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Selbstliebe - Wie kann man mit sich selbst befreundet sein
Freundschaft plus Selbst gleich Selbstfreundschaft? Die Beziehung zwischen beiden gelingt nicht einfach durch Addition. In Freude und Konflikt, in Nähe und Not: gerade mit sich selbst will Freundschaft gelernt und gepflegt werden. (BR 2020) Autor: Frank Schüre
Credits
Autor/in dieser Folge: Frank Schüre
Regie: Martin Trauner
Es sprach: Irina Wanka
Technik: Robin Auld
Redaktion: Bernhard Kastner
Interviewpartner dieser Folge:
Wilhelm Schmid, Philosoph, Berlin
Das Manuskript zur Folge gibt es HIER.
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Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de.
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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.
Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:
Atmo / spielende Kinder / Kindheit …
01 OT Wilhelm Schmid
Freundschaft gab’s mal zum Nulltarif. Viele Jahrhunderte war das so: Freundschaft war einfach da. Da ist man reingeboren worden. Man blieb ja meistens an dem Ort, an dem man geboren worden war und spielte mit den Kindern von Gegenüber auf der Straße. Und die gingen auch nie weg. Sondern die blieben auch da.
Erzählerin
Die ersten Freunde und Freundinnen wohnen meist nebenan oder gegenüber. Man spielt zusammen auf dem Bürgersteig und dem Spielplatz. Man geht gemeinsam in den Kindergarten und dann in die Grundschule.
02 OT Wilhelm Schmid
Häufig sind die Freundschaften vererbt worden: man hat die Freundschaften des Vaters, der Mutter, mit den Kindern der Freunde selber weiter gepflegt. Und ich glaube, es leben viele heute noch so, als wäre es noch, dass es von selbst geschieht: Freundschaft. Aber diese Zeiten sind vorbei.
Erzählerin
Die nächsten Freunde wohnen dann schon weiter weg als ‚nebenan‘. Wenn die Eltern umziehen, ein eigenes Haus bauen, wenn man die Schule wechselt …, die alte Heimat für eine Ausbildung verlässt, wenn man neue Freunde finden muss …
03 OT Wilhelm Schmid
Freundschaft gibt es nur noch, wenn sie gesucht, gegründet, und gepflegt wird. Und zwar unter verschärften Umständen. Denn mit sehr großer Sicherheit: die Freunde, die ich gewonnen habe in meiner Kindheit, die sind in alle Welt zerstreut. Ich habe nur dann Freundschaft - auch ich nicht mehr mit allen, aber mit einigen - dann und nur dann, wenn ich dahinter her bin - das muss ich nicht vom Freund verlangen, sondern ich bin dahinter her, dass wir uns mal treffen, sehen, sprechen.
Atmo / neue Medien Sound…
04 OT Wilhelm Schmid
Heute kommt uns eigentlich zugute, die modernen sozialen Medien machen es sehr leicht, Freundschaft zu pflegen, um dann allerdings Sorge dafür tragen zu müssen, dass es nicht nur digital bleibt, und nicht nur am Telefon, sondern dass wir uns wirklich wenigstens einmal im Jahr real sehen. Das Reale wird immer noch mehr Bedeutung gewinnen, je mehr das Digitale an Bedeutung gewinnt. Das wäre wichtig zu verstehen: Freundschaft ist möglich, aber nur, wenn ich ihren Wert erkenne und anerkenne, und sie pflege.
Erzählerin:
Doch um wirkliche Freundschaften zu anderen aufbauen zu können, sollte man nach Wilhelm Schmid auch eine ganz besondere Freundschaft pflegen:
05 OT Wilhelm Schmid
Menschen brauchen eine Beziehung zu sich selbst. Wer mit wem? - Bei einer Freundschaft ist das klar: hier bin ich, und dort ist der Freund. Und ich habe mit dem eine Beziehung. Aber wie ist das mit mir (lacht): ich bin ja schon da?
Erzählerin
Ich bin da. Ich fühle mich. Ich spreche mit mir. Ich schimpfe mit mir. Mag ich mich? Sind da zwei ‚Iche’ in mir? Wer ist da bitte noch in mir – außer mir?
