In einem kleinen italienischen Dorf nördlich von Bergamo fängt alles an. Von dort stammt die Familie der Tasso, die schon bald hinaus in die Welt strebt und ab 1490 die ersten internationalen Postverbindungen in Europa betreibt. Die ?Thurn und Taxis?, wie sie sich später nennen, legen den Grundstein für das internationale Postwesen. Autor: Martin Schramm
Credits
Autor dieser Folge: Martin Schramm
Regie: Christiane Klenz
Es sprachen: Andreas Neumann, Rahel Comtesse, Jerzy May
Technik: Wolfgang Lösch
Redaktion: Andrea Bräu
Im Interview:
Dr. Martin Dallmeier. Historiker, ehemaliger Direktor des Regensburger Thurn & Taxis-Archivs;
Dr. Peter Styra, Historiker, Leiter des Fürst Thurn und Taxis Zentralarchivs
Literaturtipp:
Eine fundierte, sehr umfangreiche wissenschaftliche Darstellung der Thematik mit vielen Quellen und Illustrationen:
Behringer, Wolfgang: „Thurn und Taxis. Die Geschichte ihrer Post und ihrer Unternehmen.“ München/Zürich 1990.
Linktipp:
Eine virtuelle Ausstellung der Museumsstiftung Post und Telekommunikation:
Franz von Taxis und die Erfindung der Post | Museum für Kommunikation Nürnberg
EXTERNER LINK | https://www.mfk-nuernberg.de/erfindung-der-post
Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de.
RadioWissen finden Sie auch in der ARD Audiothek:
ARD Audiothek | RadioWissen
JETZT ENTDECKEN
Das vollständige Manuskript gibt es HIER.
Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:
MUSIK 1 (96239280101 Eric Terwillliger: Improviation über Till Eulenspiegel für Horn solo 0‘10)
MUSIK 2 (M0010633020 Marc Marder: Innocent Games 0‘37)
ZITATOR (Q: Johann Jacob Moser, 1742, S.262)
„Es bleibet also das formliche Postwesen allerdings eine Taxische Erfindung, welche gantz erstaunliche Folgen nach sich gezogen und die Welt in manchen Sachen fast in einen andern Model gegossen hat […] und ist es zwar jetzso so leicht nachzumachen wie die Schiffahrt dem Columbo; wer weiß aber, ob die Welt nicht noch eben so lang als zuvor würde gestanden seyn, ohne von den Posten oder America etwa zu erfahren, wenn kein Taxis und kein Columbus gekommen wäre?“
SPRECHER
Columbus, der Entdecker der neuen Welt -
SPRECHERIN
Familie Taxis, die Begründer der modernen Post.
SPRECHER
Zumindest Johann Jacob Moser, immerhin der führende Reichspublizist des 18. Jahrhunderts, stellt beide für ihre Verdienste auf eine Stufe.
SPRECHERIN
Fest steht aber auch: Nicht nur die Welt hat von der Post profitiert. Auch die Familie „Thurn und Taxis“. Das Schicksal der „Thurn und Taxis“ ist untrennbar verbunden mit dem Aufbau eines völlig neuen Kommunikationsnetzes, um Botschaften von A nach B zu bringen.
MUSIK 3 (96239280101 Eric Terwilliger: Improviation über Till Eulenspiegel für Horn solo 0‘10)
ZITATOR
Die „Initialzündung“ - oder: Von Stafetten und Felleisen
MUSIK 4 (Fantasia XI für Laute 0‘38)
SPRECHER
Angefangen hat alles in einem kleinen italienischen Dorf - in Cornello, nördlich von Bergamo. Ein Dorf so klein, dass man es selbst heute noch nicht mit dem Auto erreicht.
SPRECHERIN
Aus diesem kleinen Nest stammt die Familie Tasso, die sich bereits im 12. Jahrhundert auf den Kurierbereich spezialisiert hat - und schon bald hinaus in die Welt strebt.
SPRECHER
Die Tasso dienen u.a. der Republik Venedig als verlässliche Boten in politischen Missionen.
