Surf-Rock ist Musik, die so klingt wie die Wellen des Ozeans. Rau, kraftvoll und verspielt. Sie begeistert seit den 60er Jahren Musikfans rund um die Welt. Autor: Christian Schaaf (BR 2021)
Credits
Autor dieser Folge: Christian Schaaf
Regie: Sabine Kienhöfer
Es sprachen: Andreas Neumann, Katja Bürkle, Johannes Hitzelberger
Technik: Daniela Röder
Redaktion: Andrea Bräu, Susanne Poelchau
Im Interview:
Michael Koltan, Archivar; Martin Schmidt, Musikjournalist
Und noch eine besondere Empfehlung der Redaktion:
50 States - Der Amerika-Podcast mit Dirk Rohrbach
Auf der schönsten Küstenstraße der Welt durch Washington, Oregon und Kalifornien: Dirk Rohrbach fährt mit dem Gravelbike einmal die komplette Westküste runter, 3000 Kilometer auf Amerikas Traumstraße am Pazifik. Von der Grenze zu Kanada im Norden bis zur mexikanischen Grenze südlich von San Diego. Dabei trifft er Häuptlinge, Müllkünstlerinnen, Austernzüchter, Seetangsammlerinnen, Chicanos und natürlich Surfer.
ZUM PODCAST
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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.
Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:
Einspielung: Musik: Dick Dale. Misirlou 1‘00
Sprecher:
Es beginnt wie ein Knall. Die Gitarre drischt sich überschlagende Tonfolgen in den Raum, steigert den Schalldruck bis fast ins Unerträgliche. Dann bricht die Klangwelle in einer Gischt aus verwehtem Echo und flirrenden Klängen bis der Sog der nächsten Welle einsetzt.
Sprecherin:
Der Gitarrist Dick Dale beschreibt hier 1962 mit seiner Band the Del-Tones eindrücklich die rohe Gewalt der Natur und des Ozeans. Eigentlich ist der Song Misirlou eine Neuinterpretation eines alten griechischen Volksliedes. Doch der Sound, den der Linkshänder Dale aus seiner E-Gitarre holt, ist neu. Und er trifft damit einen Nerv seiner Generation.
Einspielung: Musik: Dick Dale. Misirlou
Musik: The Pyramids. Penetration 1‘10
Sprecher:
Surfmusik ist Anfang der 1960er Jahre der Soundtrack einer Teenagerbewegung in Südkalifornien. Deren Ideal ist ein sorgloses Leben am Strand mit Surfbrett, Strohhut und Hawaii-Hemd. Gedanken um Geld, Beruf und Zukunft existieren nicht. Der Blick geht nach Vorn. Zum Horizont. Auf der Suche nach der perfekten Welle.
Sprecherin:
Aufbruch und Neuanfang liegen in der Luft. Die Zeit der großen Krisen scheint nach den beiden Weltkriegen und dem Korea-Krieg vorbei zu sein. Wissenschaft und Technik weisen den Weg nach vorne. Und der eben gewählte junge US-Präsident John F. Kennedy will, dass nicht einmal mehr der Himmel die Grenze der Möglichkeiten ist: Die USA sollen schon ihn zehn Jahren zum Mond fliegen.
Sprecher:
Teenager zu sein in diesen Jahren bedeutet: take it easy. Zeit, sich auszuprobieren. Und an der Küste Südkaliforniens ist Wellenreiten die Garantie für Abenteuer, Sport und Spaß.
(Musik weg)
Geräusch: Lautes Wellen-Rauschen 1‘20
Sprecherin:
Der Surfsport ist über tausend Jahre alt. Seine Ursprünge liegen wohl in Polynesien und auf Hawaii. Hier war es lange Zeit üblich, dass Frauen, Kinder und Männer, nackt auf einem Holzbrett stehend, die Wellendünung hinunterglitten.
Sogar der hawaiianische König Kamehameha soll diesen Sport betrieben haben.
