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Gotische Bilderwelten - "Völlig losgelöst von der Erde"
"Es werde Licht, es geht immer weiter aufwärts", so könnte man einen Stil umschreiben, der sich ab Mitte des 12. Jahrhunderts von England aus in ganz Europa durchgesetzt hat. Die sogenannte "Gotik". Die Gotik brachte, um es ein wenig salopp zu sagen, ein wenig Licht ins vermeintlich dunkle Mittelalter. Autor: Martin Trauner
Credits
Autor dieser Folge: Martin Trauner
Regie: Martin Trauner
Es sprachen: Irina Wanka, Johannes Hitzelberger
Redaktion: Thomas Morawetz
Im Interview:
Prof. Heidrun Stein-Kecks, Department Medienwissenschaften und Kunstgeschichte - Institut für Kunstgeschichte Erlangen;
Dr. Matthias Weniger, Bayerisches Nationalmuseum
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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.
Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:
MUSIK und evtl. Atmo
ZITATOR (Goethe)
Als ich das erste Mal nach dem Münster ging, hatte ich den Kopf voll allgemeiner Erkenntnis guten Geschmacks. Auf Hörensagen ehrte ich die Harmonie der Massen, die Reinheit der Formen …
SPRECHERIN
Schreibt im 18. Jahrhundert der damalige Jurastudent Johann Wolfgang Goethe. Er war Anfang zwanzig, einigermaßen gebildet und er war zum Studieren in Straßburg gelandet. Also wollte er, wie man das halt in einer neuen, fremden Stadt so macht, er wollte sich die Kirche, das Münster anschauen… Die Kirche war schon damals vor langer Zeit, für Goethe muss das wohl im finstersten Mittelalter gewesen sein, im sogenannten „gotischen Stil“ erbaut worden…
ZITATOR (Goethe)
Ich war ein Feind der verworrenen Willkürlichkeiten gotischer Verzierungen.
SPRECHERIN
Diese Verworrenheit hätte der junge Goethe, der ja auch in seinen jungen Jahren schon alles wusste, natürlich sofort auf den ersten Blick erkannt, aber zur Sicherheit hatte er in einem damaligen Wörterbuch, also einer Enzyklopädie 18. Jahrhunderts nachgeschlagen. Da stand freilich nichts Gutes drin über die Gotik… Das Wörterbuch schreibt (von …)
ZITATOR (Goethe)
… von Unbestimmtem, Ungeordnetem, Unnatürlichem, Zusammengestoppeltem, Aufgeflicktem, Überladenem…
SPRECHERIN
Also: Von aufwändig gestalteten Gewölben und von Spitzbögen; von viel zu großen, und viel zu bunten Fenstern; ja: und alles strebt in die Höhe, alles irgendwie vertikal… Alles zusammengewürfelt. Scheußlich. Oder nicht? - Goethe überlegt tatsächlich, ob er das Straßburger Münster überhaupt
betreten soll…
MUSIK und Atmo aus
SPRECHERIN
Kurz mal eine Pause. Verlassen wir mal Goethe in Straßburg. – Begeben wir uns - wie der spätere Großdichter Goethe - auf eine Spurensuche und fragen mal bei heutigen Experten nach. - Was eigentlich bedeutet heutzutage der Begriff „Gotik“?
001 ZUSPIELUNG (Heidrun Stein-Kecks)
(Stöhnt) – Schwieriger Begriff, weil er eine lange Geschichte hat und weil er, einerseits, sehr bekannt ist, weil jeder was mit Gotik anfangen kann… aber doch das Ganze differenzierter gesehen werden muss..
SPRECHERIN
Sagt Heidrun Stein-Kecks, Professorin für Kunstgeschichte… Wobei? Erkennen wir auch heute noch – so wie Goethe damals – erkennen wir Gotik auf den ersten Blick?
