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Sie fressen sich eine dicke Fettschicht an, bekommen ein dichtes Fell, verfärben sich weiß wie der Schnee, ändern ihren Speiseplan, verschlafen Schnee und Eis - oder hauen einfach ab in den Süden. Die Anpassungsmechanismen der Tiere an die kalte Jahreszeit sind so vielfältig wie überraschend. Und viele ihrer Überlebenstricks sind auch für die moderne Forschung hochinteressant. Bernhard Kastner im Gespräch mit dem Biologen Thassilo Franke. (BR 2021)
Credits
Autor dieser Folge: Bernhard Kastner
Es sprachen: Bernhard Kastner im Gespräch mit Dr. Thassilo Franke
Redaktion: Iska Schreglmann
Linktipp:
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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.
Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:
Thassilo Franke
Der Maulwurf schrumpft sein Schädel und sein Gehirn im Winter ein,
Thassilo Franke
Der Tannenhäher kann bis zu 30.000 Depots anlegen.
Thassilo Franke
Die Bartmeise hat ihren zarten Insektenfressermagen in eine Getreidemühle umgebaut.
Sprecherin
‚Alles Natur – Überwintern‘ - Bernhard Kastner im Gespräch mit dem Biologen Tassilo Franke
Bernhard Kastner
Doktor Tassilo Franke vom Biotopia Naturkundemuseum in München und ich, wir sitzen gerade im warmen Studio, also 19 Grad warmen Studio, um über den Winter zu sprechen. Der lässt zwar gerade noch etwas auf sich warten, aber dennoch verändert sich die Natur gerade sichtbar gewaltig. Und mit diesen Veränderungen müssen Tiere und Pflanzen jetzt erstmal zurechtkommen.
Thassilo Franke
Ja, also sie geben schon das Stichwort vor: die Pflanzen. Da wird es ja auch ganz offensichtlich der goldene Oktober, die Bäume lassen ihre Blätter fallen. Jetzt im November hängt kaum noch ein Blatt an den Bäumen. Und das ist ein ganz wichtiger Aspekt, denn es wird kälter, ungemütlicher. Die Tage werden kürzer, es wird dunkler. Aber es ist vor allem auch Nahrungsmangel, der jetzt sehr viele Tiere trifft. Denn Pflanzen sind ja die Basis der Nahrungspyramide, auf die entweder direkt oder indirekt hier alle anderen Tiere angewiesen sind. Und wenn die Pflanzen sich schon im Winter zum Schlafen gelegt haben, dann müssen die Tiere entweder abhauen, das machen die ganzen Zugvögel, oder sie müssen es den Pflanzen gleichtun. Das machen die Winterschläfer, die ihren Stoffwechsel runterfahren. Oder eine andere Variante ist noch, dass sie im Winter dableiben und einfach ihre Lebensgewohnheiten komplett umstellen und sich den widrigen Bedingungen anpassen.
Bernhard Kastner
Sie haben jetzt gerade die Zugvögel erwähnt. Das sind ja in der Regel auch Singvögel, über die wir hier auch schon mal eine Folge hatten bei Alles Natur. Dieses Phänomen ist ja bekannt. Die Vögel meiden die kalten Gefilde, fliegen ihren Nahrungsquellen hinterher, also Insekten oder Pflanzen, und verlassen unser Land, ihre Heimat, und kommen dann im Frühjahr zurück. Es gibt aber auch Singvögel, die sich anpassen und bleiben.
Thassilo Franke
Ja, es gibt eine ganze Reihe von Vögeln, die natürlich im Winter hierbleiben. Das sind die sogenannten Standvögel. Und diese haben es natürlich ganz große Herausforderungen zu meistern. Sie müssen zum Beispiel ihren Ernährungsplan komplett umstellen und eben auf die widrigen Bedingungen im Winter anpassen. Und ein Weltmeister des Anpassens ist ein bei uns eigentlich sehr seltener Vogel, die Bartmeise. Das ist ein Vogel, der nur in Röhricht Beständen, also in großen Schilfbeständen, vorkommt, wie man sie an den großen Seen zum Beispiel findet, am Bodensee oder auch am Neusiedlersee in Österreich und Ungarn. Und dieser Vogel hat eine ganz erstaunliche Anpassungsfähigkeit. Und zwar in so einem Röhricht hat man ja im Sommer vielfältigste Insekten. Die ganzen Wasserinsekten zum Beispiel die schlüpfen, die Mücken, die Zuckmücken, die dort herumschwärmen, das heißt die Bartmeise ernährt sich die ganze Vegetationsperiode, die ganze wärmere Jahreszeit, eigentlich ausschließlich von Insekten, also von tierischer Kost. Und jetzt kommt der Winter, und dann ist in so einem Röhricht natürlich, was Insekten betrifft, eigentlich nichts mehr los. Das heißt jetzt hat die Bartmeise ein großes Problem, also entweder zieht sie nach Süden den Insekten hinterher, oder sie bleibt da. Und bei der Bartmeise ist es so die bleibt im Winter da. Die Bartmeise ist ein Standvogel, und Sie ändert ihr Verhalten extrem. Das heißt, man sieht plötzlich Bartmeisen, die das Röhricht verlassen und an Stellen, wo kleine Steinchen rumliegen, anfangen ganz viele Steinchen aufzupicken und füllen ihren Muskelmagen mit bis zu 600 kleinen Steinchen, die alle ungefähr die gleiche Größe haben. Gleichzeitig verdickt sich auch die Magenwand, die Muskulatur im Magen wird stärker, dann die Innenauskleidung des Magens, wird verhornt, richtig hart. Und was geschehen ist, die Bartmeise hat ihren zarten Insektenfressermagen in eine Getreidemühle umgebaut, wirklich eine Mühle. Und ab jetzt ernährt sie sich nämlich so gut wie ausschließlich von den steinharten Samen des Schilfs selbst. Und sie frisst also die Schilfsamen und zermörsert die in ihrem Muskelmagen und kann auf die Art und Weise die Energie aus dem Schilfsamen nutzen, um die Winter zu überleben. Im nächsten Frühjahr, wenn die Insekten dann wieder verfügbar sind und auftauchen, dann baut sich der Magen wieder um. Der Vogel, man weiß gar nicht genau, wie er es macht, also entweder würgt