Der erste Europäer, der davon berichtet, ist 1778 der Leutnant James King, der zusammen mit dem Entdecker James Cook auf die Insel gekommen war. Als er einen Wellenreiter vor Hawaii beobachtet, schreibt er fast schon neidisch in sein Tagebuch:
Zitator:
„Ich konnte daraus nur schließen, dass dieser Mensch höchsten Genuss dabei empfand, so schnell und sanft vom Meer vorangetrieben zu werden.“
Sprecher:
Das wirklich überraschende für den Europäer ist dabei offenbar, dass die Einheimischen das Surfen nur zum Spaß betreiben. Denn das Wellenreiten dient erkennbar nicht der Jagd auf Fische. Auch werden durch das Surfen keine zum Überleben wichtige Fertigkeiten trainiert.
Sprecherin:
Die europäischen calvinistischen Missionare, die im 19. Jahrhundert nach Hawaii kommen, schieben dem unbeschwerten Wellenreiten einen Riegel vor. Sie erachten diesen Freizeitspaß als frivol und gotteslästerlich. Von nun an müssen die Einwohner des Inselstaats stets Kleidung tragen, hart arbeiten und regelmäßig in die Kirche gehen.
Musik: Makalapua Hawaii-Musik 0‘50
Sprecher:
Trotz- oder vielleicht gerade aufgrund der Einschränkungen verschwindet das Surfen auf Hawaii nicht. Und so kann auch der Reiseschriftsteller Mark Twain um 1866 von den Menschen auf Hawaii berichten, die nur zum Spaß auf Brettern stehen und damit Wellenrücken hinuntergleiten. Er schreibt staunend über die Wellenreiter:
Zitator:
„wie Geschosse kommen sie angezischt“.
Sprecher:
Twain ist derart begeistert, dass er versucht, selbst zu surfen. Doch am Ende seiner Hawaii-Reise muss er resigniert notieren, dass er
Zitator:
„mit ein paar Fässern Wasser im Bauch“
Sprecher:
kläglich gescheitert ist.
Sprecherin:
Als der Schriftsteller Jack London rund vierzig Jahre später, im Jahr 1907, nach Hawaii reist, ist er, wie zuvor Mark Twain, von dem Volkssport des Wellenreitens tief beeindruckt. Ob er selbst ein Surfbrett bestiegen hat, ist leider nicht überliefert. Geradezu ehrfürchtig schreibt London in seinem Reisetagebuch:
Atmo Wellen: 1‘15
Zitator:
„Wo einen Moment zuvor nur grenzenlose Verlassenheit und unerschütterliches Wogengebrüll war, steht nun ein Mensch, aufrecht, in voller Statur, der nicht verzweifelt kämpft in dem reißenden Strom, der nicht begraben und zerstampft und umhergeschleudert wird von diesen mächtigen Monstern, sondern der über ihnen allen steht; ruhig und erhaben schwebt er über dem taumelnden Gipfel, während seine Füße von der strudelnden Gischt umschlossen sind, Salzdampf an seinen Knien emporkriecht, und alles Übrige von ihm in freier Luft und blitzendem Sonnenlicht ist, und er fliegt vorwärts ebenso schnell wie die Woge unter ihm; er ist ein Merkur.“
Sprecher:
Es mag an solchen Schilderungen wie denen des viel gelesenen Jack London liegen, dass sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts auch außerhalb von Hawaii Menschen mit dem Wellenreiten beschäftigen und versuchen, selbst diesen Sport auszuüben.
Sprecherin:
Einen wesentlichen Beitrag zur Verbreitung des Sports leistet der 1890 in Honolulu geborene Duke Kahanamoku (sprich wie geschrieben). 1912 nimmt er als Schwimmer an den Olympischen Spielen in Stockholm teil und gewinnt dort Gold über 100 Meter Freistil, nicht zuletzt wegen seiner neuen Kraultechnik, die er entwickelt hatte, um auf dem Surfbrett gegen die Brandung auf den Ozean hinaus zu paddeln. Dreimal wird er Olympiasieger, reist um die ganze Welt und führt überall, wo es die Wellen und Küsten erlauben, so auch in Australien und Kalifornien, seine Anhänger in das Wellenreiten ein. Kleine Surf-Sport-Klubs entstehen, in denen Surfbretter gebaut und verkauft werden und Interessierte Unterricht nehmen können.