Wer bist Du, wer bin Ich?! Manchmal streite ich mit mir.
06 OT Wilhelm Schmid
Das Ich, das denkt, ist nicht immer identisch mit dem Ich, das Hunger hat. Das Ich, das denkt, das zum Beispiel am Computer sitzt, jetzt ‘ne wichtige Arbeit macht, kann sagen: „Schweige Hunger, jetzt bin ich dran.“ Das können wir bis zu ‘nem bestimmten Zeitpunkt so machen - und irgendwann wird der Hunger so übermächtig, dass wir nicht mehr denken können.
Erzählerin
Eigentlich bin ich gerne mit mir zusammen. Das merke ich so richtig, wenn ich allein bin mit mir. Ich rede und langweile mich dann mit mir, ärgere und freue mich über mich. Und am besten geht’s, wenn wir freundlich miteinander sind …
07 OT Wilhelm Schmid
Also kann die Freundschaft mit sich selbst bedeuten: Das Denken befreundet sich mit dem Magen. Und dann geht es wie in jeder guten Freundschaft: ich achte darauf, dass es dem Freund gut geht. Ich versuche ihn nicht überzustrapazieren. Ich darf ihn schon mal fordern, aber nicht so, dass die Freundschaft zerbricht. Das ist kurz und sehr einfach gesagt: ‚Selbstfreundschaft‘.
AKZENT – Trenner
Erzählerin
In Zeiten von ‚So-mobil-wie-möglich, von digitalen Sozialen Netzen und ständig wechselnden Lebenswelten entfernt man sich nicht nur von gewohnten Orten, Plätzen und Straßen, von Nachbarn und Freunden – man entfernt sich auch von sich selbst. Das verunsichert, wie der Philosoph der Selbstfreundschaft betont:
08 OT Wilhelm Schmid
Auch das ist neu: das Selbst versteht sich nicht mehr von selbst. Das war auch lange Jahrhunderte so: das Selbst hat sich lange Jahrhunderte nicht aus sich selbst heraus definiert, oder sogar definieren müssen. Es wurde definiert. Es wurde definiert durch die Eltern, Jungs insbesondere durch den Vater: der Vater war Metzger, dann war es sehr wahrscheinlich, dass der Sohn auch Metzger wird. Der Vater war Bauer, dann hatte der Sohn im Grunde auch Bauer zu sein. Und Mädel hatten sowieso Hausfrau und Mutter zu werden - da gab es gar kein Entweichen.
Erzählerin
Eine Dimension der Freiheit, die das Ich nicht selten vor Probleme stellt: Denn plötzlich ist es für so vieles verantwortlich, was zuvor von anderen geregelt wurde: Beruf, Partnerwahl, Wohnort … Klar ist:
09 OT Wilhelm Schmid
Wir müssen mit uns selbst umgehen. Das ist also eine relativ neue Angelegenheit. Sicherlich, wenn ich Aristoteles zitiere, das ist lange her - aber das waren ja Eliten damals - einige wenige Philosophen und sonst wie denkende Menschen, die ein freieres Selbstverhältnis und Verhältnis zu anderen begründen durften. Mittlerweile sind das aber Massenphänomene: das Nicht-mehr-umgehen oder Noch-nicht-umgehen-können mit sich selbst.
Erzählerin
Ich bin auf mich selbst gestellt. Das ist irgendwie verlockend – und manchmal auch unheimlich. Ich lerne Freundschaft neu, ich frage mich ständig selbst, ob alles klar und richtig und gut so ist. Ich interessiere mich für mich, ich verstehe mich – naja, zumindest oft und dann öfter, ich diskutiere mit mir. Ich merke es vielleicht nicht sofort, ich merke es vielleicht erst viel später, aber Fakt ist: ich lerne mich auf eine neue Weise kennen, ich befreunde mich mit mir, ich werde mein erster und bester Freund in einem ziemlich selbständigen Leben mit mir, das vor allem Fragezeichen bietet.