er die Steine aus seiner Getreidemühle wieder aus, oder scheidet die über den Kot aus. Das hat man noch nicht erforscht. Zumindest hat man festgestellt, dass im Sommer nur noch ganz wenige Steinchen im Magen übrigbleiben, um eben die harten Chininteile der Insekten zu zermahlen. Aber man hat hier also eine unglaubliche Anpassungsfähigkeit eines kleinen, ganz besonderen Vogels. Es gibt aber auch ganz große Vögel, nämlich genau genommen unser größter Waldvogel überhaupt, den wir haben. Das ist der Auerhahn. Und der Auerhahn ist auch ein Spezialist, der sich im Winter komplett umbaut. Und zwar betrifft es auch den Verdauungstrakt. Der Auerhahn hat ja, wie viele überwiegend sich von pflanzlicher Kost ernährende Vögel sehr große Blinddarmsäcke. Das sind paarige Säcke im Verdauungstrakt, oder Schläuche muss man fast sagen, die im Winter enorm wachsen. Weil nämlich der Auerhahn sich im Sommer überwiegend von frischen, saftigen Blättern und Trieben ernährt und auch von Früchten und auch ein bisschen Insekten und tierische Kost zu sich nimmt und im Winter seine Ernährung komplett auf Nadelbaumnadeln umstellt. Er frisst gerade im Gebirge fast ausschließlich Fichtennadeln, die sind derb, die sind reich an Tanninen, die sind sehr schwer zu verdauen. Und da braucht er eben dann diese großen Blinddarmsäcke, in denen ein ganz eigenes Mikrobiom sich auch entwickelt, was im Stande ist, diese schwer verdauliche Kost im Winter abzubauen und die Energie dem Auerhahn verfügbar zu machen. Aber die Veränderungen beim Auerhahn, die beschränken sich nicht nur auf den Verdauungstrakt, sondern auch auf die Füße. Die Füße spielen eine ganz besondere Rolle, weil nämlich die der Gruppe der Hühnervögel, zu dem der Auerhahn gehört, auch ihren Namen gegeben haben, nämlich die Raufußhühner. Und die Füße sind im Winter anders als im Sommer. Die sind rauer, das bezieht sich auf die Zehen, weil nämlich links und rechts an den Seiten der Zehen wachsen ihnen im Winter, bei der Winter Mauser, lange Stifte heraus, also so stiftförmige Gebilde, die Zehen sehen aus, als wären sie seitlich mit Kämmen versehen. Und auf diese Art und Weise vergrößert sich die Oberfläche der Auftrittsfläche und der Auerhahnfuß wandelt sich kurzerhand in einen Schneeschuh um.
Bernhard Kastner
Unglaublich also, daß finde ich faszinierend. Gibt es denn da auch das Gegenteil, also Vögel, ich sage es jetzt mal ganz salopp, die den Winter cool finden und gern bei uns bleiben.
Thassilo Franke
Ja, die gibt es auch bei den Vögeln. Es ist ja meistens gar nicht so sehr die niedrige Temperatur oder die Dunkelheit, die ihnen zu schaffen macht. Vögel sind Warmblüter, so wie wir auch. Bei denen ist es hauptsächlich die Verfügbarkeit von Nahrung. Es gibt also für die meisten Vogelarten im Winter kaum was zu fressen. Anders verhält es sich aber bei einer Vogelart, nämlich dem Fichtenkreuzschnabel, der sich fast ausschließlich von den Sämereien von Nadelbäumen ernährt. Und diese Samen der Fichte, die bilden auch ein Hauptteil des Futters, was er an seine Jungen verfüttert. Und deswegen ist der Fichtenkreuzschnabel einer der wenigen Vögel, die bei uns auch mitten im Winter brüten. Es hängt immer ganz davon ab, wie die Zapfen, also die Verfügbarkeit von Fichtenzapfen aussieht, Fichtenzapfen, die reifen ja sehr spät im Jahr, also erst im Spätsommer, Frühherbst, und entlassen ihre Samen immer nur bei günstiger Witterung, wenn die Zapfen Schuppen aufgehen und die Samen rausfallen können. Und da ist es so, dass viele Zapfen dann häufig mitten im Winter aber noch nicht entleert sind, noch viele Samen enthalten, vor allem in den Hochlagen. Und dann ist die Zeit gekommen, dass der Fichtenkreuzschnabel sein Nest baut und seine Jungen, seine Eier legt. Und wenn die Jungen dann schlüpfen, es ist wirklich so massiv, dass die teilweise auch richtig mitten im Schnee diese kleinen, nackten Jungvögel haben, die Küken und die Nestlinge. Und wenn die Eltern dann auf Futtersuche sind, dann gehen die in einen Ruhezustand über, also in ein Torpor, eine Art Kältestarre. Und wenn dann der Altvogel mit Fichtensamen gefülltem Kropf zum Nest zurückkommt, dann muss er seine Jungen erst mal wieder auf Betriebstemperatur bringen. Er rudert die dann an, und es dauert nicht lange, und dann kann er die mit den Fichtennadeln füttern. Es gibt aber auch einen anderen Winterfreund unter unseren heimischen Vögeln, wobei wenn man heimisch sagt, muss man vorsichtig sein, weil der Vogel war ja ausgerottet. Die Rede ist vom Bartgeier. Sie kennen sicher noch diese Diskussion über den Bartgeier Wally. Es ist einer von diesen im Nationalpark Berchtesgaden ausgesetzten Bartgeiern, der leider nicht überlebt hat. Aber beim Bartgeier ist es so, dass er auch mitten im Winter anfängt zu brüten. Und zwar legt er schon Ende Dezember, Anfang Januar schon seine beiden Eier ins Nest. Er stellt es genauso ein, dass die Jungen dann so ungefähr im März aus den Eiern schlüpfen, also ganz früh im Jahr schon. Das ist die Periode der Schneeschmelze in den Bergen. Und wenn der Schnee schmilzt, dann kommen die ganzen Leichen zum Vorschein von abgestürzten Gämsen, Steinböcken, alles, was den Winter in den Bergen nicht überlebt hat. Da ist der Tisch für den Bartgeier besonders reich gedeckt. Und dann ist eben auch die Verfügbarkeit der Nahrung optimal, ähnlich wie beim Fichtenkreuzschnabel, und der Bartgeier hat beste Voraussetzungen, um seine Brut durchzubringen.
