Wer von Euch hat schon mal eine Kladde gekauft, um ein Tagebuch zu führen, das ab dem fünften Tag leer blieb? Oder wer von Euch hat schon mal für einen Online-Sprachkurs oder im Fitnessstudio ein Jahr bezahlt und nur sieben Einheiten gemacht?
Wir machen halbe Sachen. Entweder, weil wir uns gar nicht wirklich entschieden haben oder weil uns zu viel vornehmen oder weil uns die vermeintlichen Ziele gar nicht wirklich wichtig sind.
So, sagt Jesus, kann es auch im Glauben sein. Wo der Weg mit Gott keine Veränderung im Leben bewirkt, dort gleicht ein Mensch einem Bauherrn, der über das Fundament des geplanten Turmes nicht hinauskommt und dann verspottet wird: „Der da hat einen Bau begonnen und konnte ihn nicht zu Ende führen.“
Vielleicht ist das eine der Grundversuchungen des Christen, dass wir irgendwie an Gott glauben und ihn vielleicht sogar in Jesus erkennen, aber trotzdem hoffen, unbehelligt wie alle anderen Menschen möglichst unauffällig weiter vor uns hinleben zu können.
Ich kenne Menschen, die machen eine wichtige Erfahrung im Glauben und fangen neu an. Aber dann sind sie entweder zu wenig oder übertrieben entschieden. Der Neuanfang verdampft. Und hinterher finden Sie sich selbst weiter entfernt als zuvor.
In der Beziehung zu Gott soll es uns darum gehen, dass alle Lebensbereiche – Leib und Seele, Intellekt und Emotion, Natur und Kultur, Verhältnisse und Beziehungen – mit Gott in Verbindung kommen. Dass sie im Glauben an ihn gesehen, gedeutet, verstanden und neu bewertet werden. Und zwar in der Konkretion, die sich im Verhältnis zwischen Jesus und seinen Jüngern zeigt.
Nur so kann ich mir das harte Wort vom „hassen“ unserer Angehörigen und unseres eigenen Lebens erklären. Jesus meint ja nicht eine Feindschaft, sondern eine radikale Neubewertung, in der wir nicht miteinander über Gott urteilen, sondern mit Gott aufeinander schauen; dass also kein Mensch das Licht ist, in dem ich die Welt oder mich selbst sehen kann, sondern Gott das Licht, der Schlüssel zum Verständnis und zur Erkenntnis der Welt, der Dinge und Menschen ist, in der wir einander wahrhaft erkennen und lieben können.
Und das sollen wir nicht bloß mitunter, sondern immer, nicht nur halb, sondern ganz tun. Nicht bloß in emotionalen Schlüsselmomenten, im Verliebtsein oder beim Kirchgang – sondern immer und überall.
Doch auch dann machen wir immer noch halbe Sachen. Gestern Abend habe ich die Heilige Messe am Vorabend mit einem alten Malteser gefeiert, der bis vor kurzem ein wichtiges Amt innehatte. Kurzfristig musste er es abgeben. Ich glaube, er fühlte sich immer ein wenig überfordert. Als wir die Messe feierten und das Evangelium von heute lasen, habe ich ihn angeschaut und mir gedacht: Das will ich mit meinem alten Bruder lernen, dass wir alles ganz mit Jesus tun sollen, auch wenn es uns übersteigt und am Ende halb bleibt. Und dann dürfen wir vertrauen, dass Gott es ist, der am Ende unsere halben Sachen ganz macht.
Fra' Georg Lengerke
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