10 OT Wilhelm Schmid
Wir sind noch in dem historischen Zustand, dass viele die Aufgabe noch nicht recht realisieren. Und wir sind auch erst in dem historischen Stadium, dass wir die Instrumente dafür erst finden. Eins der Instrumente ist Therapie, ohne jede Frage. Und eins der Instrumente ist eben auch der Umgang mit sich selbst, ohne unbedingt therapiebedürftig zu ein. Und dafür wollte ich diesen Vorschlag Selbstfreundschaft unterbreiten, mit den Schritten, die wir real praktisch im Alltag tun können, um dem näher zu kommen.
Erzählerin
Die Beziehung zu sich selbst beeinflusst auch die normalen Beziehungen. Freunde-haben ist zwar gut und normal, aber irgendwann zu wenig. Je besser man mit sich selbst klarkommt, desto mehr erwartet man das auch in der Beziehung mit anderen. Man braucht dann tiefere und erfüllende Freundschaften - wie mit sich selbst! Ganz besonders in Zeiten von Twitter, Instagram und Co.
AKZENT
11 OT Wilhelm Schmid
Alles, was Sie in der Freundschaft mit ‘nem anderen Menschen beobachten können, gilt ziemlich adäquat in der Freundschaft mit sich selbst. Und Freundschaft mit sich selbst ist im Unterschied zur Selbstliebe nicht dazu da, nur für das Selbst zu leben. Selbstliebe, wie die Liebe zu einem anderen Menschen, tendiert dazu, sich abzuschließen gegenüber der Welt, und nur für sich selbst da zu sein. Die Selbstfreundschaft hat das Ziel, für andere da zu sein. Zum Teil weil’s Freude macht, für andere da zu sein, zum anderen, weil das Leben darin reicher wird, für andere da zu sein. Das Leben wird nicht wirklich reich durch das eigene Selbst, sondern durch das Zusammensein mit anderen.
Erzählerin
Dieses Zusammensein mit anderen wird auch dadurch anders, dass ich mit mir selbst anders, bewusster und freundlicher umgehe.
Je besser ich mich kenne, je mehr ich mich mag – und auch nicht mag in manchen Macken – desto genauer schaue ich mir die anderen an. Ich will auch sie besser kennenlernen, ich will auch sie mögen und verstehen, in ihren Stärken und ihren Schwächen. Die ‚Anderen‘ sind dann eben auch nicht einfach da und definiert.
12 OT Wilhelm Schmid
Es ist ein Faktum, dass wir ohne andere nicht leben können. Das kann jeder sich für einen Moment überlegen, für eine gewisse Zeit auch praktizieren: das Haus, in dem ich lebe, habe ich nicht selber gebaut. Die Straßen, die ich benutze, habe nicht ich geteert. Die U-Bahn, die ich benutze, fahre nicht ich - und das sind nur die weiteren anderen. Die näheren anderen - wenn’s irgendwie schwierig wird in meinem Leben, komm ich da selber raus? Ich brauche andere dafür. Wenn ich schöne Dinge im Leben erleben kann - ja, das geht auch mit sich selbst allein - aber wird es nicht viel schöner noch, wenn ich’s mit anderen machen kann? Freunden und geliebten Menschen?
Erzählerin
Ja, es wird schöner! Es kann aber auch langweiliger werden, je besser man sich selbst kennt und versteht. Dann möchte man mit anderen nicht einfach nur Spaß haben und die Zeit totschlagen. Man möchte dann auch reden, fragen und gemeinsam versuchen, zu verstehen wie es einem selbst geht, wie es dem anderen geht, wie es miteinander gut geht und warum manchmal nicht. Je tiefer man in diese oft unbekannte Freundschaft mit sich selbst hineingerät, desto tiefer sollte dann auch die Freundschaft mit anderen gehen.
AKZENT
Erzählerin
In seinem Buch über Selbstfreundschaft erläutert Wilhelm Schmid, wie man aus dem normalerweise flüchtigen Selbstbekannten einen Selbstfreund oder eine Selbstfreundin fürs Leben macht.
Wie aus dem unsteten Gesellen ein treuer Partner wird, sich selber und anderen. Wie man lernt, dem Selbstfreund zu vertrauen.