Bernhard Kastner
Also bei all dem, was sie da erzählen, ich sehe schon, ich wäre eher so der Ab-in-den-Süden Zugvogel, aber da ist ja bekanntlich jeder anders. Jetzt haben aber nicht alle Tiere die Möglichkeit, wie ein Vogel abzuhauen. Die größeren Tiere zum Beispiel, die Amphibien, oder die Wildtiere wie die Rehe oder die Hirsche, die müssen ja hierbleiben.
Thassilo Franke
Ja, da gibt es eine unglaubliche Vielzahl von Überwinterungstricks die diese Tiere beherrschen. Einer dieser Tricks ist zum Beispiel auch weit bekannt, dass ist die Veränderungen der Fellfarbe, es gibt also viele Tiere, wie zum Beispiel das Schneehuhn, oder auch bei den Säugetieren, den Schneehasen oder der Hermelin oder das Mauswiesel in unseren Breiten, die im Sommer eine braune Fellfarbe haben und die einen Fellwechsel durchmachen. Und dann ist das Winterfell oder das Wintergefieder weiß, was ja auch Sinn macht, wenn wir eine geschlossene Schneedecke haben, weil natürlich so ein weißer Hase oder ein weißes Schneehuhn weniger auffällig ist und von seinen Feinden nicht gesehen werden kann. Oder wie bei zum Beispiel beim Hermelin, der auch von seiner Beute nicht so leicht erkannt wird wenn er dort im Schnee sitzt. Jetzt ist es aber so, dass durch den Klimawandel natürlich eine geschlossene Schneedecke in weiten Gebieten eben eher eine Seltenheit darstellt. Und das wird zu einem großen Problem für diese Tiere, weil sie nämlich dann plötzlich mit ihrem weißen Fell eigentlich richtig wie so ein Signal herausleuchten aus dieser braunen, verwelkten Grasdecke und von Beutegreifer leicht entdeckt werden können. Und das ist wirklich ein Problem, da gibt es auch eine Studie dazu. Und es gibt Gebiete wie zum Beispiel in Irland, wo der Schneehase zwei Morphen hat, man nennt es polymorph, es gibt Schneehasen, die im Winter weiß werden, und im gleichen Gebiet kommen Schneehasen vor, die im Winter braun bleiben. Da wurde entschieden, dass solche Gebiete, wo man beide Formen hat, besonders schützenswert sind, weil von diesen Gebieten sich eine Population entwickeln kann von Tieren, die anpassungsfähig ist. Das heißt wenn es dann wirklich keinen Schnee mehr gibt, in Irland zum Beispiel, dann kann der Braune, die braune Form des Schneehasen, einfach dominant werden. Und die Population bleibt erhalten. Oder wenn es, was sehr unwahrscheinlich ist, kälter werden sollte, würde dann eben die weiße Form dominant werden und erhalten bleiben. Solche Mischpopulationen gibt es relativ wenige. Da ist der Appell der, dass man genau die Gebiete, in denen diese Mischpopulationen vorkommen, besonders schützen muss.
Bernhard Kastner
Dann würden sich quasi diese Tiere dem Klimawandel anpassen und würden quasi wieder zu ihrer natürlichen, braunen oder wie auch immer gefärbten Fellformen zurückkehren.
Thassilo Franke
Ja, genau so ist es.
Bernhard Kastner
Also dieses Phänomen mit dem Fellwechsel, dass kennt jeder, der auch ein Haustier besitzt, wie zum Beispiel einen Hund oder eine Katze. Die verändern zwar nicht die Farbe, aber die bekommen ja auch, wenn der Herbst beginnt, verlieren sie ihr Sommerfell, bekommen ein Winterfell, bekommen mehr Unterwolle. Dann finden wir noch mehr Haare in der Wohnung zur Freude Aller. Aber diese Tiere, die müssen sich jetzt wärmen für den Winter. Die müssen sich nicht von der Ernährung groß umstellen, dafür ist der Mensch zuständig. Was machen denn die großen Säugetiere wie zum Beispiel das Reh? Die kriegen zwar auch bestimmt ein dickeres Fell, aber wie gehen die mit der Ernährung um?
Thassilo Franke
Ja, genau für die großen Wildtiere bedeutet es natürlich auch, dass sie einen Fellwechsel durchmachen müssen, weil sie ja auch eine bessere Isolierung brauchen, wenn es draußen kalt ist. Aber ähnlich wie bei den Vögeln, über die wir vorher gesprochen haben, ist auch so, dass viele unserer heimischen Wildtiere ihre Verdauung komplett umstellen müssen. Und das betrifft auch das heimische Reh. Das Reh ist ein sogenannter Konzentratselektierer. Es ist ein Äser, das in erster Linie saftiges Laub äst, und saftiges Laub ist im Winter eher Mangelware. Und das Reh reagiert eben auf diesen Nahrungsmangel, indem es seinen Pansen, also seinen Gärmagen, vom Volumen her deutlich verkleinert. Und auch die Oberfläche des Magens wird stark verkleinert, der ist vor allem am Dach mit einem Pelz aus Zotten ausgestattet, um die Oberfläche zu vergrößern. Und diese Zotten, die werden auch kleiner, und so ein Rehpansen, der verkleinert seine Oberfläche um 30 bis 40 Prozent im Winter. Das Reh ist dadurch angehalten, sich möglichst wenig zu bewegen, ruhig zu sein, möglichst wenig Energie zu verbrauchen und gerade Rehe, die in Wäldern vorkommen, indem es viel Brombeergestrüpp gibt, die auch im Winter noch ihre Blätter dran haben, die finden dort genug Nahrung, um einigermaßen gut über den Winter zu kommen. Bei Förstern ist es häufig so oder auch bei Jägern, die versuchen, den Rehen zu helfen, indem sie Heu zufüttern und diese Heuzufütterung, hat sich herausgestellt, ist gar nicht gut, weil trockenes Heu besteht in erster Linie aus Zellulose. Um die Zellulose verdauen zu können sind Rehe, wie die anderen Wiederkäuer auch, auf ihre kleinen mikrobiellen Helfer angewiesen, die im Pansen leben und die das dafür nötige Enzym besitzen, die Zellulase. Aber man hat herausgefunden, dass im Winter auch diese Zellulose verdauenden Mikroorganismen im Rehpansen zurückgehen und das Reh noch viel schlechter an Zelluloseverdauung angepasst ist, als ohnehin im Vergleich zu anderen Wiederkäuern. Und das führt dann dazu, dass Rehe, die dieses Heu fressen, im schlimmsten Fall, als Worst-Case-Szenario, mit vollem Magen verhungern.