002 ZUSPIELUNG (Heidrun Stein-Kecks)
Ja, auf den ersten Blick erkennt’s man freilich an den Spitzbögen und an dem Gewölbe, an den Dimensionen, an der Höhenentwicklung, am bestimmten Vertikalismus, an den Glasfenstern, also alles solche Dinge, die man sehr leicht erkennt und die auch allseits bekannt sind… Aber das alleine bedeutet nicht den Unterschied zwischen Gotik und Romanik
SPRECHERIN
Nochmals zum Begriff der Gotik. Das klingt ja schon irgendwie nach den Goten? - Gotik und Goten, gibt’s da eine Verbindung?
003 ZUSPIELUNG (Heidrun Stein-Kecks)
Also es stimmt tatsächlich, dass der Begriff der „Gotik“ von den Goten abgeleitet wird. Das geht zurück auf einen Autor des 16. Jahrhunderts …
SPRECHER (ZITATOR)
Auf Giorgio Vasari. Der war ein Italiener. Aus dem 16. Jahrhundert. Er schrieb Künstlerbiographien. Und er teilte die Welt der Kunst in „Stilepochen“ ein. Also erfand er Begriffe wie „Manierismus“, „Renaissance“ oder auch die „Gotik“. Die Gotik oder die Goten, die mochte er freilich nicht. Die Goten, das waren die Deutschen… Er glaubte…
004 ZUSPIELUNG (Heidrun Stein-Kecks)
…dass die Goten diejenigen waren, die das römische Reich zerstört haben. Und zugleich aber auch alles damit Verbundene in der Architektur, also alle antike Architektur im Römischen Reich zerstört haben, in den vielen Kriegen, die sie geführt haben (…) Und niemand wusste mehr, wie man gut baut. Also das Wissen um eine gute Architektur ist vollständig verloren gegangen. Durch den Einfall der Goten und der Zerstörung des Römischen Reiches.
MUSIK und ATMO (Straßburger Dom)
SPRECHERIN
Aber jetzt nochmals zurück zu Goethe, zu dem Moment, als er in das Straßburger Münster reingehen will: Die Goten, die waren also halbwilde Halsabschneider, das dachte auch Goethe seinerzeit. Die Kunst der Gotik, die Kunst des Mittelalters, die muss folglich – Giorgio Vasari hatte es ja so geschrieben - barbarisch gewesen sein…
ZITATOR (Goethe)
Ich war nicht gescheiter als ein Volk, das die ganze fremde Welt barbarisch nennt. Es hieß alles „Gotisch“, was nicht in mein System passte. Also: „Ganz vom Zierat erdrückt.“
SPRECHERIN
Vielleicht kann man Goethes Eindrücke am besten mit Musik nachvollziehen. Eine so alte Kirche wie das Straßburger Münster, die hätte Goethe gerne im Sinne der Romanik gesehen, also die Kunst aus der Zeit vor der Gotik... Dunkel, ein paar Kerzen, bescheiden, gregorianische Choräle, natürlich einstimmige Musik … Also in etwa so…
MUSIK „Sederunt“ – „langweilige“ Gregorianik
SPRECHERIN
Und dann betritt Goethe das Straßburger Münster. Eine „neue Musik“ empfängt ihn, die Kunst der „Ars Nova“. Es ist die Kunst der, ja, nennen wir sie einfach mal so, die Kunst der Gotik. - Mehrstimmige Musik. Die war extra für den gotischen Kirchenraum komponiert worden …
MUSIK „Sederunt“ - Perotin
SPRECHERIN
Es werde Licht!