SPRECHERIN
Um 1490 - in einer Zeit voller Umbrüche – legen die Tasso schließlich die Basis für ein Familienunternehmen, das in der obersten Liga mitspielen wird: Für das spätere „Imperium“ der „Thurn und Taxis“. Peter Styra, Leiter des Fürst Thurn und Taxis Zentralarchivs in Regensburg:
01-O-TON Styra
„Es ist also kurz vor 1500. Wir sind in der Zeit kurz vor der Reformation. Wir sind in der Zeit ja, der Buchdruck ist gerade erfunden. Das heißt also auch die Bildung stellt sich auf neue Beine. Wir sind in der Zeit der deutschen ersten Hochfinanz, mit den Fuggern und Welsern - also eine Zeit, in der sehr, sehr viel passiert. Also, die Renaissance bricht an. Es ist eine völlig neue Konzeption in ganz Europa. Es ist eine komplette Umstellung. Das einzige, was tatsächlich noch fehlt, ist eine gut funktionierende, und möglichst schnelle und zuverlässige Kommunikationseinrichtung.“
SPRECHERIN
Vor allem für die Mächtigen der Zeit ist die von zentraler Bedeutung. Z.B. für König Maximilian I. - dem späteren Kaiser Maximilian.
SPRECHER
Der hatte ein aufkommendes Weltreich zu regieren - u.a. mit dem im Nordwesten etwas abgelegenen Burgund. Von seiner Residenzstadt aus in Innsbruck war das aber gar nicht so einfach zu bewerkstelligen. Der Kaiser brauchte daher dringend eine schnelle, verlässliche Post:
02-O-TON Styra
„Da müssen Reichsteile verbunden werden, und der Kaiser möchte immer informiert werden, egal, wo er ist, ob er jetzt gerade in Spanien ist oder in Frankreich ist oder in England ist oder Italien ist oder in Innsbruck zu Hause. Er braucht Boten, als er braucht Informationen - und er holt sich tatsächlich diesen Francesco Tasso an seinen Hof nach Innsbruck und gibt ihm den Auftrag, praktisch im im Jahr als sozusagen ja fast zum Beamtenverhältnis, die Kaiserlichen Depesche von A nach B zu transportieren.“
MUSIK 5 (M0027373105 Gerd Baumann: Coyage à trois 0‘41)
SPRECHERIN
Die Familie Taxis macht sich an die Arbeit – allen voran Franz von Tasso – und begründet die „moderne Post“.
SPRECHER
Wie so oft in der Geschichte fangen aber auch die Tasso nicht bei Null an. Sie profitieren von dem, was andere bereits geleistet haben.
SPRECHERIN
Z.B. vom „Stafettensystem“. Das haben bereits die alten Römer entwickelt.
SPRECHER
Statt einen einzigen Boten für eine Strecke tagelang reiten zu lassen, ist „Teamwork“ angesagt: Die Boten übergeben ihre Ledertaschen, die sogenannten „Felleisen“ - nach dem französischen Wort Valise für Koffer –jeweils nahtlos an den nächsten Boten. Vorgewarnt durch ein Hornsignal, kann sich der bereithalten.
ATMO POSTHORN
SPRECHERIN
Die Post wechselt so rund alle 30 km, später sogar alle 15 km, zum nächsten Reiter mit frischem Pferd, und kommt ohne Unterbrechung viel schneller ans Ziel.
SPRECHER
Die dafür eingerichteten Wechselstationen hießen "Posta". Genau daraus leitet sich auch unser heutiges Wort "Post" ab.
MUSIK 6 (M0010633020 Marc Marder: Innocent Games 1‘06)
SPRECHERIN
Franceso Tasso perfektioniert dieses System - und schafft es 1490 tatsächlich erstmals, eine Depesche von Innsbruck nach Brüssel zu transportieren, in fünfeinhalb Tagen, wie von Maximilian gefordert.
SPRECHER
Es ist die „Geburtsstunde“, die „Initialzündung“ für die internationale Post.
