Regeln für legale Zuwanderung schaffen
Am Ende ihrer ersten Amtszeit wollte die rot-grüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder im Jahr 2002 noch ein großes Vorhaben durchbringen, nämlich das von ihr lange geplante Zuwanderungsgesetz. Bis dahin gab es Menschen von außerhalb der EU kaum legale Möglichkeiten, in Deutschland Fuß zu fassen – außer über einen Status als Geflüchtete. Die Wirtschaft wiederum klagt damals stark über einen Fachkräftemangel, vor allem im IT-Sektor.
Das neue Zuwanderungsgesetz soll nun qualifizierten ausländischen Fachkräften den Weg nach Deutschland erleichtern und überhaupt Regeln für eine legale Zuwanderung schaffen.
SPD denkt sich verfassungswidrigen Verfahrenstrick aus
Im Bundestag hat Rot-Grün eine Mehrheit, im Bundesrat allerdings nicht. Das entscheidende Bundesland ist Brandenburg. Dort gibt es eine Landesregierung aus SPD und CDU. Der eine Koalitionspartner dafür, der andere dagegen – das läuft normalerweise auf eine Enthaltung hinaus. Damit würde das Gesetz aber scheitern.
Also denkt sich die SPD einen – wie das Verfassungsgericht später feststellen wird – verfassungswidrigen Verfahrenstrick aus. Dieser sorgt im ersten Schritt für erhebliche Unruhe im Bundesrat und im zweiten für eine interessante Diskussion über Schauspielerei und Inszenierungen in der Politik. Zunächst der Bericht vom 22. März 2002.
"Kalkulierte Ausbrüche": Peter Müller philosophiert über Politik als "legitimes Theater"
Tatsächlich: Einer der CDU-Politiker, der Saarländische Ministerpräsident Peter Müller, räumte zwei Tage später ein, dass die zur Schau getragene Empörung seiner Parteifreunde nicht spontan kam, sondern verabredet war. Den Anlass für diese offenen Worte gibt ihm eine Veranstaltung im Saarbrücker Staatstheater. Dort ist er eingeladen, über das Thema Politik und Theater zu reden. Hier die entscheidende Passage aus jener Rede, in der Peter Müller auf die Bundesratsabstimmung Bezug nimmt und erzählt, wie die Union ihren Auftritt vorbereitet hat.
Die neuen Zuwanderungsregeln waren auch im Bundestagswahlkampf nochmal ein großes Wahlkampfthema, doch entgegen der Hoffnung der Union wurde die Schröder-Regierung dafür nicht abgestraft, sondern wiedergewählt.
Zuwanderungsgesetz nach Verfahrenstrick erneut eingebracht: 2005 tritt es in Kraft
Allerdings konnte das Zuwanderungsgesetz nicht, wie geplant, zum 1. Januar 2003 in Kraft treten. Das Bundesverfassungsgericht erklärte das Gesetz für nichtig – weil das Verfahren im Bundesrat nach seiner Auffassung verfassungswidrig war. Die Stimmen aus Brandenburg hätten eben nicht als Zustimmung gewertet werden dürfen. Also blieb der rot-grünen Regierung nichts anderes übrig, als das Gesetz 2003 noch einmal einzubringen. Inzwischen hatten sich die Mehrheitsverhältnisse in den Ländern wieder verschoben. So konnte das Zuwanderungsgesetz mit zwei Jahren Verspätung 2005 in Kraft treten.
Peter Müller wechselte 2011 nach 12 Jahren als Ministerpräsident des Saarlands als Richter ans Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.
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