Ich bin kein Fachmann in Sachen Fußball. Das bringt mir unter den jüngeren meiner Freunde mitunter liebevollen Spott und umständliche Erklärungen von Allgemeinplätzen ein. Beides mag ich.
Aber ich freue mich an einem schönen Spiel und bange mit. Auch schon davor. Wer spielt? Wer sitzt auf der Ersatzbank? Wie auch immer, am Ende müssen da elf stehen und spielen.
In der Kirche sind elf einer zu wenig. Es müssen zwölf sein. Aus seinen Jüngern wählt Jesus zwölf aus, die er Apostel nennt. Denen gibt er eine besondere Sendung, Vollmacht und Verantwortung für die Kirche. Warum zwölf? Weil Jesus anknüpft an die zwölf Stämme Israels, wenn er das Volk Gottes aus Juden und Heiden neu sammelt und sendet.
Das waren denkbar verschiedene Männer mit ihren Stärken und Schwächen. Auch diese Urzelle der Kirche war nicht vor Verwerfungen, Schuld und Verrat sicher. Am spektakulärsten zeigte sich das im Fall des Judas Iskariot. Der hatte Jesus nicht nur verraten und das später bitter bereut (wie andere auch), sondern konnte sich das auch nicht verzeihen, so dass er sich selbst richtete.
Aber elf sind einer zu wenig. Das wussten auch die verbleibenden Apostel. Sie losen aus zwei Kandidaten, die schon gemeinsam mit ihnen und Jesus gegangen waren, einen aus, um mit ihnen „Zeuge der Auferstehung“ zu sein. Matthias trifft das Los.
Das Festhalten an der Zahl der Zwölf und an der Besonderheit des Dienstes der Apostel erinnert die Kirche an ihr Leben aus dem Ursprung und gilt als entscheidender Schritt zur Herausbildung des Bischofsamtes im ersten Jahrhundert. Aber die Merkmale der Aufnahme des Matthias in den Apostelkreis scheinen mir auch allgemein bedenkenswert für die Frage, wie jemand zur Kirche der Apostel gehören will.
Denn viele, die formal (noch) zur Kirche gehören, sind in ihr heimatlos geworden. Entweder, weil ihnen die Inhalte des Glaubens fremd geworden sind, oder weil ihnen die Inhalte des Glaubens nicht mehr angeboten werden. Die Kirche macht keinen Unterschied mehr.
Aber immer wieder gibt es auch solche, die Erfahrungen machen, welche sie neu nach Gott suchen lassen. Und manche von ihnen erkennen dann auch ihr bisheriges Leben als eines, dass sie – wie Matthias (vielleicht auf Abstand zu den anderen) – bereits mit Gott und mit Jesus gelebt haben. Und diese Beziehung will nun konkreter werden, und aus ihr resultiert dann ein „apostolischer“ Auftrag, eine Sendung zu den Menschen.
Die solche Erfahrungen machen, haben Sehnsucht nach Richtung und Sinn; danach, dass es ihnen wieder um etwas geht; und danach, dass dieses „etwas“ so lebensrelevant und kostbar ist, dass es sich dafür zu leben und zu leiden, sich zu mühen und zu kämpfen lohnt.
Dafür kann es wichtig sein, die Scheu vor den Elf, also vor den anderen Christen, zu verlieren. Die kann aus Verachtung oder Bewunderung herrühren. Sie mögen einem vielleicht naiver oder frömmer oder fortgeschrittener vorkommen als man selbst ist oder sein will. Oft sind solche Eindrücke nur Idealisierungen. Aber manchmal gilt auch, was Augustinus von seiner Berufung berichtet: Gott ruft nicht die Guten. Sondern er macht die gut, die er ruft.
Wenn ich das glaube, kann ich mich auch damit versöhnen, nicht von Anfang an oder nicht bei einem engeren Kreis dabei gewesen zu sein. Einmal werden wir sehen, was alles in unserem scheinbar nur dahingelebten Leben von ewigem Wert war. Und was wir gerade dort haben empfangen und geben können, wohin wir gestellt wurden.
Und dann kann sich auch die Empörung über Versagen und Schuld in der Kirche von Judas bis heute verwandeln. Und zwar in ein Lebenszeugnis wie das des Matthias, das ein Gegengewicht, einen Ausgleich und Ersatz zu dem darstellt, was andere gefehlt haben.
Und schließlich sagt die Berufung des Matthias jedem, der sich nach Gott sehnt: Du bist, wie keiner ist. Du hast, was keiner hat. Du vermagst, was keiner vermag. Ohne dich ist die Kirche unvollständig. Elf sind einfach einer zu wenig.
Fra’ Georg Lengerke
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