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Geschichte der Köche - Künstler und Sklaven des Genusses
Heute kennt man die Namen von SpitzenköchInnen wie die von bildenden KünstlerInnen. Das war nicht immer so. In der Antike etwa waren sie noch namenlose Sklaven. (BR 2017) Autorin: Renate Kiesewetter
Credits
Autor/in dieser Folge: Renate Kiesewetter
Regie: Sabine Kienhöfer
Es sprachen: Katja Schild, Johannes Hitzelberger, Carsten Fabian
Technik: Daniela Röder
Redaktion: Thomas Morawetz
Im Interview:
Jörg Zipprick (ehemaliger Restaurantkritiker, Journalist und Autor);
Eckart Witzigmann (Starkoch)
Linktipps:
Noch mehr Interesse an Geschichte? Dann empfehlen wir:
ALLES GESCHICHTE - HISTORY VON RADIOWISSEN
Skurril, anrührend, witzig und oft überraschend. Das Kalenderblatt erzählt geschichtliche Anekdoten zum Tagesdatum. Ein Angebot des Bayerischen Rundrunks.
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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.
Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:
SPRECHERIN:
Gambas-Gröstl mit Blumenkohl. Könnte Hausfrau ja mal heute zum Mittagessen kochen.
O-Ton Eckart Witzigmann:
Wichtig ist natürlich auch die Hitze, Küche ist Geduld, ja, und eigentlich ist das Gericht sehr, sehr, sehr einfach, man muss ja nur die Kartofferl in aller Ruhe anbraten auf beiden Seiten, wir schieben den angebratenen Blumenkohl zur Seite, wir geben jetzt unsere frischen Gambas hinein, ja, die wir etwas mariniert haben, ja, etwas Olivenöl.
SPRECHERIN:
Gambas-Gröstl mit Blumenkohl. Ja, eben, alles ganz einfach. Nur steht hier in der Abendschau des Bayerischen Rundfunks Eckart Witzigmann am Herd. Kein Geringerer als der Münchner 3-Sterne-Koch zaubert hier auf dem höchsten Niveau weltweiter Kochkunst. Würdenträgern und Königshäuptern hat er aufgetischt. Inzwischen werden Restaurantbesucher und Hotelgäste auch von seinen Schülern verwöhnt, viele von ihnen ebenfalls mit Michelin-Sternen ausgezeichnet.
SPRECHER:
Eckart Witzigmann und seine Schüler entfachen - wie all die anderen internationalen Starköche und Starköchinnen - mit ihren kulinarischen Kreationen ein Fest der Sinne für Nase, Zunge und Gaumen, auch das Auge isst bekanntlich mit. Heute kennen Feinschmecker ihre Namen, ihre Biographie, besuchen ihre Restaurants.
MUSIK: C1049310 020 (00‘20‘‘)
SPRECHERIN:
Das war nicht immer so. Z.B. in der griechischen Antike. Schon damals verstanden die Wohlhabenden ausgezeichnet zu essen, doch die Köche blieben namenlos. Jörg Zipprick, Autor des Buches Die Erfinder des guten Geschmacks hat die Kulturgeschichte der Köche beschrieben:
MUSIK ENDE
O-Ton Jörg Zipprick:
Die meisten Köche waren natürlich Sklaven. Sie waren aber nicht nur Sklaven, sie waren auch Witzfiguren, und zwar in der sogenannten mittleren griechischen Komödie. Dort gibt es eine fest eingeführte Figur, den Koch, und das ist in der Regel ein arroganter Prahlhans.
SPRECHERIN:
Über so einen Koch – er schmäht seine jungen Kollegen - schreibt der Komödiendichter Damoxenos.
ZITATOR:
Sie … machen aus ganz entgegengesetzten Fischen eine Sauce und reiben Sesam drein. Solche Disharmonie zu durchschauen, ist die Sache der geistreichen Kunst und nicht, Töpfe zu waschen und nach Rauch zu stinken. Ich gehe gar nicht mehr in die Küche; ich sitze nur in der Nähe und sehe zu, und während andere arbeiten, erkläre ich ihnen Ursache und Wirkung.
SPRECHER:
Allzu viel ist über Köche im antiken Griechenland nicht bekannt; und auch bei den Römern später ging es beim kulinarischen Genuss nicht um sie. Star ist der Gourmet, der die ganze Inszenierung bezahlt, z.B. Lucius Licinius Lucullus. Der römische Feldherr und Konsul verfügte mit eigenen Meerwasserbecken immer über frischen Fisch.
