[Heute ist auch Erntedankfest. Auf einen heute im Deutschlandfunk Kultur laufenden Beitrag werde ich an dieser Stelle zu einem späteren Zeitpunkt nochmal eigens hinweisen.]
Um 18 Uhr klingelt mein Wecker. Nicht etwa, um mich zu wecken. Er erinnert mich daran, den Arbeitstag zu schließen, bevor das Abendprogramm beginnt.
Dann schaue auf das, was ich geschafft oder nicht geschafft habe, auf Unwichtiges, was ich wichtig genommen, oder Wichtiges, was ich aufgeschoben habe. Ich hake Erledigtes ab und verschiebe Unerledigtes auf eine nächste Gelegenheit.
Soweit die Theorie. Das funktioniert mal besser und mal weniger gut. In herausfordernden Zeiten gerät das auch schon mal durcheinander.
Es müssen herausfordernde Zeiten gewesen sein, in denen die Jünger an Jesus eine existentielle Bitte richten. Jesus hatte gerade davon gesprochen, dass es kaum Schlimmeres gebe, als einfache Menschen zum Bösen zu verführen, und davon, wie entscheidend wichtig es sei, zu vergeben.
„Stärke unseren Glauben!“ sagen die Apostel daraufhin zu Jesus. Offenbar ahnen sie, wie schnell der Glaube einfacher Menschen möglicherweise ihretwegen Schaden nimmt und wie verhärtet das Herz eines Menschen werden kann, wenn ein anderer in dessen Schuld steht.
Die Antwort Jesu klingt zunächst nicht stärkend sondern enttäuschend: Wenn ihr auch nur ein klein wenig Glauben hättet, würdet ihr Bäume versetzen. Ein Sklave stellt auch keine Ansprüche. Also habt euch nicht so!
Aber je länger ich hinhöre, umso weniger höre ich einen Vorwurf, sondern eher eine Erleichterung. Das Senfkorn ist im Evangelium immer ein Sinnbild für die große Macht im Kleinen. Aus dem klitzekleinen Samenkorn wird ein spektakulärer Baum. Wir sollen nicht auf einen spektakulären Glauben warten, sondern das kleine Körnlein des Glaubens suchen und säen.
Was dann geschieht, scheint genauso unmöglich zu sein, wie dass ein tief verwurzelter Baum sich mit einem Mal auf den Weg macht und sich dort verwurzelt, wo man nicht wurzeln kann – nämlich im Wasser. Niemanden zum Bösen zu verführen oder jemandem eine lebensprägende Schuld zu vergeben – das mag uns genauso unmöglich erscheinen, wie ein wandernder Tiefwurzler. Aber die Gotteskraft, die solches bewirken kann, ist schon im kleinsten Glaubensakt des Vertrauens, der Liebe und der Hingabe verborgen da, um wirksam zu werden.
Auch beim „Gleichnis vom unnützen Knecht“ geht es um die Entdeckung des Großen im Kleinen. Es beschreibt den Alltag. Ein Sklave tut seine Arbeit auf dem Feld, dann im Haus, isst noch was und geht dann schlafen. Jesus nimmt uns die Vorstellung einer falschen Großartigkeit, die darauf wartet, für ein erfolgreiches Werk gelobt und gefeiert zu werden. In herausfordernden Zeiten kommt es darauf an, täglich treu den kleinen Dienst des Glaubens, der Hoffnung und der Liebe zu tun.
Das wäre schon was, denke ich mir, um 18:00 Uhr sagen zu können: Ich habe meine Schuldigkeit getan.
Du wirkst weiter.
Herr, stärke unseren Glauben.
Amen.
Fra' Georg Lengerke
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