Carl von Ossietzky war im Hauptberuf kein Theaterkritiker, und sein Text über die Premiere des expressionistischen Kriegsheimkehrer-Dramas Hinkemann von Ernst Toller in Dresden ist auch im eigentlichen Sinne keine Rezension. Der Grund für die Berichterstattung der Berliner Volks-Zeitung vom 25. Januar 1924 und entsprechend auch der Fokus ihres Artikels liegen vielmehr auf den im mehrfachen Sinn des Wortes skandalösen Umständen, unter denen die Aufführung in der sächsischen Hauptstadt über die Bühne ging. Rechte Störer hatten dort einen Skandal inszeniert, die völkische Presse Tollers Stück und die Dresdner Inszenierung anschließend mit übelster antisemitischer Hetzrhetorik skandalisiert und damit eine Absage nachfolgender Vorstellungen wegen Gefährdung der Mitwirkenden provoziert – darin erblickt Ossietzky den wirklichen, politischen Skandal von Dresden! Es liest Frank Riede.
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