Bernhard Kastner
Ja, und das ist ja auch genau der Grund, warum man diese Tiere in ihren Habitaten im Wald, wo sie sich zurückziehen und auf Sparflamme leben, nicht stören soll. Also ich habe mal mit einem Förster gesprochen, der mir geraten hat, nicht dort mit dem Hund spazieren zu gehen, weil die Tiere aufschrecken, mehr Energie brauchen und dann noch schneller erschöpft sind und verenden.
Thassilo Franke
Ja ganz besonders problematisch sind natürlich querfeldein Gänge, die auch immer populärer werden, wie mit Langlaufskiern oder mit Schneeschuhen eben querfeldein durch den Wald zu laufen. Das ist natürlich für die Tiere ein ganz großes Problem.
Bernhard Kastner
Also das bitte lieber sein lassen, auch im Winter mit dem mit Langlaufen, so schön es ist, aber da lieber die Rehe schonen. Wenn jetzt schon so ein relativ großes Tier wie das Reh seinen Stoffwechsel so radikal umstellt, weil es eben nicht mehr so viel Nahrung findet - es gibt zwar nicht mehr viele bei uns, oder sie kommen wieder - aber wie macht es dann zum Beispiel ein so großes Raubtier wie der Bär?
Thassilo Franke
Ja, der Bär ist ein ganz besonders interessanter Fall, weil er nämlich je nachdem, ob er in südlichen Gefilden vorkommt oder in weiter nördlicheren Gegenden lebt, auf die Witterung im Winter reagiert. Und gerade in unseren mitteleuropäischen Breiten ist es so, dass die Braunbären den Winter überstehen, indem sie einen Zustand einnehmen, den man Winterruhe nennt. Also ich sage bewusst jetzt nicht Winterschlaf, weil was der Braunbär macht bei uns, das ist kein Winterschlaf, sondern er setzt im Endeffekt seine Körpertemperatur nur ganz leicht herab in seinem Unterschlupf, er setzt sie herab von ungefähr 37 Grad wie bei uns auf vielleicht so 34 bis 36 Grad, also nur relativ unwesentlich, und ist dann auch in einem lethargischen Zustand. Auch die ganzen biochemischen Abläufe sind herabgesetzt und er schafft es auf die Art und Weise, seinen Stoffumsatz um ungefähr ein Viertel runterzufahren. Und wenn er sich im Herbst davor genug Fett angefressen hat, zum Beispiel durch eine schöne Eichelmast, was für Bären sehr wichtig ist, dass das hin und wieder mal passiert, hat er sehr gute Voraussetzungen, den Winter auf diesem Sparflammen-Modus zu überstehen. Interessant ist auch, dass die weiblichen Bären genau in dieser Zeit der Winterruhe ja auch ihre Jungen gebären und dann auch noch, obwohl sie ja schon so viel Fett verbrennen müssen, um ihren eigenen Nahrungsbedarf zu decken, auch noch Milch produzieren müssen, um ihre Jungen zu versorgen. Es ist eine ganz erstaunliche Strategie, die diese großen, mächtigen Raubtiere hier an den Tag legen, um den Winter zu überstehen. Und was auch ganz verblüffend ist und das ist für uns Menschen besonders interessant, wenn so ein Bär dann im nächsten Frühjahr wieder sein Winterversteck verlässt, dann marschiert der einfach drauf los und hat überhaupt keine Probleme mit seiner Muskulatur. Und ich meine jeder, der schon mal ein Bein gebrochen hatte und wo das Bein länger eingegipst war, der weiß, danach braucht man Physiotherapie, um die Muskeln wieder aufzubauen. Weil es gibt im Englischen so einen Satz, der heißt „use it or loose it“, und es ist genauso bei den Muskeln. Wenn ich meine Muskeln nicht nutze, dann werden sie einfach resorbiert, werden sie abgebaut, weil Muskelgewebe einen Haufen Energie schluckt. Und das halte ich natürlich nur dann Instand, wenn ich es auch brauchen kann, aber bei den Winterruhenden Bären ist ganz anders. Bei denen baut sich die Muskulatur nur minimal ab und auch der Knochen, das habe ich vorher vergessen zu erwähnen, selbst die die Knochenmasse. Wenn eine Extremität, ein Bein, ein Arm, einfach nicht genutzt wird, dann baut der Körper auch die Knochenmasse ab. Und es ist besonders bei Raumfahrern ein großes Problem. Deswegen müssen sie auch ständig auf dem Hometrainer dort sich trainieren, oben auf der ISS, und ständig Sport machen, weil einfach durch die Schwerelosigkeit, die Muskelmasse und auch die Knochenmasse einfach permanent abnimmt, weil die Arme und Beine kein Widerstand haben, wenn sie sich bewegen. Und deswegen schauen gerade die Forscher von der NASA besonders auf diese winterruhenden Bären, die ihre Muskeln nicht abbauen, weil das natürlich eine tolle Strategie wäre, um längere Raumflüge, zum Beispiel zum Mars, zu erleichtern.
Bernhard Kastner
Und hat man dann schon einen Stoff gefunden, eine Substanz, die diesen Muskelabbau verhindert?
Thassilo Franke
Ja, hier ist es so, die haben eigentlich keine andere Gen-Ausstattung wie wir. Was diese Abläufe betrifft, also im Endeffekt alle Gene, die für Muskelaufbau, Muskelabbau, Knochenaufbau, Knochenabbau vorhanden sind, die haben wir Menschen auch. Aber entscheidend ist, wie lange sie eingeschaltet bleiben. Man hat rausgefunden, dass beim Braunbären die ganzen Gene, die zum Beispiel für den Anabolismus verantwortlich sind, also für den Körperaufbau, um das bis zu sechsfache stärker exprimiert, also praktisch abgelesen werden. Auf der anderen Seite die Gene, die für den programmierten Zelltod verantwortlich sind, die werden unterdrückt. Und die Gene, die für den Knochenabbau verantwortlich sind, die bleiben eigentlich unberührt, die sind immer gleich. Aber allein durch diese Unterschiede in der Genexprimierung, in der Ablesung von der DNA und die Übersetzung in Proteine, kann der Bär eben dem Ganzen entgegenwirken. Also wenn wir Menschen praktisch jetzt die gleiche Epigenetik hätten, die gleichen Mechanismen, die die Einwirkintensität praktisch dieser Gen-Produkte übernehmen könnten, dann könnte man theoretisch sich vorstellen, dass wir zu ähnlichen Leistungen fähig sind. Und es betrifft natürlich nicht nur die Raumfahrt, wo das interessant ist, sondern es betrifft auch zum Beispiel Organtransplantation. Man könnte also einen Menschen, der dringend ein Spenderorgan braucht, ruhigstellen auf die Art und Weise, wenn man ihm eine künstliche Winterruhe auferlegt. Oder das Organ selber könnte man auf die Art und Weise auch besser Instandhalten. Also wir können sehr viel von diesen Tieren, die die Winter überstehen müssen, auch in der Medizin lernen.