O-Ton Jörg Zipprick:
Wir kennen Apicius. Apicius war nach antiken Maßstäben ein Millionär, hochvermögend, und er machte eigene Segeltouren, um z.B. frische Beerenkrebse zu bekommen.
MUSIK: C1230150 016 (00‘50‘‘)
SPRECHERIN:
Marcus Gavius Apicius hatte um die Zeitenwende in Kampanien gelebt. Und hinterließ das angeblich erste Kochbuch mit dem Titel: De re coquinaria. Ein Buch mit "Kochideen". Apicius schätzte etwa Flamingozungen, und so beschrieb er die Zubereitung eines Flamingos mit "Pfeffer, Kümmel, Koriander, Laserwurzel, Minze, Raute, Liquamen und Defrutum".
SPRECHER:
Liquamen war bei den Römern die "Universalwürze". Und mit Defrutum, einem im Bleigefäß eingedickten Traubensaft, würzten Römer ihre Desserts und süßten die Weine. Der enorme Bleigehalt im Most wird einige römische Aristokraten wohl auch vergiftet haben.
MUSIK: C1230150 005 (00‘50‘‘)
SPRECHERIN:
Völlerei, Protz, Prunk und Theaterspektakel - die Esskultur reicher Römer. Sogar nur ein "halber Gang auf einem Festmahl" des reichen Emporkömmlings Trimalchio, das Petronius in seinem Roman Satyricon beschreibt, war ein ganz großer Auftritt:
SPRECHER:
"Ein riesiger Bartträger mit riemenumwundenen Beinen und einem Zipfelmantel aus Damast … " erschien und stieß kühn ein scharfes Jagdmesser in die Seite eines gebratenen Wildschweins. Daraus flatterten dann "lebende Drosseln, die namenlose Köche sorgsam in die Bauchhöhle eingenäht hatten". Von Vogelfängern mit ihren Ruten wurden sie kurzerhand wieder eingefangen. Jeder Gast bekam eine Drossel samt großzügigen Mengen von Datteln und Eicheln aus Ägypten und Syrien.
MUSIK: M0010842 006 (00‘20‘‘)
SPRECHERIN:
Im christlichen Mittelalter war römisches Prunkgehabe völlig verpönt. Völlerei gehörte zu den sieben Todsünden, auch wenn schreibkundige Mönche noch lange das Kochbuch des Apicius eifrig kopierten.
MUSIK: NC015620 012 (01‘00‘)
SPRECHER:
Die Bürger in Ostrom, Byzanz, hingegen erfreuten sich am reichhaltigen Angebot vom nordöstlichen Mittelmeer über die Türkei bis zur Arabischen Halbinsel. Gewürze, Kräuter, Früchte und Gemüse: etwa Spinat aus Persien, Auberginen aus Indien, Zitronen, Orangen, Süßspeisen wie Baklava, gefüllte Weinblätter und viele Köstlichkeiten mehr. Die gehobene Kochkunst im Mittelalter ist ohne großzügiges Würzen nicht denkbar. Ingwer, Zimt, Gewürznelken, Safran, Kümmel, Mandeln, Muskat, erreichten über neue Handelsrouten Venedig, Pisa, Genua.
SPRECHERIN:
Die Köche selbst allerdings waren immer noch namenlos. Und für einfache Bauern standen sie ohnehin nicht am Herd. Die kleinen Leute haben für sich selbst gekocht. Ihre Speisekarte war karg. Jörg Zipprick:
MUSIK ENDE
O-Ton Jörg Zipprick:
Das einfache Volk ernährte sich größtenteils von Suppe. Da hing ein Suppentopf, da wurde reingeschüttet, was es grade gab, manchmal war es ein Stück Fleisch, meistens war es vielleicht auch altes Brot oder Gemüse, was man grade hatte.
SPRECHER:
In Frankreich buk man Brot nur zweimal im Monat und schüttete die Suppe übers harte Brot, morgens, mittags, abends. Dazu wild wachsende Früchte, Beeren, Kastanien. Fleisch kam nicht sehr oft in die Suppe; und an den zahlreichen Fastentagen war es den Gläubigen sowieso verboten.