13 OT Wilhelm Schmid
Das ist eine der ältesten Angelegenheiten der Menschheit. Das Modell geht zurück auf Aristoteles, 400, 300 v. Chr. Der sprach zum ersten Mal auf Griechisch von phil-autia - philia, die Freundschaft, autos, das Selbst, also Selbstfreundschaft. Von da hab ich das wiederaufgenommen, und mir lag an diesem Begriff: Selbstfreundschaft, um ihn zu unterscheiden von der heute übermäßig populär gewordenen Selbstliebe. Die scheint mir langsam aber sicher problematisch zu werden. Denn bei der Liebe sind Menschen versucht, keine Differenz in sich selbst mehr wahrzunehmen. Die aber nötig ist, um sich selbst zu sehen, wie von außen zu sehen, wie ein Freund einen anderen von außen sieht, und auch mal ironische Distanz zu sich selber zu haben. Auch mal über sich selbst lachen zu können.
Erzählerin
Für diese Selbstentfaltung bietet der Experte für Lebenskunst sechs Anregungen. Nummer Eins lautet: Selbstfreundschaft ist nicht Selbstliebe!
14 OT Wilhelm Schmid
In der Liebe neigen Menschen dazu, den anderen zu idealisieren. In der Selbstliebe geschieht dasselbe: das Selbst wird jetzt idealisiert. Und wenn das Selbst dann nicht ideal ist, dann wird die Beziehung sozusagen gekündigt. So wie das auch in der Liebe zu anderen Menschen allzu häufig der Fall ist. Freundschaft heißt, nachsichtig mit sich zu sein. Anzuerkennen, dass das halt kein Idealbild sein kann, weder das Selbst noch der Freund. Anzuerkennen, dass es Konflikte gibt. Die gibt’s in der Freundschaft mit einem anderen Menschen genauso wie in der Freundschaft mit sich selbst.
Erzählerin
Der Selbstfreund ist aufmerksam auf sich, so die zweite Anregung von Wilhelm Schmid. Ein interner Moderator entdeckt, integriert und vernetzt viele Teil-Ichs. Das gelingt, weil der Selbstfreund aufmerksam ist und sich zuwendet und immer einfühlender wird mit sich selbst - und dann auch mit den anderen Menschen. Befreunden geht dann nach innen und außen. Die Selbstfreundin sorgt für sich und für ihre Freunde. Sie entfaltet aus der ängstlichen eine kluge Sorge, und darin eine so notwendige wie erfreuliche Selbstsorge. So die dritte Anregung, aus der sich die vierte ergibt: befreunde dich auch mit deinem Körper, denn sinnliche Fülle geht einher mit sinnvollem Erleben. Ernähre dich gut, beachte Schmerz und Lust, sei freundlich mit deinen körperlichen Zuständen. Aber Vorsicht mit dem Gefühl der Liebe …
15 OT Wilhelm Schmid
Liebe kann so aussehen, dass Sie mit dem anderen eins sein wollen. Und Liebe kann so aussehen, dass Sie mit dem anderen gelegentlich eins sein wollen und
vielleicht auch können, ab er auch Distanz zu ihm haben können. Das sind zwei unterschiedliche Erfahrungen von Liebe. Die romantische Liebe zielt auf Einssein, und akzeptiert zum Beispiel überhaupt nicht den Alltag. Der nicht aus Einssein besteht, sondern aus Zweisein und manchmal (lacht) sehr deutlich Zweisein. Also die Liebe, die zur Distanz in der Lage ist, das auszuhalten, und vielleicht dann auch die Erfahrung zu machen: wow, aus der Distanz heraus können wir wunderbar zusammenkommen und eins sein, dann wird’s erst wieder richtig spannend. Ansonsten wird das Einssein zum Gefängnis, zum goldenen Gefängnis.
Erzählerin
Die Seele – Kraftwerk des Selbst – unentwegt steigen Gefühle darin auf und vergehen. Der Selbstfreund kennt und akzeptiert das. Wilhelm Schmid regt eine „Muschelkompetenz der Seele“ an, die sich öffnen und schließen lernt gemäß innerer Verfassung und äußeren Umständen.
