Die Tage vor den Tagen - PMS, das prämenstruelle Syndrom
Stimmungsschwankungen bis hin zu depressiven Verstimmungen, Brust- und Unterleibsschmerzen, unreine Haut, Heißhunger, Schlafstörungen - viele Menstruierende leiden unter dem prämenstruellen Syndrom oder prämenstruellen dysphorischen Störungen. Was steckt dahinter und wie kann man den Patientinnen helfen? Autor: Caro Matzko
Credits
Autor/in dieser Folge: Caro Matzko
Regie: Martin Trauner
Es sprachen: Thomas Birnstiel, Julia Fischer, Peter Veit
Technik: Christine Frey
Redaktion: Iska Schreglmann
Im Interview:
Prof. Dr. Med. Vanadin Seiffert-Klaus, Gynäkologische Endokrinologie und Kinderwunsch; Oberärztin der Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde im Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München;
Daniela Wolf, Autorin des Buches „PMDS“ (TRIAS-Verlag), 1. Deutsche PMDS-Mentorin, Gründerin von Selbsthilfegruppen und Online-Community zum Thema;
Prof. Dr. Med. Brigitte Leeners, Klinikdirektorin, Leitung Klinische Forschung für Reproduktions-Endokrinologie am Universitätsspital Zürich;
Franka Frei, Autorin des Manifests gegen das Menstruationstabu „Die Periode ist politisch“ (Heyne Verlag)
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Literaturtipps:
Daniela Wolf: PMDS - Wege zu einem entspannten Zyklus: Therapie und Selbsthilfe bei extremen Stimmungsschwankungen und Schmerzen. (TRIAS Verlag)
Franka Frei: Die Periode ist politisch, ein Manifest gegen das Menstruationstabu (Heyne Verlag)
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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.
Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:
ZSP 1
(Prof. Leeners - PMS ist eine Krankheit; Franka Frei - PMS ist keine Krankheit
Daniela Wolf – Symptome; Vanadin Seiffert-Klauss - Symptome; Franka Frei - Die Periode ist politisch)
ZITATOR
„Die Geschichte der Menstruation ist eine Geschichte voller Missverständnisse.“
SPRECHER
…das war der vermutlich einzige Tampon-Werbeslogan, der berühmt wurde - aus dem Jahr 1994. Und diese missverständliche Geschichte reicht bis in die Antike zurück: Hippokrates, einer der Urväter der Medizin, bezeichnete die Gebärmutter als „Wurzel von tausend Übeln“. Und der Philosoph Platon war der Überzeugung, dass der Uterus, wenn er unbewohnt - also ohne Embryo bliebe - sich in eine Art „Wuterus“ verwandelte, der durch den weiblichen Körper wandern würde, um sich schließlich am Hirn festzubeißen.
Und bis heute wird Frauen in einigen Regionen der Welt erzählt, dass sie sich für ihre Periode schämen müssen:
SPRECHERIN
In Nepal werden Frauen in so genannte Menstruationshütten verbannt, beklagt das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen.
Und in Indien versäumt laut einer Umfrage der UNESCO eines von fünf Mädchen die Schule, sobald die Periode eintritt.
SPRECHER
Bis heute sind Frauen also damit befasst, die Periode an sich, aber auch die Begleiterscheinungen, zu verstecken und zu verheimlichen. Wobei gerade die Symptome an den Tagen vor den Tagen gewaltig sein können. Die Medizin hat 150 körperliche und psychische Symptome gesammelt, die beim Auf und Ab der Hormone im Lauf des Zyklus auftreten können.
Sie alle werden in der Diagnose „PMS“, also prämenstruelles Syndrom, zusammengefasst:
MUSIK: „Luicid mind“ – C160849#004 (0:32)
SPRECHERIN
Wasseransammlungen im Gewebe
SPRECHER
Stimmungsschwankungen
SPRECHERIN
Brustspannungen
SPRECHER
Traurigkeit bis hin zur Depression
SPRECHERIN
Unterbauchschmerzen und -krämpfe
SPRECHER
Reizbarkeit und Aggressivität
SPRECHERIN
Kopf- und Rückenschmerzen
SPRECHER
Schlafstörungen
SPRECHERIN
Müdigkeit
SPRECHER
Konzentrationsstörungen
SPRECHERIN
Migräne
SPRECHER
Angstzustände
SPRECHERIN
Appetitlosigkeit
SPRECHER
Vermindertes Selbstwertgefühl
SPRECHERIN
Heißhunger
SPRECHER
Antriebslosigkeit
SPRECHERIN
Suizidgedanken
MUSIK aus
SPRECHER
All diese Symptome können einige Tage bis zu zwei Wochen vor der Periode auftreten und verschwinden meist mit dem Beginn der Regelblutung. Wie das PMS, also das prämenstruelle Syndrom, sich anfühlt, kann von Monat zu Monat unterschiedlich sein. Manche Frauen spüren im Alltag kaum etwas, andere fühlen sich stark eingeschränkt.