Bernhard Kastner
Sie haben jetzt ganz spannend vom Muskelabbau gesprochen, aber es fiel auch schon das Stichwort Skelett oder Knochenabbau. Und da komme ich vom größten Raubtier Deutschlands zum wohl Kleinsten, der Spitzmaus. Und für alle diejenigen, die wie ich auch dachten, Spitzmaus, ein Raubtier? Ich wusste das lange selbst nicht. Die Spitzmaus ist ein Fleischfresser und ein sehr kleines oder vielleicht sogar unser kleinstes Raubtier. Und dieses kleine, winzige Tier hat einen ganz besonderen Mechanismus entwickelt, über den Winter zu kommen.
Thassilo Franke
Es ist gut, dass sie den Größenunterschied ansprechen von unserem größten Raubtier und unserem kleinsten Raubtier. Das passt eigentlich sehr gut, weil nämlich was man auch bedenken muss, die Größe der Bären hilft ihnen auch beim überstehen des Winters, die sogenannte Bergmansche Regel je größer ein Lebewesen ist, desto günstiger ist das Verhältnis von Oberfläche zu Volumen und desto langsamer kühlt so ein Körper aus. Jetzt ist es aber so, dass die Spitzmaus ja winzig klein ist. Und hier ist das Verhältnis vom Volumen zur Oberfläche genau andersherum wie beim Bären. Das heißt, diese kleinen Tiere kühlen viel schneller aus, und dem müssen Sie natürlich entgegenwirken. Und man weiß ja auch im Sommer, wenn man mal eine Spitzmaus sieht, das sind unglaublich hektische kleine Säugetiere, die permanent in Bewegung sind, die immer auf Turbo sind in ihrem Stoffwechsel und in der Art wie sie sich verhalten, und die auch wirklich, wenn die ein paar Stunden lang keine Nahrung finden, tatsächlich verhungern. Bei denen ist dann wirklich der Akku leer und die Maus tot. Und natürlich ist im Winter die Herausforderungen am Leben zu bleiben. Sie müssen ja noch mehr Energie in die Aufrechterhaltung der Körpertemperatur investieren, obwohl weniger Nahrung oder auch andersartige Nahrung vorhanden ist. Zum Beispiel fressen sie im Sommer sehr viele Regenwürmer, die im Winter sehr schwer zu erreichen sind, weil sie in tieferen Bodenschichten sind, wo ihnen die Spitzmäuse nicht hinterher krabbeln können. Und auf die Art und Weise muss die Spitzmaus einen anderen Trick anwenden, um damit klarzukommen. Sie ist den ganzen Winter über aktiv, sie macht keinen Winterschlaf. Aber, und es ist der Punkt, den Sie angesprochen haben, sie schrumpft. Und dieses Phänomen wurde schon in den 1950er-Jahren entdeckt. Da hat ein Forscher, August Temel, Spitzmäuse vermessen. Und zwar solche, die im Winter gefangen wurden, und solche, die im Sommer gefangen wurden. Und er war ganz verblüfft, weil er feststellen konnte, dass die Winterspitzmäuse, die im Winter gefangen wurde, die er vermessen hat, die warnen signifikant kleiner als die, die im Sommer gefangen wurden. Und zwar betrifft es den Knochen, aber auch zum Beispiel die Hirnschale. Das heißt das Schädelvolumen ist bei manchen Individuen um bis zu 20 Prozent gesunken. Und das hat sich viele Jahre später, im Jahr 2018 ist die Studie erschienen, Moritz Härtel von Max-Planck-Institut für Ornithologie in Seewiesen mit seinen Kollegen genauer angeschaut. Und sie konnten das bestätigen. Ein Doktorand hat Waldspitzmäuse, also Rotzahnspitzmäuse gefangen, über hundert Tiere, und hat die mit einem kleinen Sender ausgestattet. Und da wurden die Spitzmäuse in bestimmten Zeitabständen eingefangen und dann wieder vermessen, wieder freigelassen, eingefangen, wieder vermessen. Und die konnten tatsächlich bestätigen, dass diese Spitzmäuse eben stark schrumpfen im Winter. Und der Grund dafür ist, dass die Instandhaltung der Knochen, was wir auch beim Bären haben, weniger kostenintensiv ist, weil ich ja weniger Knochen Instandhalten muss und was eigentlich noch mehr ins Gewicht fällt, das energieintensivste Gewebe, was es im Körper gibt, ist das Nervengewebe, vor allem das Gehirn. Sie konnten wirklich feststellen, dass das Gehirn einer Spitzmaus um bis zu 15 Prozent schrumpft im Winter und, was noch verblüffender ist, im nächsten Frühjahr das Gehirn wieder wächst, nämlich um ungefähr neun Prozent. Das heißte es ist tatsächlich so, dass das Gehirn im Herbst/Winter immer kleiner und kleiner wird und im Frühling dann immer größer und größer wird. Und das betrifft natürlich auch genauso den Schädelknochen, der auch kleiner und größer wird. Und für die Spitzmaus ist es eben so, dass sie weniger Körpermasse einfach instandhalten muss und auf die Art und Weise Energie spart. Man hat dann in einer ganz aktuellen Studie auch von der Max-Planck-Gesellschaft festgestellt, dass es auch andere Tiere so machen wie zum Beispiel der Maulwurf. Auch der Maulwurf schrumpft seinen Schädel und sein Gehirn im Winter ein und lässt es im Frühling wieder größer werden. Und da verspricht man sich ebenfalls für die medizinische Forschung wichtige Erkenntnisse und zwar in der Bekämpfung der Osteoporose, weil im Endeffekt, was die Tiere ja im Herbst Winter machen, ist eine kontrollierte Osteoporose. Sie bauen den Knochen ab, das, was bei uns unkontrolliert und ungewollt passiert, wenn Menschen Osteoporose bekommen, passiert bei diesen Tieren gewissermaßen kontrolliert und beabsichtigt. Und im nächsten Frühjahr wird eben das Ganze wieder rückgängig gemacht, und die Knochen werden nicht mehr abgebaut, sondern wieder aufgebaut. Und wenn wir natürlich davon die Mechanismen verstehen würden von diesem Prozess, dann würde das vielleicht dazu führen, dass wir Therapieansätze entwickeln könnten, um solche schlimmen Krankheiten wie Osteoporose in Zukunft besser zu behandeln.