SPRECHERIN
In der Folge gelingt es den Tasso durch eine ganze Reihe von Verträgen, ihr Unternehmen immer weiter auszubauen. Sie arbeiten ab 1501 für die Krone Spaniens und verlegen dazu ihre – heute würde man sagen „Firmenzentrale“ - von Innsbruck nach Brüssel, der Hauptstadt der damals spanischen Niederlande.
SPRECHER
Dort macht Francesco Tasso, - der sich schon bald „Franz von Taxis“ nennt - 1505 dann einen entscheidenden Schritt: Er schließt einen außergewöhnlichen Vertrag mit König Philipp I. von Spanien.
SPRECHERIN
Einen gleichberechtigten Vertrag zwischen einem Staat und einem „freien Unternehmer“. Damals ein Novum.
SPRECHER
Mit diesem Vertrag beginnt der Siegeszug der Taxis. Denn Franz von Taxis wird dadurch nicht nur finanziell solide ausgestattet, er erhält auch ungeahnte hoheitliche Rechte, die ihm ermöglichen, den Postdienst weitgehend unabhängig vom Staat zu organisieren: u.a. das Recht, die Postbediensteten aufgrund von Verfehlungen gegen Weisungen des Oberpostmeisters zu bestrafen. Außerdem „das Recht, jeden, der die Postbeförderung behindert oder die Unterstützung verweigert, zur Duldung bzw. Zusammenarbeit zu zwingen.“ usw.
SPRECHERIN
Diese rechtliche Sonderstellung sollte den Taxis im Postbereich bis ins 19. Jahrhundert erhalten bleiben.
SPRECHER
Und 1615 werden die Verdienste der Familie Taxis schließlich belohnt, indem das Amt des kaiserlichen Generalpostmeisters zum erblichen Lehen erhoben wird – und zwar als „Mannlehen“ wie auch als „Weiberlehen“, wie das damals hieß. Auch Frauen konnten so also das Postunternehmen führen.
SPRECHERIN
Die Taxis sitzen dadurch sicher im Sattel, niemand kann sie mehr verdrängen. Die Nachfolge durch die Generationen ist gesichert: Sie haben ein verbrieftes Monopol errungen.
SPRECHER
Mitte des 17. Jahrhunderts wollte man dann auch den Namen der Familie optimieren, hin zu einem Namen mit mehr „Glamour“, einem Namen, der klangvoll genug wäre, um damit in den Hochadel aufsteigen zu können.
SPRECHERIN
Denn die „Taxis“ galten eher als kleines Rittergeschlecht, das in den Kaufmannsstand gewechselt war. Ohne das wirklich beweisen zu können, behauptete man nun einfach, die Taxis würden vom italienischen Adelsgeschlecht „della Torre“, abstammen. - Der Kaiser genehmigte die Änderung und so entstand der klangvolle Name „Thurn und Taxis“.
MUSIK 7 (96239280101 Eric Terwillliger: Improviation über Till Eulenspiegel für Horn solo 0‘10)
ZITATOR
Eine Familie setzt sich durch – oder: Von Netzwerken und Goldgruben
SPRECHER
Nicht alle erkennen die „Monopolstellung“ der Thurn und Taxis’schen Post an – auch wenn der Kaiser sie „verbrieft“ hat.
SPRECHERIN
Es gibt jede Menge Konkurrenten: Unzählige Fürsten- und Herzogtümer, Reichsstände, Städte und Kaufmannschaften im Deutschen Reich wollen ebenfalls mitverdienen - und gründen ihre eigenen Landesposten, um der Reichspost der Thurn und Taxis Konkurrenz zu machen.
SPRECHER
Die Zünfte beauftragen beispielsweise gerne ihre fahrenden Gesellen.
SPRECHERIN
Im süddeutschen Raum haben u.a. die Metzger ein ausgeklügeltes Postsystem entwickelt. Die so genannte „Metzgerspost.“
SPRECHER
Um Vieh zu kaufen, ziehen die ohnehin übers Land, haben Wagen und Pferde. Also gibt man ihnen gerne mal die Post mit.
