Als Kinder konnten wir – wie die meisten Kinder –unausstehlich sein. Vor allem auf längeren Autofahrten. Quengelnd und maulend, nichts war recht. Auch bei uns gab es die bald völlig unglaubwürdige Drohung: „Gleich steigt Ihr aus!“ Neulich erzählte der Kabarettist Johann König, dass seine Schwester und er dieselbe Drohung auf Autofahrten auch nicht ernstgenommen hätten – bis seine Mutter eines Tages sagte: „Wir hatten vor Euch schon mal zwei Kinder…!“
Die heutige erste Lesung erzählt von der Durststrecke des Volkes Gottes durch die Wüste nach dem Auszug aus Ägypten. Gott sorgt für sein Volk. Aber das Volk murrt. Es ist unausstehlich. Es murrt gegen Gott und gegen Mose. Es murrt, weil das Essen fehlt oder sie langweilt, es murrt, weil sie Durst haben, weil die Sonne heiß und der Weg lang ist.
Nicht, dass Hunger, Durst und Hitze Lappalien wären. Der Weg durch die Wüste war beschwerlich, gefährlich und schwer erträglich. Aber so ist das mit unseren Wegen in die Freiheit.
Das Schlimme am Murren ist, dass es mit der Verhärtung der Herzen einhergeht. Mit einer Vergesslichkeit in Bezug auf das gewesene Gute, einer Unempfänglichkeit für das gegenwärtige Gute und dem Desinteresse am verheißenen, kommenden Guten. Vergessen war das Leiden in Ägypten. Nur die dortigen Fleischtöpfe flimmern noch vor den Augen. Vergessen war die wunderbare Befreiung und die Sorge Gottes in der Wüste. Der ganze Auszug schien nur noch Irrtum und List gewesen zu sein, um sie letztlich doch in der Wüste umzubringen.
Das Murren ist eine Versuchung bis heute. Auch in der Kirche. Und zwar in allen Lagern. Man kann mitunter gar den Eindruck bekommen, das Murren gehöre zum guten Ton. Wer nicht murrt, verkennt den Ernst der Lage und verharmlost die Krise. Murren tritt an die Stelle von Gespräch und Gebet. Murren wird zur Kirchenpflicht des kritischen Christenmenschen.
Im 85. Psalm ruft der Beter: „Würdet ihr doch heute auf seine Stimme hören!“ Und er lässt Gott sagen: „Verhärtet euer Herz nicht wie in Meríba, wie in der Wüste am Tag von Massa! Dort haben eure Väter mich versucht, sie stellten mich auf die Probe und hatten doch mein Tun gesehen.“
„Mein Tun“ – was ist das? Dass Gott in der Wüste für sein Volk sorgt. Über Brot und Wasser hinaus. Manchmal auch so, dass erst der Mangel an Brot und Wasser hilft, wieder zu entdecken, dass der Mensch von mehr lebt als bloß von Brot und Wasser (Dtn 8,3-6).
Neulich sprach ich mit jungen Eltern über längere Autofahrten mit ihren Kindern. Sie fanden Hörbücher gut. Filme weniger. Kinderproviant helfe, hieß es, und anderes mehr. Aber alle waren sich einig: Die Kinder müssen auch lernen, mit Durststrecken umzugehen.
Auch darum geht es auf den Durststrecken durch die Wüste: um die Einübung von Glaube, Hoffnung und Liebe in der Krise. Um geistliche Widerstandskraft. Um die Bereitschaft, an Schwierigkeiten zu wachsen. Um ein Vertrauen, dass sich in der Not bewährt und dem, der treu war, auch in der Not glaubt, dass er treu sein wird. Um eine Wiederentdeckung des Gottes, der mit seiner Kirche durch die Wüste zieht.
Der heilige Paulus schafft im Ersten Korintherbrief eine Verbindung zwischen der Erzählung von Massa und Meriba und dem heutigen Gespräch Jesu mit der Frau am Jakobsbrunnen (Joh 4, 5–42). Er sagt: Der Fels, aus dem Mose das Wasser schlägt, bedeutet Christus, der mit seinem Volk durch die Wüste zieht (1 Kor 10,4).
Wo wir aufhören zu murren, und wieder mit Christus verbundene Menschen werden, da werden wir uns auf der Durststrecke bewähren. Und er gibt Wasser, das den Lebensdurst stillt und die Menschen, die davon trinken, zur Lebensquelle für andere macht.
Fra' Georg Lengerke
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