Immer mehr Rucola wächst am Straßenrand. Wo kommt der denn plötzlich her?
Die ganze Geschichte mit Rucola als Salat hat eigentlich erst vor 20, 30 Jahren so richtig angefangen. Vorher war das nur ein Wege-Unkraut.
Auch in Deutschland?
Wir haben nicht grundlos einen einheimischen Namen für das Zeug: Rauke.
Der am Straßenrand sieht aber mehr wie der scharf gezackte aus Italien aus.
Das wäre kein Wunder. Schließlich und endlich wandern Pflanzen mit menschlicher Hilfe schon seit vielen Jahrhunderten durch die Welt. Du wirst die Rosskastanie sicherlich nicht für etwas Fremdes halten, aber die ist erst im 17. Jahrhundert, wahrscheinlich vom Balkan, eingeschleppt worden, von Diplomaten oder Händlern, die für ihre Parks zum Angeben mitgebracht haben, was sie schön fanden. Die Kehrseite der Botanischen Gärten in Europa.
Was hast du gegen Botanische Gärten?
Solange das dort bliebe, wäre alles unproblematisch. Aber es gibt Pflanzenarten, die sich mühelos weiterverbreiten, und das sind oftmals welche, die einheimische Arten verdrängen. Das kann zu erheblichen Störungen im Ökosystem führen.
Sag mal ein Beispiel.
Götterbäume. Die scheinen einerseits andere Pflanzen zu verdrängen, andererseits sind sie möglicherweise Träger von Pilzkrankheiten, die wiederum entfernt verwandte Bäume wie die Esche umbringen.
Was wäre das Problem, wenn Rucola andere Straßenunkräuter verdrängen würde?
Tja, da sind wir dann bei der ernsten Frage: Was ist ein Unkraut? Unkraut ist eine Pflanze nur für Leute, die Nutzpflanzen anbauen und denen eine andere Pflanze im Wege ist. Was dem einen sein Unkraut ist, ist dem anderen sein Nutzkraut. Löwenzahn kannst du als Unkraut betrachten, wird aber auch für Salate verwendet. Insgesamt ist die Vielfalt der Unkräuter rückläufig, wie überhaupt die Artenvielfalt. Es könnte ein Problem werden, dass künftig Arten dominant sind, die mit den gängigen Mitteln nicht mehr wegzubekommen sind.
Kann ich Rucola vom Straßenrand essen?
Jein. Die Pflanze selbst schon. Aber so wie sie am Straßenrand wächst, eher nicht. Die Straße ist nun mal der Platz, wo allerlei Fahrzeuge des Wegs kommen, die einen Haufen Dreck bringen. Und dazu kommt noch das eine oder andere Tier, das da draufpinkelt.
Dreck kann man abwaschen und im Garten düngt man ja auch mit Pflanzenjauchen und Rinderdung. Gibt es Untersuchungen, wie belastet solche Pflanzen tatsächlich sind?
Halb verbrannte Kohlenwasserstoffe aus dem Auspuff waschen sich ja nicht so leicht ab. Aber flächendeckende Untersuchungen dazu gibt es wahrscheinlich nicht. Die müsste irgendwer bezahlen, frei wachsende Kräuter fallen ja nicht unter die Lebensmittelüberwachung. Und dass bei der allgemeinen Begutachtung unserer Umweltbedingungen ausgerechnet die Straßenrandkräuter betrachtet werden, bezweifle ich. Pflanzen wachsen jedenfalls dort vermehrt, wo der Stickstoffanteil im Boden und in der Luft größer geworden ist. Und der Autoverkehr ist ja auch eine Quelle von Stickstoffüberdüngung. Das hat man meist nicht im Kopf. Meistens denkt man nur an Gülle und die sonstige Düngung in der Landwirtschaft.
Ich denke da eher an Pinkelecken im Park, wo Brennnesseln besonders gut wachsen.
Nicht zu vergessen die. Aber der Autoverkehr trägt maßgeblich zur Stickstoffüberdüngung bei, wie der VW-Skandal gezeigt hat.
Das heißt, die Umstellung auf Elektromotoren wird auch das Straßenunkraut verändern?
Es wird mit Sicherheit Veränderungen geben, wenn der Anteil an Stickoxide abgebenden Fahrzeugen stark rückläufig ist.
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