O-Ton Jörg Zipprick:
Es gab immer einen Grund, zu fasten. Aber Fisch konnte man noch essen. Und alles, was so einen Bezug zum Meer hatte, wurde sozusagen dem Fisch zugerechnet: Z.B. Biber wurden auch aufgetischt. Weil Biber leben ja teilweise zumindest im Wasser.
SPRECHER:
Fast dem Glauben abtrünnig wurden manche Mönche bei süßen Torten.
O-Ton Jörg Zipprick:
Es gibt Berichte aus Portugal, wo also die Mönche so gut und gern 6.000 Kalorien pro Tag vertilgten. Und die richtig dicken Mönche, die konnten sich nicht mehr durch die Tür zum Dessertraum bewegen, weil die Tür zum Dessertraum, die war etwas schmaler – in ihrem Kloster zumindest, und ja, wer da halt einen zu dicken Bauch hatte, der kam da nicht mehr durch, der musste tatsächlich ein paar Tage fasten.
SPRECHERIN:
Wer für die Geistlichen kochte, hatte es bestimmt nicht leicht. Hilfsmittel gab es nicht, keine Uhren für die Garzeit, keine Maßeinheiten wie Gramm oder Kilogramm. Ein paar Gerätschaften, getöpferte Behälter, vielleicht auch Grillspieße, Messer. Und es war immer glutheiß. Die Feuerquelle, so Jörg Zipprick war …
O-Ton Jörg Zipprick:
… möglicherweise eine Art Herd, der mal mit Holz befeuert wurde, später mit Kohle. All das, was aus diesem Holzherd herauskam, das atmeten die Köche ein.
SPRECHER:
Sie waren nun nicht mehr Sklaven, sondern abhängige Dienstboten. Handwerker nach den mittelalterlichen Zunftordnungen. Das französische Ständebuch von 1268 verzeichnet immerhin eine zweijährige Lehrzeit für Köche, notiert Alain Drouard in seiner Geschichte der Köche in Frankreich. Freilich erreichten nur wenige etwas Ruhm und gutes Auskommen.
MUSIK: Z9381113 002 (00‘30‘‘)
SPRECHERIN:
Ein altdeutsches Gericht ohne Kartoffeln? Pizza ohne Tomaten? Christoph Kolumbus, Vasco da Gama und Ferdinand Magellan verdanken wir die Entdeckung der Neuen Welt. Von Amerika und vor allem Südamerika kamen im 16. Jahrhundert auf neuen Handelsrouten nach Europa: Kartoffeln, Tomaten, Mais, Kaffee, grüner Tee, Kakao und Schokolade.
MUSIK ENDE
SPRECHER:
Vor allem die Köche im Italien der Renaissance konnten fürstlich kochen. Sie benutzten fortschrittliche Techniken, etwa ein Passiertuch bei der Herstellung der Saucen. Und reiche Patrizierfamilien wie etwa die Medici konnten das alles bezahlen.
O-Ton Jörg Zipprick:
Kulinarische Finesse geht immer dorthin, wo das Geld ist. Insofern entstand kulinarische Finesse am Vatikan, in Florenz, in Venedig, und dann mit der Heirat von Katharina de Medici kamen also italienische Hofköche nach Frankreich. Umgekehrt kann man mit Sicherheit auch nicht sagen, dass zwei Köche die gesamte Küche revolutionierten, es muss also schon ein größeres Qualitätsbewusstsein gegeben haben im Land.
MUSIK: CD433050 014 (00‘45‘‘)
ZITATOR:
Ehrlich gesagt, geben die Franzosen nur für Essen Geld aus…
SPRECHERIN:
Berichtete aus Paris der venezianische Botschafter in Frankreich, Jerôme Lippomano. Ende des 16. Jahrhunderts schrieb er von "Metzgern, … Verkäufern, Zuckerbäckern und Tavernen, in einer Zahl, die wirklich verwirrt":
ZITATOR:
Die Rôtisseure und die Konditoren arrangieren in weniger als einer Stunde ein Diner, ein Souper für zehn, zwanzig oder 100 Personen, der Rôtisseur gibt das Fleisch, der Konditor Pasteten, Tourtes, Entrées und Desserts, der Koch Gelees, Saucen und Ragout.
MUSIK ENDE
SPRECHER:
Frankreich hatte Zugang zum Ärmelkanal, dem Mittelmeer und zum Atlantik. Es gab Gebirgslandschaften, Sümpfe mit Fröschen, Seen mit Süßwasserfischen. Aus der Picardie, aus Burgund, aus der Champagne wurden raffinierte Zutaten herangeschafft. Denn das Straßennetz war schon ausgebaut.