SPRECHERIN
Bei einem kleinen Prozentsatz der Frauen werden vor allem die psychischen Symptome des PMS so gravierend, dass dafür ein neuer Begriff eingeführt wurde: die prämenstruelle dysphorische Störung PMDS oder auf Englisch PMDD, premenstrual dysphoric disorder.
SPRECHER
Prof. Vanadin Seifert-Klauss ist Leiterin der gynäkologischen Endokrinologie am Klinikum rechts der Isar in München.
ZSP 2 Vanadin Seifert Klaus - Wer hat alles PMS?
„ Ungefähr 95 % aller Frauen bemerken, dass sie kurz vor der Periode andere Symptome haben im weitesten Sinne, andere körperliche Erscheinungsformen haben als zu anderen Phasen des Zyklus. Ungefähr 30 bis 40% haben jemals behandlungsbedürftige prämenstruelle Symptome verspürt vom Schmerz, den man mit einem Schmerzmittel kurz bekämpft über sehr viel stärkere Ausprägungen und endet dann bei der prämenstruellen dysphorischen Störung die gekennzeichnet sind durch emotionale körperliche und verhaltensmäßige Veränderungen während der prämenstruellen Phase ,die mit einem klinisch relevanten Leiden und deutlicher Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit einhergehen. Und das betrifft ungefähr 3 bis 8 Prozent der Frauen.“
SPRECHERIN
95 % der Frauen kennen also das prämenstruelle Syndrom, 3 bis 8 Prozent haben die hierzulande noch recht selten gestellte Diagnose PMDS attestiert bekommen.
MUSIK: „music for a decent future“ – C160849#026 (0:52)
SPRECHER
Fest steht: Dass Frauen sich an den Tagen vor den Tagen mitunter anders fühlen, ist etwas ganz natürliches, das aber trotzdem seit jeher pathologisiert wurde. Schon in der Antike beobachteten die griechischen Gelehrten ein angeblich typisch weibliches Verhalten, das sich jeden Monat aufs Neue wiederholte und das sie „Hysterie“ tauften. Benannt nach einem nur in Frauen entdeckten Organ - der Gebärmutter, griechisch „hystera“. Platon verdächtigte die Gebärmutter, für die so genannte Hysterie verantwortlich zu sein. Heute wissen wir: Nicht die Gebärmutter allein ist für den Zyklus und seine komplexe PMS-Symptomatik verantwortlich, sondern das Auf und Ab der dabei beteiligten Hormone - also der biochemischen Botenstoffe, die für viele zentrale Abläufe und Entwicklungen bei Frau wie Mann verantwortlich sind. Der Endokrinologe Prof. Martin Reincke von der Ludwig-Maximilians-Universität München hat für die Funktionsweise einen sehr schlüssigen Vergleich:
ZSP 3 Martin Reincke - aus Hormonfolge Post Vergleich (00:26)
„Das Hormonsystem ist ein inneres Kommunikationssystem, das wie die deutsche Bundespost funktioniert. Also ein Brief wird eingeworfen, mit dem Blut an eine andere Stelle transportiert und die Botschaft kommt an. Und wo der Brief wieder geöffnet wird, verändert sich etwas auf zellulärer oder Organ-Ebene.“
SPRECHERIN
Beim Menstruationszyklus, der im Schnitt 28 Tage dauert, gibt es vier hormonelle Haupt-Akteure, die jeden Monat aufs Neue ein äußerst kompliziertes und beeindruckendes Zusammenspiel rund um den Eisprung aufführen:
MUSIK: „Contradiction“ – C160849#023 (1:35)
SPRECHER
Akteur Nummer 1: Das follikelstimulierende Hormon FSH
SPRECHERIN
FSH stößt zunächst einmal die Reifung der Eibläschen - auch Follikel genannt - im Eierstock an. Jeden Monat reift ein Follikel mit einer Eizelle im Inneren heran. Die Follikel produzieren…
MUSIKAKZENT // TUSCH?!