Musik: The Trashmen: Walk don´t run 1‘30
Sprecher:
Ab den 50er Jahren verhelfen Materialen und Techniken aus dem Flugzeugbau dem Sport zu einem großen Fortschritt: Die bis zu drei Meter langen Surfbretter sind nun nicht mehr aus massivem Holz geschnitzt, sondern aus leichterem Balsa-Holz und Fiberglas geformt. Das macht es vor allem Anfängern leichter, auf dem Brett stehen zu bleiben, wenn direkt darunter der Ozean tobt.
Sprecherin:
Das Erlebnis, im Wasser auf einer Welle zu „reiten“, ist an Land nur schwer zu vermitteln. Die echten Surfer sind zunächst ein eingeschworener Zirkel – zu dem aber immer mehr junge Menschen gehören wollen. Ab Ende der 50er Jahre gehen die Verkaufszahlen von Surfbrettern in Kalifornien steil in die Höhe. An den Wochenenden bevölkern tausende Teenager die Pazifik-Strände und werfen sich mutig in die Wellen. Surfen wird In.
Sprecher:
1959 wird Hawaii als 50. Bundesstaat in die USA integriert. Die Nation endet nun nicht mehr am Sunset-Strip in Los Angeles oder an der Golden Gate Bridge in San Francisco. Der Pazifische Ozean und seine Wellen sind von nun an Bestandteil der Vereinigten Staaten. Das Meer ist nicht mehr die Grenze – sondern ein Teil der unbegrenzten Möglichkeiten.
Musik: The Belairs: Mr. Moto 1‘00
Sprecher:
Anfang der 60er Jahre gehört in Südkalifornien das Surfen zum Life-Style der Jugendlichen. Bands wie die the Belairs liefern den Sound dazu.
Sprecherin:
Das Instrumentalstück „Mr. Moto“ von the Belairs gilt als die erste Surf-Aufnahme überhaupt. Die Single erscheint 1961. Die Band besteht aus fünf Teenagern, die auf High-School-Tanzparties spielten und Rock-n-Roll-Songs coverten. Bis auf die Tatsache, dass sie die erste Surf Single aufnahmen, ist tatsächlich wenig über The Belairs zu berichten. Sie wollten weder rebellisch sein, noch ein neues Genre begründen. Sie wollten in erster Linie die Melodien in ihren Köpfen in tanzbare Musik umsetzen.
Typisch für ihre Zeit, findet der Archivar und Surf-Musik-Spezialist Thomas Koltan aus Freiburg.
Einspielung:
Koltan 1: „Eigentlich ist das eine sehr optimistische Musik. Eine Aufbruchsmusik. Zumindest die erste Welle, die Anfang der 60er Jahre entstanden ist. Man muss sich vorstellen, das war damals die Zeit als mit John F. Kennedy ein jugendlicher Präsident – das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen – die Regierungsgeschäfte führte. Das war einfach eine Aufbruchsstimmung. Und Surfmusik passte da einfach hervorragend rein, um diesen Aufbruch zu symbolisieren und dieses Lebensgefühl in Musik zu fassen.“
Musik:
The lively ones. Surfrider 0‘27
Sprecherin:
Kurz zuvor, also Ende der 50er Jahre, hatte sich der Sound der Jugend noch rauer und schmutziger und ein Stück rebellischer angehört.
Musik: Chuck Berry. Johnny B. Good 0‘35
Sprecher:
Der Musikjournalist und Gitarrist Martin Schmidt beschäftigt sich schon lange mit der Musik dieser Zeit.