SPRECHERIN:
Der königliche Hof diktierte das come il faut. Vom Sohn der Katharina von Medici, Heinrich III., hieß es:
O-Ton Jörg Zipprick:
Es gibt verschiedene Legenden, dass Heinrich III. von Frankreich zum ersten Mal im Restaurant Tour d`argent die Gabel benutzt hat. Messer hatte man, wobei die Messer natürlich Dolche waren. Ein Mann, zumal ein Adliger, führte einen Dolch mit sich, und mit dem wurde auch das Fleisch geteilt.
MUSIK: C1602500 103 (00‘55‘‘)
SPRECHER:
Ein Prozess vieler kleiner Fortschritte führte zur französischen Grande Cuisine. auch abseits des Pariser Hofes. Auch technische Erfindungen im Rationalismus des 17. Jahrhunderts – etwa Balkenwaage und Thermometer – beförderten die Kochkunst.
SPRECHERIN:
Schon damals plädierte übrigens Francois Pierre des la Varenne, für eine Küche des "Eigengeschmacks".
ZITATOR:
Wenn ich eine Kohlsuppe esse, möchte ich, dass sie nach Kohl schmeckt.
SPRECHERIN:
Sein Buch Der französische Koch erschien bis 1815 in 250.000 Exemplaren. Auch hantierte er bereits mit Nudelholz, Formen, Waffeleisen und kreierte Pậte brisée, Mürbeteig, Beignets, Waffeln, Marzipan, und Baisers, die heute Meringue in Frankreich heißen.
MUSIK ENDE
SPRECHER:
Francois Vatel erfand unter anderem die Crème Chantilly, Schlagsahne. Jahrzehntelang arbeitete er auch in England, kehrte dann nach Frankreich zurück. Aber war er wirklich Koch? In weißer Jacke, weißer Haube, weißer Schürze, wie ein königliches Edikt von 1549 für Köche vorschrieb?
O-Ton Jörg Zipprick:
Vatel wird überall als Koch vorgestellt. Vatel war aber eher ein königlicher Zeremonienmeister. Also der Koch, man könnte ihn vergleichen mit einem hohen Beamten, der dafür verantwortlich war, die Herrschenden zu amüsieren.
SPRECHER:
Ein ganzes Heer von Köchen, Lieferanten, Künstlern und Kellnern versorgte Hof und Adelspaläste. Allein für Speis und Trank!
SPRECHERIN:
Den Champagner soll der Legende nach der Mönch Dom Pérignon erfunden haben. Sein Wort beim ersten Schluck machte die Runde.
ZITATOR:
Ich trinke Sterne.
SPRECHERIN:
Freilich, so Jörg Zipprick, hat Louis Pasteur Hefe zur Flaschengärung eigentlich erst 200 Jahre später entdeckt.
SPRECHER:
Und wer war nun der beste Koch in der Blütezeit der französischen Grande Cuisine?
O-Ton Jörg Zipprick:
Der erste Spitzenkoch war Carême. Zum einen war er natürlich ein großer Koch. Allein das Wort Carême: Carême ist im Französischen die Fastenzeit. Also passt wie die Faust aufs Auge für einen Koch. Die letzten Worte sind übermittelt, er sagt einem seiner Schüler, dass er doch weiß, wie man die Pfanne schwenken muss, also bis zum letzten Atemzug sozusagen in der Küche. Zum anderen hatte er aber ein Leben gelebt, von dem man heute nicht mehr weiß, was ist nun Wirklichkeit, was ist Legende.
MUSIK: M0010474 014 (00‘45‘‘)
SPRECHERIN:
Zumindest sprach man über ihn: Marie-Antoine Carême verdingte sich als ausgesetztes Kind mit zehn Jahren in einer Pariser Garküche und "kochte sich nach oben". Köche lernten damals, wie auch noch heute, von ihren Lehrern. La Guipière, Chefkoch im Elysée-Palast, förderte sein Talent. Und seine Leidenschaft für italienische Architektur ließ Carême später metergroße Torten kreieren, die aussahen wie Pyramiden, Pagoden, Pavillons, Schlösser und Tempel. Er sagte einmal:
ZITATOR:
Architektur, deren wichtigster Zweig die Patisserie ist.