005 ZUSPIELUNG (Matthias Weniger)
Es war schon das Gefühl der ganzen Epoche, was sich auch in der Musik natürlich fortgesetzt hat (…)
ZITATOR (Goethe)
Mit welcher unerwarteten Empfindung überraschte mich der Anblick, als ich davor trat. Ein ganzer, großer Eindruck füllte meine Seele, den, weil er aus tausend harmonierenden Einzelheiten bestand, ich wohl schmecken und genießen, keineswegs aber erkennen und erklären konnte …
SPRECHERIN
Der Baumeister des Münsters, erkannte Goethe, muss ein Genie gewesen sein. Denn er brachte den Himmel auf Erden…
MUSIK hoch und aus
006 ZUSPIELUNG (Matthias Weniger)
Mit der Gotik kommt ja Licht in ganz anderer Form in die Kirchen hinein. Und das sieht man den Kunstwerken natürlich auch an. Romanische Kirchen waren sehr dunkel oft, hatten nur kleine Fenster (…) in der Gotik werden die Wände geöffnet, durch die riesigen Fenster.
SPRECHERIN
Sagt der Kunsthistoriker Matthias Weniger vom Bayerischen Nationalmuseum in München…
ATMO Bayerisches Nationalmuseum
007 ZUSPIELUNG (Matthias Weniger)
Also, wir stehen jetzt hier im Kirchensaal des Bayerischen Nationalmuseums mit viel gotischer Kunst…
SPRECHERIN
Der sogenannten Kirchensaal sieht aus wie eine kleine gotische Kirche, also halt so mit Spitzbögen und Rippengewölbe, aber voll mit Bildern, Skulpturen und Grabplatten aus der Zeit der „Gotik“…
008 ZUSPIELUNG (Matthias Weniger)
Man wollte einfach den Gegenständen aus dem christlichen Mittelalter einen entsprechenden Rahmen geben und hat deshalb so eine kirchenartige Halle um die Figuren herumgebaut, die dann tatsächlich als Kirchensaal bekannt ist, nicht nur innerhalb des Hauses …
SPRECHERIN
Der Kirchensaal, erbaut in den 1890er Jahren in einem neugotischen Stil, hat keine Fenster, ist aber hell erleuchtet, durch Lichtspots an der Decke…
009 ZUSPIELUNG (Matthias Weniger)
Wenn Sie einmal die Möglichkeit hatten, sich gotische Kunstwerke in gotischen Kirchen ohne künstliches Licht anzuschauen, dann werden Sie merken, wie das Licht spielt… und das geht verloren, wenn Sie da mit Spots drauf leuchten, dann verliert das alle Tiefe und verliert auch alles Leben…
MUSIKAKZENT
SPRECHERIN
Was nun heißt „gotische Kunst“. Bedeutet das mehr als ein paar Verspieltheiten in der Architektur? - Erstmal zurück auf Anfang. Wo hat diese mittelalterliche Kunst ihren Anfang gefunden?
010 ZUSPIELUNG (Heidrun Stein-Kecks)
Ja. Entstanden ist das, was wir heute „gotische Architektur“ bezeichnen, als „Stilepoche“, als eine Epoche mit einer bestimmten Stilzuschreibung, das beginnt tatsächlich in Frankreich.
SPRECHERIN
Also nicht bei den vermeintlichen Goten in Deutschland. Sondern in Frankreich.
011 ZUSPIELUNG (Matthias Weniger)
Da hat man sogar zeitweise von französischer Kunst gesprochen, was ja auf eine gewisse Weise auch stimmte, weil es wirklich aus Frankreich kam…
SPRECHERIN
Die Kunsthistorikerin Heidrun Stein-Kecks ergänzt…
012 ZUSPIELUNG (Heidrun Stein-Kecks)
In der ersten Hälfte des zwölften Jahrhunderts, in den elfhundert 30er und 40er Jahren. Und zwar nicht in Frankreich, man müsste schon differenzieren, es beginnt tatsächlich in Paris, und in den Kronlanden, also in er Krondomäne des französischen Königtums …
SPRECHERIN
Krondomäne oder Krongut, das waren und sind schon wirklich sehr spezifische Begriffe für mittelalterliche Herrschaft, also, das was wir heute unter Gotik verstehen, begann in der Nähe von Paris, in Saint Denis. Die Stadt Saint Denis grenzte nördlich an Paris…l
013 ZUSPIELUNG (Matthias Weniger)
Als man 1140 in Saint Denis den Chorumgang gebaut hat, Abt „Suger“ oder „Suscher“, die Geburtstunde der, was wir heute als Gotik so verstehen, da war hier noch tiefste Romanik, und da war noch hundert Jahre lang Romanik, also noch als die Gotik in Frankreich ihren Höhepunkt erreichte, in Reims, da war immer noch Romanik in Bayern, bei uns.
