"Der Hype um die RAF ist immer auch medial vermittelt gewesen", sagt die Historikerin und Terrorismusforscherin Petra Terhoeven in dieser neuen Folge unseres Übermedien-Podcasts "Holger ruft an …". Und tatsächlich bestimmt die 1988 offiziell aufgelöste Terrorgruppe derzeit wieder einmal die Schlagzeilen. Anlass ist die Verhaftung von Daniela Klette. Sie wird zur sogenannten dritten Generation der RAF gezählt und war zusammen mit Burkhard Garweg und Ernst-Volker Staub seit mehr als 30 Jahren untergetaucht. Die Gruppe wird von den Behörden für zahlreiche bewaffnete und brutale Überfälle auf Supermärkte und Geldtransporter verantwortlich gemacht. Am 26. Februar war Klette nun in ihrer Berliner Wohnung festgenommen worden.
Seitdem vergeht fast kein Tag ohne Push-Meldung und vermeintliche Neuigkeiten. Der Tagesspiegel ließ es sich etwa nicht nehmen, in einem Text Klettes Mobiliar vorzustellen. "Bettgestell aus Kiefer, Tische, Schränke": Die Wohnung sei insgesamt "unspektakulär" eingerichtet gewesen, zitiert die Zeitung dazu einen "Kenner". Zudem "nicht übermäßig geputzt, aber okay". Forscherin Terhoeven mahnt hingegen zu mehr medialer Zurückhaltung, vor allem wenn der Erkenntnisgewinn wie derzeit noch sehr gering sei. "Medien springen zu leicht über die Stöckchen der Behörden", sagt Terhoeven.
Besonders wichtig in der Berichterstattung über die RAF sei zudem, die Täter nicht zu heroisieren, sowie die Taten nicht zu banalisieren und die Opferperspektive ausreichend zu berücksichtigen. Wie Terhoeven vor diesem Hintergrund Schlagworte wie "Rentner-RAF" beurteilt und wie sie die aktuell wieder sehr gefragte Expertise von Journalist und Buchautor Stefan Aust ("Der Baader-Meinhof-Komplex") einordnet, erläutert sie im Gespräch mit Holger Klein.
Petra Terhoeven ist Professorin für europäische Kultur- und Zeitgeschichte an der Uni Göttingen. Längere Forschungsaufenthalte führten sie nach Oxford und Rom. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit ist die Geschichte von Faschismus und Terrorismus im 20. Jahrhundert, insbesondere der Linksterrorismus und seine politischen und gesellschaftlichen Folgen in der Bundesrepublik und Italien. Derzeit forscht sie zum Umgang der europäischen Gesellschaften mit den Betroffenen terroristischer Gewalt seit den 1970er Jahren. Zum 1. Oktober 2024 übernimmt sie die Leitung des Deutschen Historischen Instituts in Rom.
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