SPRECHER
Akteur Nummer 2: Das Östrogen
SPRECHERIN
Östrogene sind für den Aufbau der Gebärmutterschleimhaut relevant, die nötig ist, damit sich ein befruchtetes Ei einnisten kann. Der steigende Östrogenspiegel im Blut gibt sodann das Kommando zum Anstieg von LH. Also von…
MUSIKAKZENT // TUSCH?!
SPRECHER
Akteur Nummer 3: das luteinisierende Hormon.
SPRECHERIN
Das LH gibt nun den Startschuss für den Eisprung. Nachdem ein Follikel geplatzt ist und die Eizelle auf die Reise schickt. Drumherum bildet sich nun der so genannte Gelbkörper. Im Gelbkörper wird nicht nur Östrogen produziert, sondern auch …
MUSIKAKZENT // TUSCH?!
SPRECHER
Akteur Nummer 4: das Progesteron, auch Gelbkörperhormon genannt
SPRECHERIN
Progesteron unterstützt den weiteren Aufbau der Gebärmutterschleimhaut. Kommt es zu keiner Befruchtung der Eizelle durch ein Spermium, geht der Gelbkörper zugrunde. Die Progesteron- und Östrogenspiegel im Blut sinken wieder, die Gebärmutterschleimhaut wird abgestoßen und es kommt zur nächsten Monatsblutung.
Prof. Martin Reincke:
ZSP 4 Martin Reincke - Hormonzyklus der Frau
Diese 28 Tage passiert jeden Tag etwas anderes, obwohl immer dieselben Hormone beteiligt sind.
SPRECHER
Im Lauf des Menstruationszyklus verändern sich also die Pegel der beteiligten Hormone. Die Botenstoffe sind durch unseren Blutkreislauf überall im Körper unterwegs - die Gefäße sind so etwas wie ihre Autobahn - ein immer wiederkehrendes Auf und Ab, gleich einer Wellenbewegung. Vom einen Botenstoff wird mehr produziert, während der andere schon wieder abgebaut wird. So weit, so verständlich.
Doch bei diesen Auf- und Abbauprozessen der vier hormonellen Hauptakteure entstehen auch so genannte Metaboliten, also Abbauprodukte von Stoffwechselvorgängen, erklärt Prof. Brigitte Leeners vom Universitätsspital Zürich:
ZSP 5 Leeners – Hormone und ihre Metaboliten (1:06)
„Die ganze Geschichte ist viel, viel komplexer, weil die Hormone haben ganz viele Abbauwege. Und die Metaboliten, die entstehen, haben teilweise auch eine Wirkung. Man weiß nicht genau, welcher Metabolit welche Wirkung wo hat, die Abbauwege sind auch individuell sehr, sehr verschieden. Da spielen auch genetische Voraussetzungen der Frauen
SPRECHER
Das ist vielleicht auch der Grund, warum das prämenstruelle Syndrom je nach genetischer Disposition, nach Alter und Sensibilität der Betroffenen ganz anders ausfallen kann. Die meisten haben daher auch unterschiedliche Strategien im Umgang mit den Symptomen:
SPRECHERIN
Von Mönchspfeffer-Tabletten, also einem uralten Heilkraut und der traditionellen Wärmflasche, über Meditation bis zu Schmerzmitteln wie zum Beispiel Ibuprofen, Buscopan oder Paracetamol – die Hausapotheke kann so groß sein wie die Symptompalette.
SPRECHER
Prof. Vanadin Seifert-Klauss vom Klinikum rechts der Isar in München weiß, was einen „Benefit“ haben kann, also: was wirklich hilft.
ZSP 6 Seifert-Klauss: Was hilft gegen PMS? (1:37)
„Da gibt’s einige Studien, wo es eine Evidenz für einen Benefit gibt und überraschenderweise ist Kalzium in dieser Zeit vor den Tagen ganz hilfreich. Wenn wir zu wenig Kalzium im Blut haben, dann kann das die Krampfneigung verstärken. Wir wissen auch, dass kohlehydratreiche Ernährung in diesen Tagen sich positiv auswirkt, also da nicht Diät halten. Für Vitamin B gab es einen kleinen Benefit in Studien. Andere Studien haben zu Magnesium, Mönchpfeffer, nicht so eindeutige, sondern eher gemischte Ergebnisse erbracht. Auch Johanniskraut und Gingko gibt es eigentlich keine guten Studien dazu.