SPRECHERIN
Die Kathedrale von Saint Denis wird zum Vorbild für viele neue Sakralbauten. Plötzlich wollten viele Fürsten in ihren Städten solche prächtigen Kathedralen, etwa in Köln, Regensburg oder Straßburg. Denn die Kathedrale ist ja nicht nur Ausdruck der göttlichen Herrschaft, sondern auch ein Zeichen der weltlichen Macht.
MUSIK
SPRECHERIN
Und die Gotik zeigt sich nicht nur in neuen Kirchenbauten …
014 ZUSPIELUNG (Heidrun Stein-Kecks)
Gotik bedeutet ja nicht nur die Architektur, sondern das ist ja ein Gebilde aus verschiedenen Künsten, die sich in der Architektur und gemeinsam in der Architektur zusammenfinden…
ATMO Nationalmuseum
SPRECHERIN
Im Bayerischen Nationalmuseum stehen wir vor einer bärtigen, langhaarigen Figur, die sich scheinbar um einen Stock wickelt, auf den Schultern trägt der Wilde, ein Kind…
015 ZUSPIELUNG (Matthias Weniger)
Also Extravaganz ist sicher ein Aspekt, der wichtig ist, dieses tänzerische, dieses Extrovertierte…
SPRECHERIN
Aber wer ist jetzt dieser extrovertierte Tänzer?
016 ZUSPIELUNG (Matthias Weniger)
Das ist der Heilige Christophorus, der wirkte natürlich besonders wild und urtümlich…
MUSIK
ZITATOR
Christophorus ist ein sehr spezieller Heiliger. In der Kunst wurde er als bärtiger Riese dargestellt, der ein Kind auf seinen Schultern über einen Fluss trägt. Der Legende nach soll er zum dem Kind gesagt haben, du bist mir immer schwerer geworden, so als hätte ich die Last der ganzen Welt auf den Schultern getragen. Das Kind habe geantwortet: Du hast sogar den Schöpfer der Welt auf deinen Schultern getragen. Ich bin das Christuskind….
MUSIK aus
SPRECHERIN
An der Holzfigur des Christophorus im Museum fällt sofort das kunstvoll gestaltete Gewand auf…
017 ZUSPIELUNG (Matthias Weniger)
Es ist vor allem immer in der Anlage der Gewänder… Also, was wir noch als Kunstgeschichtsstudenten etwas merkwürdig fanden, wenn unsere Lehrer immer nur über die Gewandbildung und über die Falten und über die Schüsselfalten und über die Muldenfalten und über die Röhrenfalten geredet haben… Aber man merkt, dass sich diese Generationen doch darüber definiert haben und dass das doch im Zentrum der künstlerischen Beschäftigung stand. Das kann man halt an den Zeichnungen und den Zeugnissen der Zeit ablesen…
SPRECHERIN
Der aus Lindenholz gefertigte Christophorus stammt aus dem späten 15. Jahrhundert. – Also weit nach der Zeit der Begründung der Gotik in den Parisern Vororten… Und dann stellt sich doch die Frage, wie lange dauerte eigentlich die „Gotik“ –
018 ZUSPIELUNG (Heidrun Stein-Kecks)
Das, was man als Gotik bezeichnet, erstreckt sich über ein halbes Jahrtausend. Das ist vielleicht ein bisschen übertrieben, aber wenn man so möchte, den Beginn in der französischen Gotik des 12. Jahrhunderts bis hin zur spätesten Gotik nördlich der Alpen…
SPRECHERIN