Einspielung: Schmidt 1:
„Der Rock and Roll der 50er Jahre ist noch sehr vom Blues beeinflusst – also man hat dann wirklich noch sehr oft das 12-taktige Blues-Schema. Es ist eigentlich immer mit Gesang. Die Themen sind typische Teenager-Themen. Im Rock and Roll ging es eigentlich immer um Liebe oder um Arbeit, die man nicht machen wollte oder um Unverstandenheit. So ein typisches Teenager-Ding. Bei Surf-Musik ist die Melodik einfach ein bisschen anders. Es ist nicht so Blues- oder Country-bezogen, sondern einfach ein bisschen breiter gefächert, vielleicht auch ein bisschen romantischer, mehr in Moll geschrieben, so würde ich das beschreiben.“
Musik: The Centurians. Bullwinkle Part 2 1‘00
Sprecherin:
Bei der Surfmusik spielt die Gitarre die Hauptrolle, da es in den meisten Surf-Songs keinen Gesang gibt. Der legendäre Radio-DJ Phil Dirt ist eine der wenigen Autoritäten der Surf-Bewegung. Er nennt als drei essenzielle Elemente des Surf-Sounds:
Echo, Glissando, also das Herauf- und Heruntergleiten der Töne und Double-Picking, der Doppelschlag der Gitarristen auf einem Ton.
Auch der Musikjournalist und Musiker Martin Schmidt nennt ein paar eindeutige Merkmale des Surf-Sounds:
Einspielung: Schmidt 2:
„Also wenn man es sehr klischeehaft machen will, dann gibt es da zwei, drei Sachen mit denen man das in sehr kurzer Zeit hinbekommen kann. Da ist einfach erst mal ein ganz typischer Drum-Beat. Umm-Ba-Ba. Umm-Ba-Ba. Umm-Ba-Ba. Der ist auf fast allen Surf-Musik-Songs zu hören. Dann eben der Gitarren-Sound mit viel Hall. Eben recht weit hinten am Steg angeschlagen, dass man eben diesen Twang hinkriegt. Und dann bedient sich Surf-Musik immer so harmonischer Klischees. Also entweder ist das noch so an den Rock´n Roll, an das Blues-Schema angedockt oder man nimmt halt so ein bisschen was von orientalischer oder spanischer Musik. Aber alles sehr amerikanisch gespielt, also nicht wirklich tief in diese Folkloremusik reingegangen.“
Musik: Dick Dale: Hava Nagila 1‘35
Sprecher:
Der Gitarrist Dick Dale, der hier mit seiner Band the Del-Tones zu hören ist, gilt als „the King of Surf-Guitar“. Der 1937 geborene Musiker hat mit seinem halsbrecherisch schnellen und kraftvollen Gitarrenspiel wie kein anderer den Surf-Sound geprägt. Dick Dale ist der Musiker, der das Genre um orientalische Klänge und Flamenco-Rhythmen bereichert. Als einer der wenigen Surf-Musiker gelingt es ihm, einen gut dotierten Plattenvertrag zu ergattern und mit seinen Aufnahmen in den Charts zu landen.
Musik: The Surfaris. Wipe out 0‘45
Sprecherin:
Die kommerziell erfolgreichste Surf-Band werden die The Surfaris – Eine Band aus High-School-Kids, die 1963 mit der Single „Wipe-Out“ die US-Charts bis hinauf auf den zweiten Platz stürmen.
Sprecher:
Ohne Dick Dale und the Surfaris wäre Surf-Musik vermutlich nicht über die Grenzen von Kalifornien hinaus bekannt geworden. Überall auf der Welt, in Europa und Japan, erscheinen nun Surf-Singles in den Charts und inspirieren Musiker. Sogar hinter dem Eisernen Vorhang, in der Pazifik-fernen DDR, beginnen Bands wie das Franke-Echo-Quintett, Surf-Musik-Titel einzuspielen.