MUSIK 8 (Z8036173101 Gerd Baumann & Gregor Hübner: Octavio 0‘51)
SPRECHERIN
Doch letztlich war so eine „Metzgerspost“ von eher lokaler Bedeutung. Die Strecke Innsbruck-Brüssel oder Innsbruck-Rom konnten sie nicht bedienen.
SPRECHER
Und selbst die professionelle Boten-Konkurrenz hatte es letztlich schwer, dem internationalen Netzwerk der Thurn und Taxis etwas entgegenzusetzen. Vor allem, als ihnen der Kaiser um 1600 untersagte, eigenständige Wechselstationen, sprich Poststationen, einzurichten. Ohne diese Stationen waren sie nicht konkurrenzfähig.
SPRECHERIN
Auch Länder wie Bayern wollten den Profit aus der Post lieber selbst einstreichen, als ihn den Thurn und Taxis zu überlassen. - Martin Dallmeier - ehemaliger Direktor des Regensburger Thurn & Taxis-Archivs:
03-O-TON Dallmeier
„Dass Private hier ein große Einkommen anhäufen durch diesen Nachrichtenverkehr. Das war vielen Staaten schon natürlich ein Dorn im Auge. Bayern hat zum Beispiel 1697 versucht, eigene Post einzurichten unter Max Emanuel von Bayern - ist daran gescheitert.“
SPRECHER
Die Bayern hatten dem international agierenden Monopolisten „Thurn und Taxis“ letztlich nichts entgegenzusetzen - , mit seinen unzähligen Poststationen und Verträgen - selbst mit den kleinsten Stadtstaaten z.B. in Italien - wie Venedig, Genua und Florenz.
SPRECHERIN
Die Thurn und Taxis überließen dabei nichts dem Zufall. Einer der Schlüssel zu Ihrem Erfolg: Es waren Mitglieder aus dem eigenen „Familienclan“, die an entscheidenden Positionen des Unternehmens saßen.
SPRECHER
Und es entstand ein loyales Netzwerk – mit – heute würde man sagen „Franchisenehmern“ - um die stolze Zahl von über 2500 Poststationen überhaupt betreiben zu können. - Der Historiker Peter Styra:
04-O-TON Styra
„Das Postnetz aufzubauen bedeutete, durchs Land zu reiten, sich Gasthäuser zu suchen, Wechselstation zu suchen. Die dortigen Besitzer möglichst eng zu verpflichten und am Gewinn zu beteiligen. Und dieses System funktioniert von 1500 bis 1867. Wichtig ist, dass man seine Leute bei der Stange hält. Natürlich gab es da haufenweise Ärger. Was man aber damals schon gesehen hat, dass über Generationen hinweg das oftmals die gleichen Familien gewesen sind. Also Generationen von Familien, die dieses Amt in ihrer Poststation an die Söhne und Enkel weitergeben, also ein relativ verlässliches Netz.“
SPRECHER
Die Thurn und Taxis taten also etwas für ihre Leute: sie bekamen Anerkennung und wurden gut bezahlt, ja konnten reich werden durch ihre Arbeit.
SPRECHERIN
Wurden aber auch nach strengen Kriterien ausgewählt – und wenn nötig überwacht:
05-O-TON Styra
„Wir haben Visitationsberichte in der bayrischen Post, wo also genau untersucht wurde: Wie ist das Wirtshaus beieinander? Wie sind die Pferde? Ist es dort sauber. Kann man dort übernachten, wie ist das Essen, also alles wird genau wie in einer Liste aufgeführt. Wieviel Kinder hat er? Da steht alles drin. Also was für eine soziale Kompetenz bringt er damit. Ist er mit seiner Frau gut oder ist Witwer oder ist sie allein? Wird genau untersucht. Also, man sucht versucht immer das Personal auch natürlich abzuchecken. Ob sie sowohl körperlich als auch geistig wie auch immer, ob sie in der Lage sind, das zu machen.“
SPRECHERIN
Doch gutes Personal bekam eben nur, wer seine Leute auch gut behandelt - und letztlich auch überdurchschnittlich gut bezahlt hat.