Gotik zeigte sich in vielen Ländern zu unterschiedlichen Zeiten. Etwa in England, aber auch in Italien oder Spanien. Und auch in Bayern. Doch man muss wegen des großen Zeitrahmens vorsichtig sein, meint Heidrun Stein-Kecks
019 ZUSPIELUNG (Heidrun Stein-Kecks)
Deswegen komme ich auf diese zeitliche Differenzierung. Wir haben in der Frühzeit Beispiele in Regensburg mit der Ulrichskirche, eine erste Übernahme von gotischen Formen in einer Kirche neben dem Dom und dann natürlich den Dom selber, der ein schönes Bespiel französischer Gotik in verschiedenen Elementen zeigt…
MUSIK
ZITATOR
Mit dem Bau des Regensburger Doms wurde 1275 begonnen, nachdem die alte Kirche abgebrannt war. Angeblich war der damaligen Bischoff von Regensburg bei einer Reise nach Frankreich auf ein Kirchenkonzil in Lyon von der dortigen Bauweise so beeindruckt, dass er seine neue Kirche im Stile der französischen Gotik bauen wollte…
SPRECHERIN
Wohl eine Legende, sie erklärt aber sehr schön den Einzug der Gotik nach Bayern. Aber auch der Bischoff von Regensburg durfte damals schon gewusst haben, die Fertigstellung seiner Kirche wird er nicht mehr erleben…
020 ZUSPIELUNG (Heidrun Stein-Kecks)
Die Lebensspanne eines Baumeisters ist bei Gott nicht der angemessene Rahmen für die zeitliche Spanne eines solchen Auftraggebers, es sei eines Königs oder Bischoffs oder die wie auch immer… Also wenn es um ein Projekt geht, wie bei einem solchen Kathedralbau oder eine große Abteikirche… Dieser Bau dient nicht nur der Versammlung der Menschen zum Gottesdienst. Sondern diese Architektur ist ja selbst ein Ort, in dem „Gott Wohnung nimmt“
SPRECHERIN
Also etwa nach der Apokalypse, wenn die Welt zu Ende geht, wenn der Herrgott wiederkehrt. Wenn alles den Bach runter gegangen ist…
021 ZUSPIELUNG (Heidrun Stein-Kecks)
Dann braucht es hier Bauten, die als Wohnstatt Gottes dienen können
SPRECHERIN
In einer gotischen Kirche, die vielleicht als Abbild des himmlischen Jerusalems dienen könnten?
022 ZUSPIELUNG (Heidrun Stein-Kecks)
Sagt sich so leicht dahin, Abbild des himmlischen Jerusalems, aber es ist tatsächlich eben ein Ort, in dem Gott Wohnung nimmt, da gelten andere Spannen als eines menschlichen Lebens.
SPRECHERIN
Und dieses Denken beeinflusst auch Bayern weiter…
023 ZUSPIELUNG (Heidrun Stein-Kecks)
Was wir dann in Bayern natürlich auch haben, ist aus der Spätgotik die Nürnberger großen Pfarrkirchen, Sankt Sebald und Sankt Lorenz, also die Chöre an diesen älteren Kirchen oder in Sankt Lorenz eben auch das ganze Langhaus. - Also, wir haben durchaus Beispiel, die zur gotischen Architektur zu zählen sind.
MUSIKAKZENT
SPRECHERIN
Die Kunst, die heute unter der Rubrik Gotik überliefert ist, scheint dann doch sehr stark auf den sakralen Raum begrenzt zu sein. Also hohe Kirchen mit ihren Heiligendarstellungen. - Gotik in der normalen Welt, also im profanen Bereich, scheint es nicht all zu viel gegeben zu haben. Oder doch?