Bernhard Kastner
Wo also die medizinische Forschung von tierischen Überwinterungstricks lernen könnte. Ich habe mal ein Beispiel gelesen, das ähnlich interessant für die Wissenschaft auch überwinternde Fische sein können, nämlich im Speziellen der Karpfen, was hat es denn damit auf sich?
Thassilo Franke
Ja, also Winterprobleme haben ja nicht nur die landbewohnenden Tiere, sondern auch die Tiere im Wasser, auch die Fische. Die schalten einige Gänge runter und verharren in einem Ruhemodus. Die sind nicht komplett starr, sie sind schon noch beweglich und schwimmen auch noch in den tieferen Bereichen des Gewässers herum. Aber dadurch, dass die auch ihren Stoffwechsel ganz weit runterfahren, hat eine iranische Forschergruppe sich das Plasma der Karpfen mal genauer angeschaut und hat Karpfenplasma genutzt, um Tumorzellen, die für eine besonders schwere Form des Brustkrebses verantwortlich sind, damit zu konfrontieren. Und sie konnten tatsächlich feststellen, dass diese Krebszellen, diese Brustkrebszellen, um die Hälfte in ihrer Wachstumsfähigkeit eingeschränkt wurden, wenn sie eben mit diesem Karpfenplasma konfrontiert werden. Und das Plasma, also die Zellflüssigkeit dieser überwinternden Karpfen, scheint auch Lösungsansätze zu liefern, wie man das Wachstum von Brustkrebstumoren und anderen Krebstumoren verlangsamen kann. Also auch hier ist die Medizin daran interessiert, von der Natur zu lernen, um Krankheiten, die uns Menschen betreffen, in Zukunft behandeln zu können.
Bernhard Kastner
Das finde ich total spannend, vor allem wenn man sich vorstellt, dass es vielleicht an eine Alternative wäre zu doch sehr belastenden Behandlungsmethoden wie die Chemotherapie
Thassilo Franke
Ja, man kann unglaublich viel von der Natur lernen. Und zum Glück es ist auch bekannt, und deswegen ist es so wichtig, dass wir uns die Natur, die uns umgibt, immer genau anschauen.
Bernhard Kastner
Also Tiere wie der Karpfen zum Beispiel, die fahren ihren Stoffwechsel, wie wir gerade gehört haben, mit Hilfe biochemischer Substanzen herunter. Aber manche Tiere, die gehen sogar noch weiter, die frieren sich ganz ein.
Thassilo Franke
Ja, so ein Fall, der auch vor ein paar Jahren durch die Presse gegangen ist, ist der nordamerikanische Waldfrosch, der in den nördlichsten Breiten Nordamerikas vorkommt, auch in Alaska ist er noch zu finden. Und dieser Frosch, der ist im Winter Temperaturen von bis zu minus 20 Grad ausgesetzt. Und man weiß ja schon eine ganze Weile, was er macht, nämlich er friert komplett ein. Also der Frosch gefriert praktisch ein, und deswegen wird er in Amerika auch Ice Frog genannt, Eisfrosch. Und man hat jetzt genauer angeschaut, wie er es dann trotzdem schafft, im nächsten Frühjahr wieder aufzutauen und dann einfach weg zu hüpfen, wenn er monatelang eingefroren war. Und was sich herausstellte, ist das Traubenzucker das Patentrezept des Eisfrosches ist, im Winter zu überleben. Er reichert ungeheure Mengen von Traubenzucker an in seinem Blut und in seinem Gewebe. Und der Traubenzucker hat zwei Funktionen. Auf der einen Seite ist er osmotisch aktiv. Das heißt, er verhindert, dass die Zellen austrocknen, er hält das Wasser praktisch in den Körperzellen drin. Und auf der anderen Seite verhinderte eben auch, dass das Wasser gefriert und sich verheerend Eiskristalle bilden könnten, die mit ihren scharfen Kanten und ihren massiven Volumenausdehnungen die Membranensysteme zerstören könnten. Und hat früher versucht, ihn künstlich einzufrieren und haben ihn dann einfach in eine Gefriertruhe gelegt, bei minus 20 Grad und hat dann festgestellt, dass die meisten von diesen Eisfröschen dies nicht überstanden haben. Und in der aktuellen Studie hat man dann den Frosch in der Natur genauer beobachtet und hat festgestellt, dass der einfach diese Intervalle braucht. Das heißt, es wird ja nicht schlagartig eiskalt, sondern im Herbst ist es so, dass es meistens an den Tagen noch warm ist und in den Nächten gibt es schon Frost. Da hat man eben diese ganzen Intervalle langsam durchgespielt unter künstlichen Bedingungen und konnte da feststellen, dass die Frösche sukzessive diese hohe Zuckerkonzentration aufbauen und im Optimalzustand, wenn sie dann wirklich selber eine Körpertemperatur von minus 18 Grad haben, also muss man sich mal vorstellen, die frieren auf minus 18 Grad runter, diese Frösche, und bleiben trotzdem am Leben. Bei diesen Fröschen ist es so, dass dann die Leber zum Beispiel eine Zuckerkonzentration hat, die höher ist als Coca-Cola.
Bernhard Kastner
Es klingt jetzt für mich alles sehr futuristisch. Und ich glaube, da mache sich jetzt alle diejenigen Hoffnungen, die denken, man könnte sich wohl einfrieren lassen, um dann später, in einigen Jahren, wieder zum Leben erweckt werden. Aber das ist ein anderes Thema, diesen Frosch, den gibt es ja nicht bei uns. Aber viele andere Reptilien oder Insekten, die sich im Winter oft zurückziehen, die, wie wir schon gehört haben, den Stoffwechsel runterfahren, die in einem Laubhaufen überwintern, in der Erde überwintern oder in Pflanzenresten. Und dort müssen sie dann möglichst ungestört die kalte Jahreszeit überwintern.