MUSIK ENDE
SPRECHERIN:
Heute isst keiner mehr Kreationen mit Blattgold, Malerfarben und zermahlenen Läusen, doch damals staunte ganz Paris.
SPRECHER:
Seine opulenten Lachsgerichte in einer Bouillon mit Sauternes-Wein und Steinbuttschnitzeln servierte er mit Unmengen von Austern und Krebsschwänzen. Gut für Frankreich! Sein Chef, der französische Außenminister Talleyrand stimmte damit auf dem Wiener Kongress 1814/1815 die politischen Gegner versöhnlich.
SPRECHERIN:
Gleichwohl musste auch Carème, wie alle anderen weniger bekannten Köche, den "Abgrund an Hitze" in der Küche ertragen, den "Befehlston", die hohen Ansprüche, den immensen Zeitdruck. Alles muss gleichzeitig fertig sein. Mit 40 Jahren tauscht er den Kochlöffel mit der Feder. Seine Kunst der Küche im 19. Jahrhundert beginnt mit einem hohen Lob auf den schlichten Eintopf, Pot au feu …
SPRECHER:
Nach der Französischen Revolution und dem Aufstieg des Bürgertums im 19. Jahrhundert wurde vorwiegend in Privathaushalten professionell gekocht - und das exzellent. Außerdem kam nun ein ganz neuer Arbeitsmarkt für Köche hinzu:
ZITATOR:
Ob es mir beim Restaurateur gefallen hat? Wirklich, ja unendlich. Man wird gut serviert, ein wenig teuer, aber zu der Zeit, die man möchte.
SPRECHERIN:
Bestätigte der Schriftsteller Diderot. Restaurant hieß ursprünglich eine warme Kraftbrühe. Sie sollte Kraft geben, wiederherstellen, lateinisch - restaurare.
ZITATOR:
Kommt zu mir, ihr, die euer Magen leidet, und ich werde euch restaurieren.
SPRECHER:
… stand 1762 auf dem Türschild des ersten Restaurants in Paris. Boulanger, der Besitzer, hatte sich etwas Neues ausgedacht. Jörg Zipprick:
O-Ton Jörg Zipprick:
Die Tavernen boten nur ein Tagesgericht an, das Restaurant hatte eine Speiseauswahl. Eine Speisekarte, auf der verschiedene Gerichte stehen mit einem klaren Preis. Und Monsieur Boulanger hatte die Idee, ich sage schon draußen vor der Tür, was es bei mir gibt, die Leute bekommen das, was sie möchten, und dafür bezahlen sie einen Preis, der vorher ganz klar festgelegt wird.
SPRECHERIN:
Gab es vor der Revolution 1789 noch wenige hundert Restaurants in Paris, waren es kurz danach schon fünf Mal so viele; und 1834 nach dem Historiker Alain Drouard bereits 3.000. Wer wie in Versailles speisen wollte, ging ins La Grande Taverne de Londres. Da verwöhnte Antoine Beauvilliers mit einer Auswahl von 178 Gerichten. Ente mit weißen Rübchen, gespickte Kalbskeule mit Spinat oder Pasteten von Schnepfen. Die Restaurants wurden ein großer Erfolg, Paris das kulinarische Zentrum der Welt.
MUSIK: C1546070 101 (00‘35‘‘)
SPRECHER:
Ende des 19. Jahrhunderts reisen erste Restauranttester dann auch nach Moskau, Malmö, St. Petersburg, Athen und Palermo. 1903 erschien der Gourmet`s Guide, 1920 der Michelin. Auch in München, sollten Reisende …
ZITATOR:
…"das Hofbräuhaus besuchen, um ein Bier, wie man es sich besser nicht wünschen könnte, zu genießen".
SPRECHERIN:
Und in Hamburg wurde nur einem gehuldigt: Franz Pfordte.
MUSIK ENDE
O-Ton Jörg Zipprick:
Das war ein Gigant, der ursprünglich nach Hamburg kommt, der eine Lehre macht, im Wilkings Keller, der dann sein eigenes Restaurant eröffnet, das Restaurant ist anfangs sehr erfolgreich, es ist sehr, sehr positiv besprochen in einem der allerersten Restaurantführer, The Gourmet's Guide To Europe. Und der hat dort zwei Seiten in diesem Restaurantführer als praktisch das beste europäische Restaurant jenseits von Paris.
