den Umgang mit einem Lügner. Dem entgegne man auf dem Kontinent: „You are a liar, Sir, and a rather dirty one at that.” In England sage man nur: „Oh, is that so?” oder „That ́s rather an unusual story, isn ́t it?”
Ähnlich reagieren die höflicheren Verächter des Christentums, wenn sie das Wort Jesu über die Wirksamkeit des Gebets hören: „Wer bittet, der empfängt; wer sucht, der findet; und wer anklopft, dem wird geöffnet.“ – „Oh, ist das so? Eine eher ungewöhnliche Geschichte, oder?“
Wie viele Menschen haben gebetet und nicht empfangen, gesucht und nicht gefunden, angeklopft und die Tür nicht geöffnet bekommen?
Jesus kennt und teilt das Ringen mit Gott und die Verzweiflung der Menschen angesichts unerträglichen Leids. Aus dieser Erfahrung lehrt er seine Jünger das Beten. Nicht bloß als Notfalloption gegenüber einer fremden und anonymen Instanz. Jesus vergleicht das Gebet mit der Bitte an einen Freund – selbst wenn sie für diesen zur Unzeit kommt. Der Freund ist der, der sich mir offenbart und dem ich mich offenbare; der sich mir anvertraut und dem ich mich anvertraue; und er ist einer, mit dem es mir gemeinsam um etwas geht.
Aber es gibt Christen, die nicht beten, sondern bloß bestellen. Die nicht suchen, sondern bloß vermissen. Die nicht anklopfen, sondern bloß Verschlossenheit beklagen. Und die Versuchung dazu kenne ich. Aber Gott ist kein Lieferdienst, nicht der Erfüllungsgehilfe unserer Wünsche und nicht der Reinigungsservice für unsere Schuldfolgen.
Das Gebet als „Gespräch mit einem Freund“ (Teresa von Avila) beginnt für mich mit dem Dank für das, was ist. Im Gebet vertraue ich mich diesem Freund an – mit meiner Geschichte, meinen Freuden und meinen Stärken, meiner Schwachheit, meiner Schuld und meiner Scham. Ich frage nach seinem Willen. Ich höre in die Stille und auf sein Wort. Und nachdem ich gedankt, gefragt und hingehört habe, bitte ich ihn.
Ich finde es bedenkenswert, dass es in den ersten drei Bitten des Vaterunsers um Gott geht (um seinen Namen, sein Reich und seinen Willen) und erst in den letzten drei Bitten um uns (unsere Vergebung, unsere Versuchung und unsere Erlösung). Dazwischen steht die Bitte um das tägliche und (wörtlich) „überwesentliche“ Brot. Dieses Brot ist beides: unsere tägliche Nahrung und der göttliche Freund selbst. Der ist auf unsere Seite der ungelösten Probleme, der unbeantworteten Fragen und der unerhörten Bitten gekommen, damit wir ihm glauben, dass er uns und die Welt nach Hause in die Liebe, die Freude und das Glück bringt, die wie er unsterblich sind.
Und wenn ich so zu ihm bete, dann denke ich manchmal schmunzelnd mit den höflicheren Verächtern des Christentums: „Oh, das ist eine eher ungewöhnliche, ja, eine unerhörte Geschichte, oder nicht?“
Fra' Georg Lengerke
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