Derart kompetente Selbstfreunde und Moderatoren des eigenen Gefühlsreichtums vermögen aus dem Bauch heraus zu entscheiden. So Anregung Nr. Fünf. Aber, warnt der Experte, gerate bei dem Befreunden mit dir selbst nicht in eine Nabelschau:
16 OT Wilhelm Schmid
Sich selbst kennenzulernen, dient dazu, sich reif zu machen, für andere da zu sein. Das ist bei der Nabelschau immer übersehen worden. Die Menschen sind bei sich stehengeblieben. Und dann wird’s irgendwann unerträglich - für das eigene Selbst - denn Sie können Nabelschau betreiben bis ans Ende der Welt und werden sich nicht genügend erkannt haben. Und es wurde unerfreulich für andere, denn da waren ja nur noch Menschen, die sich mit sich selber beschäftigt haben, und gar kein Interesse mehr hatten, auf andere zuzugehen, sich reif zu machen für andere. Das ist der Unterschied: betreibe ich die Nabelschau nur um meiner selbst willen, oder betreibe ich die Nabelschau, um reif zu werden, auf andere wieder zuzugehen und für andere da zu sein, bis zu dem Punkt, in der Liebe und der Freundschaft, mich selbst auch mal zu vergessen?!
Erzählerin
Die sechste Anregung des Selbst-Freund-Philosophen bringt das Denken ins Spiel. Denn so sehr und oft wir uns wünschen, diesen ständigen Unruhestifter Denken einfach abschalten zu können – der Experte empfiehlt Nachdenken: denn gerade Nicht-Gedachtes oder nur An-Gedachtes stiftet Unruhe. Freundliches Nachdenken führt zu innerer Ausgeglichenheit und erfüllten Beziehungen. Besonders das freundliche Nachdenken über mich selbst.
AKZENT
17 OT Wilhelm Schmid
Es gab in der Geschichte unterschiedliche Umgangsweisen mit dem eigenen Selbst. Der eine hieß Selbstbeherrschung. Selbstbeherrschung ist nicht Selbstfreundschaft. Sondern da übernimmt ein Teil die Herrschaft. Und Herrschaft heißt, ich unterwerfe mir die anderen Teile. Meistens war es die Herrschaft des Geistes über den Körper. Der Körper hatte zu schweigen und zu tun, was der Geist befohlen hat. Das ist ein Modell, mit dem ein Mensch sich selbst ausbeuten kann. Bis er zusammenbricht. Burnout oder Rückenschmerzen sind sehr beliebt. Der Körper meldet sich schon irgendwann zu Wort. Der lässt sich lange unterwerfen, aber nicht dauerhaft.
Erzählerin
Freundschaft – es kann schon ein Weilchen dauern, bis man versteht, wie wichtig sie ist und wie tief sie geht. Und das Selbst – das ist auch ein Brocken. Je weiter und tiefer man sich einlässt auf diese beiden Dimensionen und ihre Verbindung, desto anspruchsvoller wird deren Beziehung. Obwohl der aktuelle Zeitgeist den eigenen Körper immer mehr entdeckt und immer wichtiger nimmt, ist das wirkliche Befreunden mit den körperlichen Bedürfnissen doch leichter gewollt als verwirklicht.
Wilhelm Schmid erinnert an schwierige Zeiten für Selbst- und Körper-Freunde, die weiterhin hineinwirken in den Aufbau einer Freundschaft mit sich selbst:
18 OT Wilhelm Schmid
Das andere Modell, nach dem sehr viele vorgegangen sind, war, sich selbst zu verachten. Keine Beziehung zu sich selbst, die in irgendeiner Weise förderlich ist. Sondern im Grunde sollte es das Selbst gar nicht geben. Zugunsten des Nächsten. Liebe deinen Nächsten - der Halbsatz, der folgte, wurde viele Jahrhunderte in der europäischen, in der abendländischen Geschichte, ausgelöscht. Also nicht wie dich selbst, sondern überhaupt nicht dich selbst. Weder lieben noch sonst irgendwas, nur dem Nächsten zugewandt zu sein.
Erzählerin
Sich selbst beherrschen und verachten – ist das vorbei? Es ist zumindest in Frage gestellt und freundlich angesprochen von einem sensibleren Umgang mit sich und dann auch anderen Menschen.