MUSIK: „Luicis mind“ – C160849#004 (0:32)
SPRECHER
Wenn die PMS-Symptome, vor allem die psychischen, die Patientinnen an den Tagen vor der Monatsblutung stark mitnehmen - also Angstzustände, depressive Phasen, Aggressivität und Reizbarkeit den Alltag und das Leben beeinträchtigen - dann kann das ein Hinweis auf eine prämenstruelle dysphorische Störung sein.
SPRECHERIN
So wie bei Daniela Wolf: Sie bekam 2013 die Diagnose PMDS – nach einem jahrzehntelangen Leidensweg und aufwendiger eigener Recherche.
ZSP 6b PMDS Daniela Wolf Symptome O-Ton (00:16)
„Die Symptompalette war riesig, also körperlich fast alles: Brustschmerzen, Kreuzschmerzen, Ödeme, Migräne, Krämpfe, Kopfschmerzen, Schwindel. Und psychisch war bei mir tatsächlich Impulsivität und Aggressivität sehr stark ausgeprägt.“
SPRECHERIN
Daniela Wolf nimmt damals, wie viele Frauen ihrer Generation, jahrelang die Anti-Baby-Pille - bis sie 24 Jahre alt ist. Als sie sie absetzt, verschlimmern sich ihre Menstruationsbeschwerden von Zyklus zu Zyklus. Sie informiert sich, liest sich ein und lässt sich beim Frauenarzt untersuchen. Daniela bekommt die Diagnose „polyzystisches Ovarialsyndrom“, eine Hormonstörung, die sich auf die Eizellreifung auswirkt. Für sie selbst waren jedoch ihre psychischen Reaktionen auf die Schwankungen im Zyklus am gravierendsten.
Daniela stößt im Internet auf das Krankheitsbild PMDS- und erkennt sich wieder. Sie druckt alle Fachartikel aus und bringt sie zu ihrem Gynäkologen. Er bestätigt ihre Selbstdiagnose schließlich nach Rücksprache mit einer Kollegin und verschreibt Daniela ein Antidepressivum, das sie täglich einnehmen muss.
SPRECHER
Prof. Dr. Leeners vom Universitätsspital Zürich hat jedoch auch gute Erfahrungen in der Therapie von PMDS gemacht: mit mikrodosierten Antidepressiva.
ZSP 7 Dr. Leeners Microdosing Antidepressiva (1:12)
“Normalerweise setzt man Antidepressiva kontinuierlich ein und in Zusammenhang mit dem PMDS wirken sehr niedrige Dosierungen schon. Ich verschreibe das gern mit Präparaten, die man auch mit Tropfen dosieren kann. Das ist die einzige Indikation, bei der man auch in Erwägung ziehen kann und das gute Wirkung gezeigt hat, dass man die nur in der zweiten Zyklushälfte einsetzen kann. Aber das muss man im Einzelfall testen und schauen, ob das die gewünschte Besserung bringt.
SPRECHERIN
Daniela Wolf hat inzwischen viele Fachartikel gelesen und kennt die Schwierigkeiten bei der Diagnose von PMDS.
ZSP 8 PMDS Dani Wolf - PMDS ist lebensgefährlich (00:46)
„… mit den Hormonen ist meistens alles in Ordnung. Das wird immer sehr oft falsch dargestellt. Denn das ist die größte Problematik bei der Erkrankung - die Hormone sind meistens in Ordnung in unsrem Gehirn passieren negative Reaktionen auf völlig normale Schwankungen im Zyklus, die alle Menschen mit Uterus haben, diese Schwankungen. Der eklatanteste Unterschied ist: mit PMS ist man nicht suizidgefährdet - PMDS kann aber zum Tod führen.“
SPRECHERIN
Daniela Wolf hatte früher in der Woche vor der Menstruation Momente, in denen ihre „innere Dunkelheit“ so unerträglich wurde, dass sie Todessehnsucht spürte. Und sie sagt heute: Viele haben diese Momente, aber sie sprechen darüber nicht gern, weil sie sich dafür schämen.