024 ZUSPIELUNG (Matthias Weniger)
Das gab’s natürlich auch im profanen Bereich… Der Punkt ist nur, dass die Dinge, die erhalten sind, meistens über Kirchen überliefert worden sind, weil im profanen Bereich die Dinge dann durch Neuausstattung verschwunden sind oder dass auch private Kunst später in Kirchen gestiftet wurde und dadurch überlebt hat…
SPRECHERIN
Sagt Matthias Weniger vom Bayerischen Nationalmuseum. Und Heidrun Stein-Kecks meint, natürlich ist Gotik in der normalen Welt sichtbar, zumindest in der Architektur.
025 ZUSPIELUNG (Heidrun Stein-Kecks)
Was auch dazukommt, dass sich in dieser Spanne der „Gotik“ sich auch die Gesellschaft verändert, die Herrschaftsstrukturen sich verändern. Dass mit einem Erstarken der Städte der neuesten Technik und den neuesten Bauformen errichtet werden, wie zum Beispiel die Rathäuser…
MUSIKAKZENT
ZUSPIELUNG (ATMO Stufen)
„Was ich Ihnen noch zeigen kann, wenn wir hier ein paar Stufen hochgehen….
SPRECHERIN
Matthias Weniger vom Bayerischen Nationalmuseum führt in einen Raum… na ja, wie soll man das beschreiben, der Raum ist ein sogenanntes Tonnengewölbe und die holzvertäfelte Decke besteht aus lauter kleinen Bildern.
026 ZUSPIELUNG (Matthias Weniger)
Wir haben hier zum Beispiel die Zunftstube der Augsburger Weber. Den Versammlungsraum. Das ist also ein profaner Versammlungsraum. Und sicherlich einer der spektakulärsten Raumfüllungen der profanen Gotik überhaupt …
MUSIK
ZITATOR
In der Augsburger Zunftstube trafen sich im Mittelalter die Weber. Ausgestaltet wurde der Raum Mitte des 15. Jahrhunderts von Peter Kaltenhoff. Die Holzverkleidung erwarb das Bayerische Nationalmuseum bereits im Jahre 1864. Und hat es somit gerettet. Denn das Weberhaus wurde anschließend abgerissen, weil es baufällig war und weil es einer neuen Straßenführung im Weg stand...
SPRECHERIN
Übrigens, der Architekt des Bayerischen Nationalmuseums, Gabriel von Seidl, protestierte seiner Zeit vehement gegen den Abriss des Augsburger
Webergebäudes. - Aber zurück in die nachgebaute Zunftstube im Museum:
027 ZUSPIELUNG (Matthias Weniger)
Sie sehen ja hier auch schon wieder an den Kielbögen über den Darstellungen der Personen, die das ganze Spektrum, alles, was wichtig war in der damaligen Welt, über die antiken Helden bis zu den sieben Kurfürsten, bis zu den regierenden Fürsten, aber auch Alexander der Große, Caesar, alle kommen hier irgendwie vor…
ZITATOR
Die Augsburger Weber sahen sich als Teil des „Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation“. Also wird auf den Holztäfelchen alles abgebildet, was in diesen großen Kontext passt. Die großen griechischen und römischen Helden, Schöpfungsgeschichte, jüdische und heidnische Propheten. Ein Kunterbunt der Geschichte….
SPRECHERIN
Die Augsburger Zunftstube überwältigt. Obwohl nur abgebaut und dann wieder aufgebaut. Denn nun fühlt man sich tatsächlich in die Zeit der Gotik zurückversetzt, was, na ja, und das muss man jetzt mal vergessen, was immer die Gotik in all ihren Differenzierungen auch bedeuten mag…
028 ZUSPIELUNG (Matthias Weniger)
Also die Weber stellen sich in eine enorme Ahnenreihe, aber überfangen alles mit diesen Bögen, wie wir sie aus der Gotik kennen und mit der Gotik verbinden… Und Sie können es auch mit der Tür, das ist die originale Tür, die dazugehört, mit diesen Beschlägen oder diesen Kastenschlössern, die sind auch gotisch …
MUSIKAKZENT
SPRECHERIN
Die Gotik, also die gotische Kunst hat auch etwas ganz Handfestes. Denn Gotik bedeutet auch schlichtweg Verbesserungen ganz praktischer Art
029 ZUSPIELUNG (Matthias Weniger)
Und das setzt natürlich auch eine große handwerkliche Perfektion voraus…
SPRECHERIN
Sagt Matthias Weniger. Denn Handwerker wurden mindestens vier Jahre lang ausgebildet….
