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Walter Ulbricht: "Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten" | 15.6.1961
Quelle: Annamarie Doherr, Journalistin, Frankfurter Rundschau
Woraufhin Walter Ulbricht antwortet: Ich verstehe Ihre Frage so, dass es in Westdeutschland Menschen gibt, die wünschen, dass wir die Bauarbeiter der DDR dazu mobilisieren, eine Mauer aufzurichten. Mir ist nicht bekannt, dass eine solche Absicht besteht. Die Bauarbeiter unserer Hauptstadt beschäftigen sich hauptsächlich mit Wohnungsbau, und ihre Arbeitskraft wird dafür voll eingesetzt. Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten.Quelle: Walter Ulbricht
Annamarie Doherr war selbst 1945 aus der sowjetisch besetzten Zone nach West-Berlin übergesiedelt. "Größte Lüge des Jahrhunderts!" – Stimmt das? Später wurde Ulbrichts Mauer-Statement als die größte Lüge des Jahrhunderts gebrandmarkt. In Berlin wurden Schilder aufgestellt, die man vom Osten aussehen konnte, auf denen Ulbricht stand, um ihn mit seinem Zitat zu entlarven. Doch hat Walter Ulbricht wirklich gelogen? Oder war die Mauer zu diesem Zeitpunkt tatsächlich noch nicht in Planung? Zumindest als Option hatte er sie im Kopf, meint auch der Historiker Dr. Stefan Wolle in SWR2 Wissen: "Die DDR hat logistisch beide Varianten vorbereitet. Die eine Variante war: Die DDR erhält die Hoheit über die Luftkorridore und wird den Luftverkehr künftig über Schönefeld abwickeln. Dadurch hätte die DDR praktisch totale Kontrolle über alles, was nach West-Berlin geht und was von West-Berlin weggeht. Das hätte Ulbrich gar nicht mal so schlecht gefallen, weil dann die sogenannte "Freie Stadt Berlin" früher oder später der DDR ganz in den Schoß gefallen wäre. Das aber hätte grundsätzlich alliierte Rechte verletzt, und da wollte man auch seitens der Sowjetunion nicht ran. Die andere Variante war das, was dann gekommen ist, also die Abschließung West-Berlins durch eine Sperre. Interessanterweise fällt da der Begriff Mauer schon, der eigentlich erst im Grunde durch Walter Ulbricht so in die Debatte kam. Ulbrich hat sich da auch als großer Sprachschöpfer etabliert. Denn es war ja auch zunächst überhaupt keine Mauer, sondern ein Stacheldrahtverhau. Die eigentliche Mauer, so wie es viele noch in Erinnerung haben, kam erst später." Deshalb Wolles Fazit: "Er hat eigentlich nicht wirklich gelogen in dem Moment." Ulbricht habe sich eine andere Lösung für Berlin erhofft. "Aber er wurde dann im Grunde von der Sowjetunion gebremst, weil die sich nicht mit den USA anlegen wollten, und die Verantwortung der vier Mächte über Berlin in gewisser Weise erhalten wollten." Die endgültige Entscheidung für die Mauer fiel deshalb vermutlich erst kurz vor dem 13. August, als Ulbricht erkannte, dass sein Plan B keine Chance hatte. Wir hören aus rechtlichen Gründen hier nur Ausschnitte der Pressekonferenz. Quelle: Deutsches Rundfunkarchiv
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