SPRECHERIN:
Pfordte machte damals, so attestierten ihm seine Gäste, das neu eröffnete Hotelrestaurant Atlantic zu einem kulinarischen Eldorado mit Silberbesteck, Servietten und Tischdecken aus Damast, außerdem - und das war neu - unterschiedlichen Weingläsern für die besten Weine Deutschlands. Auf den Tellern natürlich: Pfordtes Hamburger Aalsuppe.
SPRECHER:
Sein Küchenchef, Alfred Walterspiel, organisierte Pfordtes Restaurant wie eine französische Küchenbrigade nach dem Vorbild des französischen Kochs Auguste Escoffier:
SPRECHERIN:
Streng hierarchisch! An der Spitze kocht "le chef", kreiert, rechnet, stellt Küchenpersonal ein, ermuntert das Team, koordiniert. Alle komplexen Arbeitsvorgänge in der Küche werden "heruntergebrochen" in einzelne Bestandteile. Hier sind "chefs de partie" verantwortlich: einer für Saucen und Fonds, der andere für Fleisch, der dritte für Geflügel, der vierte für Fisch, der Patissier für Süßspeisen und ein Springer ersetzt kranke Kollegen.
ZITATOR:
Oui, chef!
SPRECHER:
Alles Männer, doch wo kochten eigentlich die Frauen? Im Frankreich des 19. Jahrhunderts nur in den bürgerlichen Haushalten, und damals, so Zipprick, wurde von Frauen dort sehr gut gekocht, besser als im Durchschnittsrestaurant. Aber gegen sie hatten sich die männlichen Kollegen verschworen.
O-Ton Jörg Zipprick:
Es gab eine enorme Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt, bourgoise Familien konnten verarmen, die Hausköchin war oft unter den ersten Personen, die gehen musste, denn man konnte ja ins Restaurant, und die Männer schlossen sich zu regelrechten Bünden zusammen, das ging so weit, dass es sogar Gesetzesvorschläge gab, den Frauen den Zugang zur Küche zu verbieten.
SPRECHERIN:
Sie seien nicht kreativ. Dieses Vorurteil, so Jörg Zipprick, hörte er selbst sogar noch vor 10, 15, 20 Jahren.
MUSIK: C1042340 002 (00‘40‘‘)
SPRECHER:
Dabei begründeten die Mütter von Lyon den Ruf der Stadt zum Feinschmeckereldorado, abseits von Paris. Da servierte Mère Guy ihr reichhaltiges Aalragout, Mutter Brigousse ihr Huhn, Mutter Fillioux Trüffelsuppen, und bei Mère Marie kostete Aga Khan regelmäßig ihre warme Pastete.
SPRECHERIN:
Und dann war da noch Eugénie Brazier. Legendär ihr unter der Haut getrüffeltes Geflügel; die Artischockenböden mit Gänseleber werden heute noch serviert. Paul Bocuse hat bei ihr gelernt. Für Jörg Zipprick ist sie eindeutig die größte Köchin des 20. Jahrhunderts:
MUSIK ENDE
O-Ton Jörg Zipprick:
Eugénie Brazier ist eine Köchin, die ihr Handwerk in einem bourgoisen Haushalt gelernt hat. Und Eugénie Brazier bekommt ein uneheliches Kind. Welch eine Schande zur damaligen Zeit. Und dann muss sie natürlich gehen. Eugénie Brazier eröffnet ein Restaurant, wo sie etwas simplifizierte Gerichte aus diesem bourgoisen Haushalt anbietet, dieses Restaurant wird ein riesiger Erfolg. Und Eugénie Brazier ist die erste Person – nicht nur die erste Frau, die zweimal 3 Sterne im Guide Michelin bekommt, sie hatte zwei Restaurants später, sie wird überall hofiert, es gibt Leute, die sagen, Eugénie Brazier war fast Analphabetin. Aber nichts destotrotz, sie wird dank der Küche zu einer großen Dame.
SPRECHER:
Inzwischen haben es dank Paul Bocuse Köche und Köchinnen geschafft, ins mediale Bewusstsein zu gelangen. Und bekommen nun endlich die gesellschaftliche Anerkennung, um die sie Jahrhunderte gerungen hatten.
SPRECHERIN:
Dann wäre ja nur noch eines zu wünschen:
SPRECHER:
Guten Appetit!
SPRECHERIN:
Bon appétit!
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