Thassilo Franke
Ja, da haben Sie vollkommen recht. Also im Endeffekt ist es ja so, dass all diese Tiere, die Frösche, die Schlangen, die Eidechsen, aber auch die ganzen wirbellosen Tiere, die in Kältestarre den Winter überstehen, die brauchen natürlich ein Versteck. Die können nicht einfach so auf dem Boden rumliegen, sondern die müssen sich natürlich verkriechen. Und wenn man einen steril ausgeputzten Garten hat, sind natürlich solche Verstecke rar oder gar nicht vorhanden. Und deswegen tut man diesen Tieren einen großen Gefallen, wenn man an einigen Stellen des Gartens oder des Balkons auch noch was stehen lässt. Also viele Wildbienen zum Beispiel, die überwintern in hohlen Stängeln oder andere Tierarten überwintern in Laubhäufen, zum Beispiel der Igel ist einer, der eben gern in Laubhäufen oder in Asthäufen überwintert. Es heißt, wenn man solche Strukturen im Garten oder auf dem Balkon stehen lässt, dann kann man schon sehr viel bewirken, um solchen Tieren das Leben im Winter leichter zu machen.
Bernhard Kastner
Jetzt möchte ich nur mal ganz kurz auf etwas eingehen, was ich persönlich jeden Morgen, wenn ich runterschaue in den Garten, vom Balkon aus beobachten kann. Da sehe ich die Eichhörnchen, wie sie hektisch durch den Garten fetzen und Nüsse und Sämereien verstecken, vergraben, verbuddeln, sich dabei umschauen, ob sie ja nicht beobachtet werden. Und neulich habe ich auch einen Eichelhäher gesehen, der das gemacht hat. Diese Tiere legen dann ein Winterdepot an.
Thassilo Franke
Ja, was Sie da ansprechen ist eine weitere Strategie, die Winter gut zu überstehen, indem man sich Depots anlegt, Winterdepots, und sie haben genau die beiden Kandidaten dabei beobachtet, die in der Stadt dort sehr auffällig sind. Das ist das Eichhörnchen und der Eichelhäher. Aber es gibt auch noch einen anderen Vogel, den Tannenhäher, den kriegen wir hier im Flachland oder vor allem in den Städten seltener zu Gesicht. Das ist ein Vogel des Hochgebirges. Und er ist deswegen im Gebirge zu Hause, weil seine wichtige Nahrungsquelle auch im Hochgebirge zuhause ist. Und das ist die Zirbelkiefer, die Zirbe, die kommt in den Alpen nur in den Hochlagen vor, knapp unterhalb der Waldgrenze. Und diese Bäume sind auf Gedeih und Verderb auf den Tannenhäher angewiesen. Das heißt, die könnten ohne den Tannenhäher und seine Depotwirtschaft überhaupt nicht überleben. Es ist ja so, dass Nadelbäume, wir haben es ja beim Fichtenkreuzschnabel schon erwähnt, ihre Zapfenschuppen öffnen und die Samen entlassen, die dann vom Wind verbreitet werden. Aber bei der Zirbe ist es so, die Zirbenzapfen, die bleiben fest verschlossen, die öffnen sich nicht. Das heißt die Samen sind eigentlich in ihrem eigenen Zapfen gefangen. Und die brauchen jemanden, der sie aus dieser misslichen Lage befreit. Das einzige Tier, was das sehr effizient bewerkstelligt, das ist der Tannenhäher, der diese großen verharzten Zapfen sammelt und mit seinem großen Schnabel aufhackt und die Samen in seinem riesigen Kropf verstaut. Der hat einen riesigen Kropf, indem er große Mengen von Samen transportieren kann, das schaut auch ganz lustig aus, wenn man so einen fliegenden Tannenhäher sieht, der dann so einen richtigen Kehlsack hat, der voll ist mit diesen Zirbensamen und ähnlich, wie Sie es beim Eichhörnchen oder beim Eichelhäher beobachtet haben, versteckt er die dann auch an allen möglichen Stellen, kann also ich glaube bis zu 30.000 Depots anlegen. Und vor allem ist auch eine gewaltige Gedächtnisleistung. Er kann sich das alles merken, wo er die Samen versteckt hat. Und im nächsten Frühling keimen dann aus diesen ganzen vielen Verstecken, die er nicht angerührt hat oder die er vergessen hat, haben dann die Zirben, beste Keimbedingungen. Und auf die Art und Weise pflanzt der Tannenhäher den Zirbenwald im Hochgebirge. Also jede Zirbe, die wir da sehen im Hochgebirge wurde irgendwann mal von einem Tannenhäher gepflanzt, der sie entweder vergessen hat oder der vielleicht Opfer eines, der den Winter nicht überlebt hat und deswegen das Depot überdauert hat. Und deswegen ist eigentlich der Tannenhäher der Förster der Zirbenwälder.
Bernhard Kastner
Also ein tierischer Waldpfleger, der eigentlich damit nur sein Überwintern sichern wollte. Wir hatten jetzt eine ganze Menge von Beispielen von Tieren, die ihren Stoffwechsel herunterfahren, die ein dichtes Fell bekommen, die ihre Fellfarbe verändern, die den kalten Winter meiden, weil sie in den Süden ziehen. Es gibt aber auch Tiere, die schlafen einfach. Die machen den klassischen Winterschlaf.