Musik: Franke-Echo-Quintett. Melodie für Barbara 0‘25
Atmo Beatleskonzert 0‘15– kreischende Fans –
Musik: The Beatles. I want to hold your hand 1‘00
Sprecherin:
August 1964 – Die Beatles starten ihre USA-Tour in Kalifornien – dem Heimatstaat der Surf-Musik. Von hier aus lassen sie eine Welle der Pop-Begeisterung über das Land rollen. In den US-Charts scheinen die Vier aus Liverpool von nun an ein Abonnement auf die ersten Plätze zu haben.
Amerikanische Pop-Musik muss sich von nun an hintenanstellen – und instrumentale Surfmusik scheint niemanden mehr zu interessieren.
Sprecher:
Das musikalische Erdbeben, das der Musikimport aus Großbritannien in den USA auslöst, wird von einigen Beobachtern als „British Invasion“ bezeichnet und somit mit einer feindlichen Übernahme oder einer Eroberung verglichen.
Sprecherin:
Gleichzeitig hat sich die Welt der Jugendlichen in den USA drastisch verändert. Im November 1963 wird US-Präsident John F. Kennedy erschossen. Der Traum von einer friedlichen Zukunft ist geplatzt. Im Frühjahr 1965 lässt Kennedys Nachfolger Lyndon B. Johnson Vietnam das erste Mal bombardieren. Die fröhliche Aufbruchsstimmung, die noch zu Beginn der 60er Jahre geherrscht hatte, ist damit endgültig verflogen. Die USA sind wieder ein Land im Krieg.
Sprecher:
Surfen und Surfmusik gelten nun als Klischee. Bands wie die Beachboys halten den Kalifornien-Sound zwar weiter am Leben. Doch erfolgreich sind Surf-Songs nur noch, wenn in ihnen, nach Beatles-Vorbild, mehrstimmig gesungen wird.
Musik: Beach-Boys. I get around 0‘35
schon bei „Bands wie die Beach Boys“ einsetzen
Sprecherin:
Aber ist das noch Surf oder schon die kommerzielle Ausschlachtung einer Jugendkultur? Der Surf-Musik-Spezialist Michael Koltan sieht hier eindeutig eine Grenze überschritten.
Einspielung. Koltan 2:
„Die Beachboys haben großartige Musik gemacht. Ich würde sie nicht unbedingt als Surfmusik – im Sinne dieses Aufbruchs der 60er Jahre sehen. Das war was anderes. Und es ist auch im musikalischen Sinn was anderes. Das eine ist harmonischer Akkord-Gesang und das andere ist schnelle Gitarrenmusik, die mit unwahrscheinlichen Drive nach vorne gespielt wird. Aber mit dieser instrumentalen Surf-Musik hat das nichts zu tun.“
Musik: Paul Johnson & the Packards, Mr. Moto 1‘10
Sprecher:
Echte Instrumentale Surf-Musik kommt erst gute 15 Jahre später - zu Beginn der 80er Jahre, wieder an die Oberfläche. Der Gitarrist Paul Johnson, der mit seiner Schülerband the Belairs 1961 den ersten Surf-Song überhaupt eingespielt hatte, nimmt mit einigen Freunden, die sich zur Band the Packards zusammengeschlossen haben, wieder ein paar Surf-Stücke im Studio auf. Über seine Gründe das zu tun, verrät er in einem Interview Folgendes:
Zitator:
Paul Johnson: „Surfmusik und instrumentale Rockmusik generell sind definitiv die instrumentale Grundlage von Rock ´n Roll. Sie waren für 15 Jahre völlig verschwunden – in den späten 60er und dann in den 70er Jahren – weil jeder dachte, Musik müsste wichtiger und beschäftigter und komplizierter und so weiter sein. Und irgendwann beschlossen die Leute, dass es nicht so sein muss. So kam ich auch wieder darauf zurück.“
Sprecherin:
Zu der Zeit, als Johnson mit den Packards den Surf wiederentdeckt und erste, wenn auch bescheidene Erfolge mit seinen Platten hat, erobern gerade die letzten Ausläufer der Punk-Bewegung und die ersten New-Wave Hits die Hitparaden. Instrumental-Musik scheint da auf den ersten Blick wenig hinein zu passen. Doch schon bald klingt Punk, so wie bei der Band Agent Orange aus Kalifornien, auch so:
Musik: Agent Orange. Mr. Moto 0‘40
Sprecher:
Surf-Musik Experten wie Michael Koltan sind sich sicher, Punk und Surf sind musikgeschichtliche Geschwister.