Die aktuell aufbrausende Wut und Verachtung gegenüber Andersdenkenden und Andersgläubigen erwächst wahrscheinlich aus einem mindestens rigiden Verhältnis zu sich selbst. Es fehlt ein erfüllender Körperkontakt, glaubt Klaus Theweleit, Kulturwissenschaftler und Autor der legendären Studie Männer-Phantasien. Wenn wir nicht erfahren und lernen, wirklich freundlich mit uns selbst umzugehen, bilde sich nicht nur in Männern eine gewalttätige und rassistische Haltung aus. Der Experte des Selbstfreundlichen sieht daher im geduldigen und einfühlsamen Bemühen um sich selbst, und dann um andere Menschen, die wichtigste Aufgabe in Beziehungen.
19 OT Wilhelm Schmid
Von beiden Seiten kommen die Probleme des Umgangs mit sich selbst: wenn ich mich selbst komplett ignoriere, meine Bedürfnisse ignoriere, dann kann ich nicht mehr für andere da sein, denn ich habe gar nicht die Kraft dafür. Selbstfreundschaft ist dafür da, die Kraft zu gewinnen, für andere da zu sein. Aber der Anfangspunkt liegt bei mir. Selbstfreundschaft ist der Versuch, nicht sich selbst zu unterwerfen. Sondern mit sich selbst so gedeihlich zu leben, wie das in der Freundschaft üblich
ist, und ja wunderbare Resultate zeitigt. Freunde können sehr viel im Leben gemeinsam bestehen.
Erzählerin
Freundschaft beginnt mit mir. Es ist ein langer Weg bis zu dieser Einsicht. Und dann auch zu dieser hier: Freundschaft ist eine Haltung und eine Praxis. Das kann man lernen und üben: freundlich sein. Das kann ein Durchbruch werden in vielen Beziehungen. Denn je freundlicher man ist, desto offener werden Vorbehalte und Widerstände, desto klarer und zugänglicher werden auch schwierige und getrennte Beziehungen.!
AKZENT
Erzählerin
Die schwierigste Einsicht als Praktizierende des Freundlichen lautet: ich bin unsicher. Die längste Zeit seines Lebens hofft man doch: erwachsen werden, das bedeutet immer größer und stärker und damit total selbstsicher werden. Was für eine Enttäuschung! Der Philosoph des Freundlichen empfiehlt Selbstbewusstsein – aber in seiner guten alten Form:
20 OT Wilhelm Schmid
Selbstbewusstsein hat zweierlei Bedeutung. Die erste Bedeutung ist, sich seiner selbst bewusst zu werden. Also ich nehme wahr, ich habe Augen, ich hab‘ ‘ne Nase, ich hab Gedanken, ich habe Gefühle. Und zwar immer schön in der Polarität, ich hab‘ nicht nur gute Gefühle, ich hab auch schlechte Gedanken, ich hab nicht nur ‘ne schöne Nase, ich hab vielleicht auch ‘ne krumme Nase, usw. – bewusst werden, was ist.
Erzählerin
Unsicher sein dürfen - auch das ist eine schwierige und eine gute Nachricht. Der schwierige Teil erwächst aus einer zwanghaft behaupteten Sicherheit, warnt der Verfechter der Selbstfreundschaft:
21 OT Wilhelm Schmid
Leider hat Selbstbewusstsein in den vergangenen Jahrzehnten ‘ne andere Bedeutung angenommen, nämlich ich trumpfe auf mit meinem Selbstbewusstsein. Eine Selbstfreundin weiß, dass es keinen Grund gibt aufzutrumpfen. Und eine Selbstfreundin weiß: Leben ist so wie es ist, und mit dem wie es ist, müssen wir zurechtkommen. Wir können uns nicht ein Leben stricken, wie wir es haben wollen.
Erzählerin
Unsicher sein – so geht es allen, wenn sie ehrlich sind – so geht das Leben, wenn es lebendig ist. Ja, es ist unheimlich, dieses Unsichere. Aber auch unheimlich belebend. Probieren Sie es aus, am besten freundlich.
Am besten mit Ihrem besten Freund oder Ihrer besten Freundin – sich selbst.
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