030 ZUSPIELUNG (Matthias Weniger)
Das führt zu diesem hohen Grad der Perfektion. Und auch in einem Umgang mit dem Material, die wussten genau, was sie machen, das ist in den späteren Jahrhunderten verloren gegangen, aber sie wussten, wie man verhindert, dass das Holz reißt, also hatten noch handwerkliche Kenntnisse, die man später nicht mehr hatte…
SPRECHERIN
Auch Heidrun Stein-Kecks meint, die gotischen Handwerker, haben ihre Zeit nachhaltig beeinflusst…
031 ZUSPIELUNG (Heidrun Stein-Kecks)
Das geht ein als ein, wie soll man sagen, als ein weit verbreiteter und allgemeiner Baustil, beziehungsweise die Elemente und auch die technischen Fähigkeiten und Fertigkeiten, die bei dem Bau der ersten frühen gotischen Kathedralen entwickelt wurden, die gehen natürlich in die allgemeine Baukunst über…
MUSIK
SPRECHERIN
Und jetzt muss man auch noch erwähnen, die Kunst der Gotik ist eine Bildsprache, ein Bildprogramm. Natürlich sind die Kirchenbauten, die Illustrationen in Handschriften, die üppig gestalteten Fenster in den Kirchen, die Skulpturen, ein Mittel, ein didaktisches Mittel, um das Göttliche zu begreifen. Aber vor allem geht es in der Zeit der Gotik auch um Emotion. Matthias Weniger führt im Bayerischen Nationalmuseum zu einer Skulptur. Ein Löwe, ja, der ist der König der Tiere, aber darauf sitzt ein Skelett.
032 ZUSPIELUNG (Matthias Weniger)
(Und) Hier haben wir die Bekrönung einer Uhr aus einem Kloster, Zisterzienserkloster Heilsbronn bei Nürnberg vor uns … beziehungsweise wir haben die Kopie, das Original steht auf der anderen Seite …
ATMO Nationalmuseum
MUSIK
ZITATOR
Genannt wird die Skulptur „Der Tod, auf einem Löwen reitend“. Der Bildschnitzer erhielt für sein Werk aus dem Jahre 1513 ganze sieben Gulden.
033 ZUSPIELUNG (Matthias Weniger)
Es soll natürlich symbolisieren, dass selbst über den Löwen, das mächtitigste aller irdischen Wesen, das mächtigste Tier, doch letztlich der Tod regiert und dass auch der Löwe keine Macht gegen den Tod hat..
SPRECHERIN
Vielleicht drückt diese Figur am besten den Zeitgeist und das Lebensgefühl der Gotik aus. -
Die Ambivalenz zwischen prachtvollem Leben und der Vergänglichkeit des Menschen….
034 ZUSPIELUNG (Matthias Weniger)
… und wir haben versucht, an der Kopie die alte Funktionalität zu zeigen (…) In dem Tod, der auf den Löwen reitet, war eine Glocke eingebaut, und der Tod hat, wenn die Uhr die volle Stunde geschlagen hat, hat er mit dem Knochen auf die Glocke im Inneren des Löwen geschlagen (man hört es!) und dazu hat sich die Zunge des Löwen bewegt und hat auch der Unterkiefer des Todes schaudererregend geklappert …
MUSIK
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