Thassilo Franke
Ja, stimmt, diese Gruppe haben wir jetzt noch gar nicht angesprochen. Aber glaube ich, um denen gerecht zu werden, dann bräuchten wir eine eigene Sendung nur über den Winterschlaf, weil es ist so ein faszinierendes Phänomen. Sie sagen, die schlafen nur, aber der Winterschlaf ist eigentlich kein gut gewählter Begriff. Was die Tiere machen, sie begeben sich in einen permanenten Nahtod-Zustand, der eigentlich nichts mit Schlafen zu tun hat und den sie auch immer wieder Intervallweise unterbrechen müssen, damit sie nicht wirklich sterben. Also bei Murmeltieren ist es so. Die können auf eine Körperkerntemperatur von 2,6 Grad herunterkühlen, also wirklich knapp über dem Gefrierpunkt. Und da schlägt das Herz dann nur bis drei bis viermal in der Minute, da ist der Stoffwechsel extrem runtergefahren. Also man hat festgestellt, indem man den Sauerstoffverbrauch gemessen hat, dass die ihren Energieverbrauch auf drei bis vier Prozent des normalen Energieverbrauchs runterregeln können, in diesen extrem niedrigen Körpertemperaturbereichen, in denen sie sich befinden. Und die müssen die immer wieder unterbrechen. Und da ist zum Beispiel eine Hypothese, dass sie tatsächlich schlafen müssen in diesen Warmphasen, um sich von dieser Kaltphase zu erholen, weil sie nämlich, wenn sie so richtig runtergekühlt sind, auf knapp über dem Gefrierpunkt, kann man auch keine Hirnströme mehr messen, die diese typische Schlaffrequenz zeigen. Und da gab es die Hypothese, dass vermutlich das Problem ist, dass sie in dieser Winterschlafphase nicht schlafen und diesen Schlaf nachholen, indem sie sich immer intervallweise wieder aufwärmen. Mittlerweile ist man von dieser Theorie wieder abgerückt. Man hat ehrlich gesagt noch gar keine richtige Antwort, warum sie sich immer alle zwölf Tage wieder auf 34 Grad hochheizen, um danach wieder auf fünf Grad oder darunter ab zu kühlen. Man vermutet aber, dass es daran liegt, dass sie tatsächlich Schäden, die in dieser Kaltzeit entstanden sind, dann in dieser Warmphase wieder reparieren müssen. Also physiologische Schäden, die müssen wieder behoben werden. Und dann können sie wieder runterkühlen. Dann können sie wieder 12 Tage, 14 Tage, diese extrem niedrige Körpertemperatur haben. Zwischendrin heizen sie wieder auf, um die dabei entstandenen Schäden wieder auszubessern.
Bernhard Kastner
Ob jetzt nun mit Stoffwechsel herunterfahren oder mit Winterschlaf, mit Winterruhe, mit dem Zug in den Süden, wir hoffen, dass all diese Tiere den kommenden Winter gut überstehen werden. Aber wie ist es denn eigentlich, wann wissen die Tiere, oder wie wissen die Tiere, dass es Zeit ist, aus der Höhle zu kriechen, den Wintermantel abzulegen, den Pansen wieder umzubauen oder die Schneeschuhe abzulegen?
Thassilo Franke
Das ist ganz unterschiedlich, je nachdem, wie das Tier den Winter verbracht hat. Also bei Murmeltieren ist es zum Beispiel so, die haben, wenn Sie in den Winterschlaf gehen, da ist die Tageslänge ein wichtiger Taktgeber, aber eben auch die innere Uhr. Und wenn es ums wieder aufwachen geht, im nächsten Frühjahr, ist dann nur die innere Uhr dafür verantwortlich. Weil natürlich ein Murmeltier in seinem zugemauerten, von innen zugemauerten Kessel natürlich gar nicht merkt, was draußen vor sich geht. Da ist dann die innere Uhr tatsächlich verantwortlich dafür, dass das Murmeltier zur richtigen Zeit wieder an der Erdoberfläche erscheint.
Bernhard Kastner
Also ist das eine genetische Disposition. Es ist dem Tier angeboren, wann es weiß, dass es wieder aufwacht.
Thassilo Franke
Es ist dem Tier gewissermaßen angeboren. Die innere Uhr kann neu geeicht werden, wenn sich die Bedingungen ändern, aber im Grunde genommen ist es eine angeborene Anpassung, ja.
Bernhard Kastner
Angeborene Anpassung. Da bin ich jetzt noch bei dem größten Säugetier, bei uns. Der Mensch ist ja auch ein Säugetier, und ich frage mich, wir Menschen sind ja vor Zigtausenden von Jahren in diese Gefilde hier eingewandert, in diese kalten Gebiete eingewandert. Gibt's denn beim Menschen noch irgendwelche Relikte? Irgendwelche Nachweise, dass auch der Mensch biochemische Anpassungsmöglichkeiten hatte an den Winter? Unsere Intelligenz hat uns ja dann Überwinterungsmechanismen mitgegeben. Wir haben Häuser gebaut, wir haben Heizungen entwickelt. Aber gibt es irgendetwas nachweisbares, wo man sieht, der Mensch ist eigentlich auch auf die Winterzeit eingestellt?
Thassilo Franke
Wir Menschen sind ja eigentlich Tropenkinder oder genauer gesagt Subtropenkinder. Da haben wir den größten Teil unserer Evolution verbracht in diesen Breiten. Deswegen haben wir eigentlich keine Anpassung, uns genetisch gegen die Kälte zu wappnen, sondern wir machen so etwas über die kulturelle Evolution, durch Anpassungen wie zum Beispiel Feuer zu machen im Winter. Das sind ganz wichtige Voraussetzungen, um eben durch unsere Intelligenz, durch unseren Verstand, mit den Unbilden des Winters zurechtzukommen. Wobei man dazusagen muss, die genetische Ausstattung um Winterschlaf oder Winterruhe zu halten, die ist bei uns auch vorhanden. Aber wie wir es vorhin schon bei den Bären angesprochen hatten, ist entscheidend, wie lang gewisse genetische Schalter eingeschaltet sind und wie diese Prozesse, diese hochkomplexen Prozesse, präzise aufeinander abgestimmt sind. Und dazu ist der Mensch eigentlich nicht imstande, zumindest nicht ohne fremde Hilfe. Also das wäre natürlich, wie wir vorher schon gesagt haben, für die Erforschung des Weltraums wäre es natürlich super, wenn wir einen Zustand der Winterruhe einnehmen könnten, ohne dass wir unsere Muskeln abbauen. Aber so weit sind wir jetzt noch nicht.
Bernhard Kastner
Aber ich denke, da werden wir sicher in Zukunft noch einiges darüber hören. Lieber Thassilo Franke, ich danke Ihnen ganz herzlich für dieses interessante Gespräch. Und ich freue mich schon auf das nächste Mal mit ihnen. Kommen Sie gut über den Winter.
Thassilo Franke
Ja, das wünsche ich Ihnen auch. Aber wir beide, wir müssen uns ja zum Glück nicht einkesseln wie die Murmeltiere, sondern dafür gibt es ja auch warme Pullover.
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