Einspielung: Koltan 3:
„Phil Dirt, der große Surf-Musik-DJ, hat behauptet - und ich glaube er hat recht - dass Surf die erste Punk-Bewegung war. Nicht im Sinne von Aggressivität und No Future. Sondern in dem Sinn, dass Jugendliche einfach komplett ihr eigenes Ding durchziehen. Unbeeindruckt von dem, was sonst als Standard gilt. Das sich selbst eine eigene Jugendbewegung erschaffen – das war Punk dann auch wieder.“
Musik: Dick Dale and the Del-Tones. Misirlou 0‘45
Sprecherin:
Gute 10 Jahre später: Hollywood Regisseur Quentin Tarantino eröffnet 1994 seinen Erfolgsfilm Film Pulp-Fiction mit dem Surf-Klassiker Misirlou von Dick Dale.
Damit macht er ein Millionen-Publikum auf die bis dahin schon wieder vergessene Instrumental-Musik aus den 60er Jahren aufmerksam. Der Film tritt damit die dritte Welle der Surf-Musik-Begeisterung los.
Sprecher:
Mit einem Mal gibt es wieder Surf-Bands, die vor großem Publikum spielen. Darunter sind auch etliche Musiker, wie z.B. Dick Dale, die ihre Laufbahn während der ersten Surf-Musik-Welle, zu Beginn der 60er Jahre, gestartet haben. Aber es gründen sich auch ebenso viele neue Bands, die den Surf-Sound perfektionieren, wie z.B. Messer-Chups aus Russland. Eine hohe Chart-Platzierung gelingt allerdings keiner Surf-Kapelle mehr.
Musik: Messer Chups. Twin Peaks-Twist 0‘25
Sprecherin:
Und heute? Über 25 Jahre nach Pulp Fiction und der letzten großen Surf-Welle? Die Musik wird noch immer gespielt und auf Festivals gefeiert. Wie die deutsche Band The Razor-Blades.
Musik: The Razor-Blades. Punk-Rock Summer 1‘30
Sprecher:
Die Surf-Szene ist vor allem per Internet eng vernetzt. Fast alle Surf-Musiker Europas kennen sich. Idealismus und der Spaß an der Musik stehen eindeutig im Vordergrund – ganz weit vor dem Traum, mit der Musik das große Geld zu machen. Ob Surf-Musik einmal wieder aus diesem gepflegten Biotop, aus seiner Nische herauskommen wird? The Razor-Blade-Musiker und Journalist Martin Schmidt hat da so seine Zweifel:
Schmidt 3:
„Ich würde jetzt mal ohne Garantie die Nische vorhersagen. Aber in der heutigen Zeit ist es ja immer so, dass der Erfolg von Musik gar nicht mehr so von der Musik selber abhängt, sondern von der Art und Weise, wie sie eingesetzt wird. Wenn es jetzt also einen Film gibt, oder ein Videospiel, oder eine Werbung wo Surf-Musik drin vorkommt, dann ist es wahrscheinlich für viele Leute wieder präsent. Und wenn es das nicht gibt dann sind es eher die Leute, die sich für die Musik interessieren. Dann wird´s klein bleiben. Das ist schwer vorhersehbar. Ich hoffe auf einen Film, der das Ganze wieder nach vorne bringt.“
Atmo Wellen: 0‘15
Sprecherin:
Und so schauen Surf-Musik-Begeisterte wie einst die Wellenreiter auf den Horizont – Auf der Suche nach der nächsten, perfekten Welle.
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