Berghütten früher und heute - Schutzhaus in luftiger Höhe
Nur drei Tage brauchte der Hubschrauber, um die neue Olpererhütte im Zillertal zu errichten, Muli-Karawanen waren es beim Becherhaus im Stubai. Bis heute ist es eine Herausforderung, ein Schutzhaus unter Extrembedingungen zu errichten und zu bewirtschaften. Felsstürze und Trinkwasserprobleme machen es zusätzlich schwer. Von Georg Bayerle
Credits
Autor dieser Folge: Dr. Georg Bayerle
Regie: Sabine Kienhöfer
Es sprach: Thomas Birnstiel
Technik: Josef Angloher
Redaktion: Iska Schreglmann
Im Interview:
Gabi Braxmaier, Hüttenwirtin Kemptener Hütte
Christine Denk, Hüttenwirtin Augsburger Hütte
Em. Professor Dr. Hermann Kaufmann, Holzbau TU München
Robert Kolbitsch, Ressortleiter Hütten & Wege DAV
Professor Dr. Michael Krautblatter, Hangrutschungen TU München
Peter Mani, Hüttenreferent SAC
Erich Pichler, ehem. Hüttenwirt Becherhaus
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Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:
ERZÄHLER:
Mit gespannter Aufmerksamkeit beobachtet Dietmar Berchtold, wie Holzbauteile von Dach und Wänden von den Lastwagen entladen werden. Er koordiniert den Ladeplatz am Schlegeisspeicher im Zillertal. Männer in greller Warnkleidung und Helm wie er, stellen die Bauteile in einer festgelegten Reihenfolge auf.
Atmo Hubschrauber
Dann schwebt der Hubschrauber heran mit langem Steilseil, sekundenschnell befestigen sie ein meter-langes Wandstück, das jetzt schaukelnd in die Luft gehoben und auf den Berg zur Baustelle geflogen wird.
1.Zsp NO 0.14
Na sollten schnell die ganzen Wände hoch, dass wir bis zum Abend fertig werden. Cirka 50 - 60 Flüge haben wir heut und wenn’s Wetter wärmer wird, haben wir ein Problem, weil der Hubschrauber nicht mehr so viel lupfen kann, drum müssen wir am morgen früh gleich ‚wähla‘.
ERZÄHLER:
In pausenlosem Pendelflug geht es jetzt so weiter. 600 Höhenmeter weiter oben beobachtet der Architekt dieser Extrembaustelle, Professor Hermann Kaufmann, wie das am Hubschrauber hängende Bauteil gleich an der richtigen Stelle in das Holzskelett des Hüttenbaus eingesetzt wird.
2.Zsp OH 2.16
Das ist wie ein Puzzlespiel. Das muss genau passen und in einer sehr schnellen Taktfrequenz auch, damit das Ganze muss so vorbereitet werden, dass in der Taktfrequenz wie der Hubschrauber heraufkommt, dass es wirklich passt. Die haben keine Zeit, da lange herumzusägen, herumzubasteln.
Atmo: sägen
ERZÄHLER:
350 Einzelteile sind es, bis zu eineinhalb Tonnen schwer. Sie wurden in der Zimmerei vorgefertigt. Als fliegender Lastesel des 21.Jahrhunderts funktioniert der Hubschrauber dabei gleich als Kran auf der Baustelle in 2400 Meter Höhe. Zimmerleute turnen über die Holzkonstruktion, fangen die schwebenden Holzplatten und passen jedes Teil zentimetergenau ein.
3.Zsp NO 0.42
So etwas habe ich noch nie gemacht. So mit der Dramatik an der Baustelle. Das ist etwas Unbeschreibliches.
Musik: Schnelle Schritte (reduced 1) 0‘40
ERZÄHLER:
Hermann Kaufmann ist damals Professor für Holzbau an der Technischen Universität München. Die neue Olpererhütte im Zillertal entsteht im Juli 2007 in nur drei Tagen an derselben Stelle, wo die marode, 100 Jahre alte Berghütte, vorher abgerissen worden war. Der Neubau ist etwas vollkommen Neuartiges und stellt aus heutiger Sicht einen historischen Meilenstein dar: die neue Hütte soll so effizient wie möglich gebaut wer-den und besteht praktisch zur Gänze aus Naturmaterialien. Das Vorbild hatte der Architekturprofessor in seiner Heimat, dem Bregenzerwald gefunden:
4.Zsp NO 1.54
Man kann’s vergleichen mit einem altem Blockbau, der ja auch als Blockbau damals gebaut wurde, weil Holz ein Dämmmaterial ist und wir erwarten im Prinzip eine ähnliche Atmosphäre wie bei den alten Blockbauten, die ja im Sommer ein ganz angenehmes Klima haben. Solange das Dach ist, wird das Haus nicht verrotten, es hat einen Schindelpanzer an der Außenseite, solange diese Schindeln dicht sind, wird also auch diese ganze Konstruktion ewig überdauern.
ERZÄHLER:
Oder sie könnte, weil auf künstliche Isoliermaßnahmen verzichtet wurde, einfach an Ort und Stelle verrotten. Die über Jahrhunderte praktizierte Holzbauweise der Tradition eignet sich als Vorbild für die Anforderungen des 21.Jahrhunderts. Für Robert Kolbitsch, den Ressortleiter für die Hütten beim Deutschen Alpenverein, hat der Münchner Holzbauprofessor damit den Weg vorgegeben:
5.Zsp 001/3.20
Das hat der Kaufmann damals schon erkannt, dass wir bei reinen Sommerhütten schon Einiges reduzieren können. Dass wir die üblichen Baustandards, die wir vom Tal kennen, reduzieren können.