SPRECHER
Was die Frage aufwirft: Wie genau haben nun eigentlich die Thurn und Taxis selbst ihr Geld verdient?
MUSIK 9 (M0027373106 Gerd Baumann: Rifiuto 0‘45)
SPRECHERIN
Bereits kurz nach der Geburt des Unternehmens zeichnete sich ab, dass es um die Zahlungsmoral der Mächtigen dieser Zeit nicht zum Besten bestellt war. Manche sind notorisch pleite, andere zahlen, wenn überhaupt, erst mit reichlich Verspätung.
SPRECHER
Um die Ausgaben zu decken, das kostspielige Zustellungssystem aber auch zu expandieren, waren also neue, verlässliche Einnahmequellen gefragt.
SPRECHERIN
Die Zukunft lag daher in der Masse. Statt nur amtlich-kaiserliche Korrespondenz zu transportieren, öffneten die Postmeister bereits 1506 ihre Pforten für private Kunden: Jeder, der zahlen konnte, war willkommen. Vor allem durch diese Einnahmen entwickelt sich das teure Postnetz zu einer wahren Goldgrube. Die Thurn und Taxis blieben den Mächtigen so einerseits verbunden – zugleich aber auch freie Unternehmer.
SPRECHER
Egal ob Briefe, Päckchen, Pakete oder Geldkassetten. Transportiert wird alles. Schon bald auch Personen.
SPRECHERIN
Möglich wird das durch ein weiteres Novum: die Postkutsche. Sie macht es möglich, nicht nur Massensendungen und sperrige Güter von A nach B zu bewegen - sondern auch Reisende.
MUSIK 10 (R0026990W02 Mozart: Divertimento für Streicher D-Dur, Capella Istropolitana (007) 3.Satz: Presto 0’57)
SPRECHER
Auch prominente Zeitgenossen wie beispielsweise Wolfgang Amadeus Mozart. In einem Brief an seinen Vater schildert er 1780 eindrücklich, dass so eine Fahrt mit der Postkutsche offenbar alles andere als ein Luxusreise war:
ZITATOR W.A. Mozart (Q: Brief 8.11.1780)
„Ich versichere Sie, daß keinem von uns möglich war nur eine Minute die Nacht durch zu schlaffen – dieser Wagen stößt einem doch die Seele heraus! – und die Sitze! – hart wie Stein! – von Wasserburg aus glaubte ich in der that meinen Hintern nicht ganz nach München bringen zu können! – er war ganz schwielig – und vermuthlich feuer Roth – zwey ganze Posten fuhr ich die Hände auf dem Polster gestützt, und den Hintern in lüften haltend – – – doch genug davon, das ist nun schon vorbey! – aber zur Regel wird es mir seyn, lieber zu fus zu gehen, als in einem Postwagen zu fahren.“
SPRECHER
Zufriedene Kundschaft klingt anders. - Dabei ging es damals nicht nur um Komfort. Um auf Dauer Erfolg zu haben, war eine weitere Frage zentral: die nach der Sicherheit. Für die Fahrgäste, das geladene Gut – aber natürlich auch für das Personal selbst.
SPRECHERIN
Wirklich aktenkundig und dokumentiert sind erstaunlich wenige Überfälle auf die Post. Peter Styra:
06-O-TON Styra - Überfälle
„Grundsätzlich kann man sagen ich glaube, es war gefährlicher, einen betrunkenen Postkutschenfahrer zu haben als einen Räuber, der am Straßenrand steht. Das war gefährlicher. Aber natürlich gab es natürlich solche Vorfälle, es gab Überfälle auf die Kutsche, aber die sind sehr selten. Überliefert sind einzelne Fälle in jedem Jahrhundert, vor allen Dingen in Kriegszeiten. Also solche Großkatastrophen wie der dreißigjährige Krieg waren auch für die Post, für die Reichspost, natürlich gefährlich, weil da ist ja alles losgelassen, da haben dann seien es die schwedischen oder die bayerischen oder die sonstwas-Soldaten, die haben sich einen Spaß daraus gemacht. Da gab es ja eben kein Halten mehr. Es gab ja auch nicht das verbindende Reichsglied mehr den Kaiser. Das hat sich ja derzeit aufgelöst.“
MUSIK 11 (M0055275105 Gerd Baumann: Verschellt 0’46)
SPRECHER
Doch nicht nur durch Überfälle war die Post bedroht - auch durch Spionage alle Art.