SPRECHER
Übrigens: Daniela Wolf - und häufig auch Medizinerinnen und Mediziner - nutzen ganz bewusst die Formulierung „Menschen mit Uterus“, wenn sie über Betroffene sprechen. Denn das schließt auch all diejenigen mit ein, die eine Gebärmutter haben, sich jedoch nicht unbedingt als Frau identifizieren.
SPRECHERIN
Prof. Vanadin Seifert-Klauss vom Klinikum Rechts der Isar in München empfiehlt Betroffenen mit PMDS ebenfalls, je nach Fall, die Einnahme von Antidepressiva. Doch die Scham und das Stigma, unter depressiven Verstimmungen zu leiden und vielleicht einen Psychiater oder eine Psychiaterin aufsuchen zu müssen, die Antidepressiva verschreiben können, sind groß:
ZSP 9 Seifert Klauss: Antidepressiva gegen PMDS (01:06)
Viele Patientinnen, die ich in der Hormonsprechstunde gesehen habe, wollten das nicht für sich in Anspruch nehmen. Die haben gesagt: Ich bin doch nicht psychisch gestört. Das ist abhängig vom Leidensdruck und wie man es vermittelt, das kann auch gegen prämenopausale Beschwerden, gegen Hitzewallungen helfen, da werden Vierteldosen diskutiert.
Wer suizidale Gedanken hat, muss bitte psychiatrisch Hilfe suchen. Ganz eindeutig.
MUSIK: „music for a decent future“ – C160849#026 (0:30)
SPRECHERIN
Daniela Wolf hat das Antidepressivum geholfen, wieder aktiv zu werden. Sie hat Selbsthilfegruppen gegründet, zuhause und auch online auf Instagram, hat ein Buch geschrieben und coacht Frauen mit der gleichen Problematik. Denn das Alleinsein mit dieser Erkrankung, sagt sie, ist für viele ein großes Problem. Reden helfe - und sie rät, offen mit der Erkrankung umzugehen.
ZSP 10 PMDS Dani Wolf - was tun?
Der erste und wichtigste Rat ist immer mit einem Tagebuch anzufangen, das zu schreiben. Ein Zyklustagebuch, aber auch in Verbindung mit einem Emotionstagebuch, wie ein klassisches Tagebuch, wo man von seinem Tag erzählt, aber den Zyklus mit einbezieht.
SPRECHER
Zum Zyklustagebuch raten auch Expertinnen wie Prof. Brigitte Leeners in Zürich. Denn weil alle einen individuellen Zyklus mit individuellen Reaktionen auf die hormonellen Schwankungen haben, muss auch die Therapie darauf abgestimmt werden - sobald die PMDS diagnostiziert wurde.
Das eine Medikament gegen die dysphorische Störung kann es gar nicht geben, resümiert Prof. Brigitte Leeners.
ZSP 11 Leeners: Therapie/Medikamente (01:15)
„Also ich sag mal, ein Medikament, was gezielt ansetzt, das nicht. Die Medikamente, die man hauptsächlich einsetzt mit denen man gegen die Hormonschwankungen im Zyklus einsetzt oder der depressiven Symptomatik entgegenwirkt. Interessanterweise sprechen 40% der Frauen auf eine Pille an, ungefähr 40% auch auf Antidepressiva, manche auf eine Kombination. Ich würde empfehlen, ein ganzheitliches Konzept einzusetzen, wo man Sport und Entspannung einsetzt und schaut, wie weit man die Beschwerden darüber in den Griff kriegt und dann die medikamentöse Therapie mit den Frauen bespricht.“
SPRECHER
Sport und Entspannungstraining können nämlich wichtige Helfer sein, PMS oder gar PMDS besser zu bewältigen, denn Stress – das hat die Forschung ergeben - verschlimmert die Beschwerden rund um den Menstruationszyklus signifikant. Vor allem aber sollte jede Betroffene sich und ihre Beschwerden ernst nehmen, raten die Expertinnen, denn genau diesen wichtigen ersten Schritt sind viele noch immer nicht bereit zu gehen, auch weil sie sich für ihre Periode schämen und sie verstecken. Und das geht selbst Ärztinnen wie Vanadin Seifert-Klauss noch so.