SPRECHERIN
Das Postgeheimnis galt zwar schon damals prinzipiell als schützenswertes Gut. Speziell im Zeitalter des Absolutismus stand das Interesse des Staats aber deutlich über dem Briefgeheimnis.
SPRECHER
Weil gerade die Reichspost unter den Thurn und Taxis letztlich vom Kaiserhaus abhängig war, zögerte man dort auch nicht, sich durch „Spionagedienste“ erkenntlich zu zeigen.
SPRECHERIN
Sprich: Briefe auf direkte Weisung gezielt zu öffnen, also das Siegel zu brechen, die Briefe dann oft auch abzuschreiben - und den Kaiser auf Stand zu halten. Eine Praxis, die europaweit üblich war.
SPRECHER
Dem Ruf und dem Erfolg des Unternehmens Thurn und Taxis scheint das letztlich aber nicht geschadet zu haben. Noch im 19. Jahrhundert äußert sich ein gewisser Geheimrat Johann Wolfgang von Goethe anerkennend über die „durchgreifende Schnelligkeit der Taxis'schen Posten“ - und auch über „die Sicherheit des Siegels.“
MUSIK 12 (96239280101 Eric Terwillliger: Improviation über Till Eulenspiegel für Horn solo 0‘10)
ZITATOR
Steter Aufstieg - oder: Reichtum, Macht und starke Frauen
SPRECHERIN
Vor allem im 17. Jahrhundert geht es mit den Thurn und Taxis steil nach oben: 1608 erfolgt die Erhebung in den „Reichsfreiherrenstand“, 1624 in den erblichen „Reichsgrafenstand“ und 1695 schließlich unter Kaiser Leopold I. in den „Reichsfürstenstand“. Und seit Mitte des 18. Jahrhunderts ist ein Thurn und Taxis schließlich Stellvertreter des Kaisers im immerwährenden Reichstag in Regensburg.
SPRECHER
Ohne die sprudelnden Gewinne aus der Post, also den wirtschaftlichen Erfolg der Familie wäre das undenkbar. Im 18. Jahrhundert verdienen die Thurn und Taxis Jahr für Jahr Millionenbeträge, gehören zur wirtschaftliche Elite Europas.
SPRECHERIN
Adelig zu sein, musste man sich eben auch leisten können. Wer Mitglied im Club sein wollte, musste sich nach den „Spielregeln“ dieses Clubs richten. Gefragt war „standesgemäße“ Lebenshaltung, Prunk- und Prachtentfaltung.
07-O-TON Styra
„Gesellschaftlich gesehen haben die Taxis immer beides betrieben. Sie haben mit ihrem jeweiligen Stand auch ihr Postunternehmer natürlich befördern können. Wenn ich vom Grafen zum Fürstenstand aufsteige, dann kann ich mit ganz anderen Menschen verhandeln als als Graf. Wenn ich ein Reichsfürst bin, kann ich mit dem König verhandeln. Wobei das haben die Taxis vorher auch schon gemacht, weil sie halt selbstbewusst waren. Aber grundsätzlich mit jeder Adels-Erhebung steige ich auf und hebe Standesschranken auf und kann weiter nach oben und kann das auch für mein Unternehmen nutzen. Insofern bedingt eins das andere. Sie haben beides füreinander benutzt und genutzt.“
MUSIK 13 (M0055275105 Gerd Baumann: Verschellt 0’38)
SPRECHER
Die Mission der „Post-Fürsten“ war klar: Es galt, das Imperium gegen alle möglichen Widerstände und Bedrohungen zu sichern. Die Post vor allem als Privatunternehmen zu erhalten – während im übrigen Europa verstaatlicht wurde. Das ging nur im Zusammenspiel mit den Mächtigen.