ZSP 12 Seifert-Klauss: Scham rund um Regelbeschwerden
„Ich muss sagen, ich bin aus einer Generation die so, wie Sie geschildert haben, da nicht drüber gesprochen haben. Ich sehe staunend, dass das jetzt viel offener behandelt wird. Und finde das auch nicht schlecht. Ich finde es nur gewöhnungsbedürftig. Und ich selber glaube, dass ich es nicht fertig brächte aus Angst, dass eben dann, wenn man sich mit so etwas typisch Weiblichem identifiziert, dass das im sozialen Kontext auch wieder zu einer Abwertung führen könnte.“
SPRECHERIN
Die Abwertung von Frauen aufgrund ihrer Menstruation scheint also wieder so eine „Geschichte voller Missverständnisse“ zu sein, wie es in der Tampon-Werbung vor rund 30 Jahren wörtlich hieß.
Die Autorin Franka Frei, die sich selbst als Menstruations-Aktivistin bezeichnet, hat die Kulturgeschichte der Regelblutung in ihrem Buch „Die Periode ist politisch“ zusammengefasst.
Die großen Weltreligionen Hinduismus, Islam, Juden- und Christentum bezeichneten laut Franka Frei die Regel früher als Plage oder Strafe Gottes, die die Frau unrein mache, weshalb sich der Mann von blutenden Frauen tunlichst fernhalten sollte.
Dieser traurigen Kulturgeschichte der Periode setzt Franka Frei mit ihrem Buch ein Manifest gegen das Menstruationstabu entgegen. Sie will damit Aufklärungsarbeit leisten, weil sie überzeugt ist, dass die Periode instrumentalisiert wurde, um Frauen machtlos zu halten.
Es sei, so Franka Frei, die Idee entstanden, dass Frauen, die ihr Tage haben, nicht zurechnungsfähig sind und man habe dies mit zweifelhaften Studien untermauert.
ZSP 14 Franka Frei Hysterie und Periode kulturgeschichtlich gesehen (Teil 2)
„Man hat diese Wissenschaft dazu genutzt, um zu sagen: Deswegen sollten Frauen nicht wählen, nicht Auto fahren, nicht zur Uni gehen. Und diese Idee hält sich noch ziemlich lange. Sogar die NASA nahm die vermeintlich irrationale Komplexität und Schwankungen von Menschen, die menstruieren zum Argument dagegen, Frauen als Astronautinnen ins All zu schicken. Man sagte: Das ist zu komplex. Eine komplizierte Maschine und eine psycho komplexe Person - das kann nur schlecht ausgehen. Das war ein offizielles Argument der NASA in den 60er Jahren.
MUSIK: „luicid mind“ – C160849#004 (0:08)
SPRECHER
Was ist also dran an der von Platon beschriebenen Hysterie der Menstruierenden?
SPRECHERIN
Von Hysterie kann keine Rede sein – schon gar nicht während der Regelblutung. Aber: Die meisten Frauen spüren Veränderungen an den Tagen vor den Tagen. Allerdings wird nur ein kleiner Prozentsatz dadurch schwerwiegend eingeschränkt. Sobald die Periode einsetzt, sind die meisten prämenstruellen Symptome vorüber.
SPRECHER
Und was ist dran an der Idee des so genannten „Period Brain“ - also einem so genannten „Perioden-Hirn“ - die davon ausgeht, dass die Menstruation Auswirkungen auf die Hirnleistung hat?
SPRECHERIN
Eine Studie aus dem Jahr 2017 am Universitätsspital Zürich rund um die Forscherin und Klinikdirektorin Prof. Dr. Brigitte Leeners hat das widerlegt. Frauenhirne funktionieren vor, während und nach der Periode gleich gut. Aber emotional kann es zu Beeinträchtigungen kommen - für die es jedoch medizinische Hilfe gibt.
Daniela Wolf, Autorin von „PMDS - Wege zu einem entspannten Zyklus“ will Mut machen - auch mit ihrer eigenen Patientinnengeschichte.
MUSIK: „luicid mind“ – C160849#004 (0:30)
ZSP 15 PMDS Dani Wolf - heute Oton
„Heute geht es mir viel, viel besser. Ich habe wenige Tage mit Symptomen, habe aber auch zehn Jahre Erfahrung mit allem, was man ausprobieren kann. Ich würde sagen, dass ich die Dani mit PMDS vor vier Jahren nicht mehr bin. Weil ich meinen Weg gefunden habe, mit der Erkrankung umzugehen. Mir geht es mit PMDS besser als noch vor einigen Jahren.“
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