SPRECHERIN
Diese Mächtigen bei Laune zu halten, sich mit ihnen zu vernetzen und gut zu stellen, Töchter zu verheiraten usw., war also essentiell. Gefragt waren Diplomatie und beständiges Verhandeln.
SPRECHER
In der Familiengeschichte der „Thurn und Taxis“ ist das auch immer wieder die Stunde starker Frauen. Alexandrine von Taxis beispielsweise führt das Unternehmen durch die Wirren des 30-jährigen Krieges.
SPRECHERIN
Und Fürstin Therese richtet beim Wiener Kongress 1814 einen eigenen Salon ein, um Politik für das Haus „Thurn und Taxis“ zu machen. Peter Styra:
08-O-TON Styra
„Ihr Mann hat ihr das als Gesandte übertragen. Sie war hübsch, sie war intelligent. Sie war verwandt mit dem russischen Zaren, mit dem bayerischen König, mit dem Preußischen König. Sie war mit allen verwandt, musste in Sachen Taxis verhandeln, und sie durfte auf dem Wiener Kongresse, als Frau nicht teilnehmen. Aber sie hat eben die sogenannte Salon-Politik betrieben, die ja in Frankreich ganz groß gewesen ist. Und die hatten einen ganz genauen Plan. Da gibt es genaue Anweisungen ihres Ehemannes, mit wem sie über was verhandelt, was sie wem auch sagen darf und wie weit sie gehen können und wo sie vorsichtig sein muss. Also genaue Instruktionen, das war ein perfektes Team.“
MUSIK 14 (M0010633046 Marc Marder: Premonition 2 0‘47)
SPRECHERIN
Dennoch - die Kaiserlichen Reichspost steht 1806 vor dem Aus.
SPRECHER
In gewisser Weise hat die „Reichspost“ aber das „Reich“ sogar überlebt: Die Thurn und Taxis Post versorgt nämlich noch weitere sechs Jahrzehnte einen großen Teil Deutschlands - als Privatunternehmen versteht sich.
SPRECHERIN
Endgültig abgefahren ist die Post für die Familie dann 1867. Sie muss sämtliche Postrechte an den preußischen Staat abtreten. Die deutsche Reichspost übernimmt.
SPRECHER
Nach über 500 Jahren geht damit eine Ära zu Ende. Das Post-Unternehmen Thurn und Taxis ist Geschichte. Ein Unikum weltweit.
SPRECHERIN
Doch natürlich ist das nicht das Ende der „Thurn und Taxis“. Sie stellen sich neu auf. Investieren ihre Gewinne aus dem Postgeschäft und auch die Entschädigungen und Abfindungen für ihre Postrechte in neue Geschäftsmodelle. Kaufen Bergwerke, Zuckerfabriken oder Brauereien - und werden zum bis heute wohl größten privaten Waldbesitzer Deutschlands.
MUSIK 15 (M0010633020 Marc Marder: Innocent Games 0‘57)
SPRECHER
Angefangen hat also alles mit den revolutionären Ideen eines Franz von Tasso – in einem kleinen Nest in Norditalien. Daraus wird der größte Dienstleitungsbetrieb der frühen Neuzeit. Geführt von einer Unternehmerfamilie und deren Familienoberhäupter.
SPRECHERIN
Von Wirtschaftshistorikern werden die zwar später gerne mal als „Häuptlinge ganzer Clans verwandter Kapitalisten“ verspottet - doch das Unternehmen ist erfolgreich, kann sich durch die Jahrhunderte behaupten - und wird zum Vorbild für viele andere Postorganisationen weltweit.
SPRECHER
Francesco Tasso hat es übrigens sogar im 19. Jahrhundert noch nach New York geschafft – auf eine Gedenktafel an einem Postgebäude - offenbar hat er sogar die Post dort noch inspiriert.
MUSIKENDE
Create your
podcast in
minutes
It is Free