ERZÄHLER:
Es fängt bei der Hüttenarchitektur und den Baumaterialien an und geht bis in die Details der Installation. Klima, Umwelt und Bewirtschaftungsweise werden hier zusammengedacht.
6.Zsp 001/4.40:
Es geht darum, Energieaufwände zu minimieren. Der größte Energieverbraucher ist die Küche, wir wollen dort auch den Aufwand reduzieren, indem wir sagen, wir müssen nicht mehr so viele Speisen anbieten, ich brauche auch weniger Personal, wir haben weiniger Personalunterkünfte, ich habe auch weniger Kühllagerung und das alles hat Auswirkungen auf den Energiebedarf.
Musik: Hinter dem Nebel (reduced 1) 0‘46
ERZÄHLER:
Das Beispiel zeigt die besondere Komplexität, die in einer Berghütte mit ihrem extremen Umfeld steckt. Wo nichts einfach vorhanden ist, Ver- und Entsorgung mit großem Aufwand verbunden und die Belastungen durch Wind und Wetter extrem sind. In der ersten Blütezeit des Alpinismus, Ende des 19.Jahrhunderts, war den Hüttenbauern kein Hindernis zu hoch, um ihre Schutzhäuser an die aberwitzigsten Stellen zu setzen. Nach einfachsten Anfängen wie der Alten Prager Hütte mit einem Raum und einem Dutzend geschlechtergetrennten Schlafplätzen, wuchsen die architektonischen Träume schnell in die Wolken. Buchstäblich: 3195 Meter hoch steht das Becherhaus als höchste Schutzhütte Südtirols auf einem Berggipfel. Erbaut wurde es vor 130 Jahren von der Alpenvereinssektion Hannover, die Material und Inventar mit Mulis über den sechsstündigen Aufstieg aus dem Tal heraufschaffen ließ. Erich Pichler hat die Hütte so lange wie niemand sonst bewirtschaftet:
7.Zsp BE 0.19 + 1.22
1800 Höhenmeter, das ganze Material hochbringen, hier auf den Gipfel. Erst einmal die Idee zu haben, hier oben eine Hütte hinzustellen. Nicht eine normale Hütte, sondern ein Prestigehaus, weil das sind Mauern mit einem Meter und Korkplatten und Moose und haben es mit roten Samtteppichen ausgelegt.
ERZÄHLER:
Das bürgerliche Milieu des Alpenvereins verpflanzte die städtische Lebenskultur gleich mit ins Hochgebirge. Dazu gehörte damals auch eine eigene Kapelle:
8.Zsp BE 3.10
Wir sind hier ausgerüstet, wir haben da das ganze Messgewand, das wir können anziehen, Altartuch, alles, was man braucht. Weil 30 Bergführer hier stationiert waren und die mussten sonntags in die Kirche gehen und so wurde die ganze Kirche dazugebaut.
Musik: Weiter Blick 0‘39
ERZÄHLER:
Ein Bauwerk wie das Schutzhaus auf dem Becher steht am Höhepunkt der Erschließungsphase der Alpen. Von 8 Hütten zur Zeit der Gründung der Alpenvereine um 1870 wuchs die Zahl auf über 300 im Jahr 1914 vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs.
Großbürgerliche Salonkultur mit Ölbildern und roten Teppichen auf der einen Seite, die Einfachheit des modernen Blockbaus auf der anderen Seite: größer könnten die Gegensätze kaum sein. Und dabei müssen sich die Hütten in den Wetterextremen bewähren, so wie sie die Wirtinnen und Wirte oft im täglichen Wechsel erleben.
Christine Denk bewirtschaftet die Augsburger Hütte, auf 2300 Metern in den Lechtaler Alpen:
9.Zsp AH 0.27
Ich finde es einfach übermächtig; und man merkt, man kann es nicht beeinflussen, also du kannst dir noch 15 Mal den Wetterbericht anschauen, es stimmt oft nicht, man ist immer ausgesetzt und muss es so nehmen wie es ist. Das ist richtig schön da heroben, finde ich.
Musik: Ein neuer Tag (reduced 2) 0‘27
ERZÄHLER:
An diesem Tag ist das Wetter schlecht. Es kommen wenig Gäste. Zeit für die Hütten-Chefin, Dinge zu tun, die sonst liegenbleiben. Auch die Augsburger Hütte ist historisch, sie stammt aus dem Jahr 1885 und wurde mehrmals renoviert und umgebaut. Zuletzt 1992. Aus dieser Zeit stammt auch die Toilettenanlage. Die Behälter, in denen die Fäkalien die ganze Saison über gesammelt werden, müssen regelmäßig ge-tauscht werden.
Christine steigt über eine Außentreppe in einen Kellerraum; beim Öffnen der Tür schlägt ihr eine Gestankswolke entgegen, dann dreht sie den Plastik-Behälter zur nächsten leeren Kammer.
10.Zsp AH 1.10
Ich hab gottseidank eh einen schlechten Geruchssinn; so, das ist jetzt gedreht. Ich werde oben im Anlagenbuch aufschreiben, dass ich auf die Zahl vier gedreht habe. Und nächstes Jahr, wenn ich es ausleere, schau ich, wie voll die waren und ob man noch hätte warten können oder ob’s überfällig ist.
ERZÄHLER:
Aber es gibt keine Abwasserleitung, hier, über 1000 Höhenmeter über dem Tal. Und die Zeiten, in denen alles einfach in die Landschaft gespült wurde, sind lange vorbei; die Exkremente werden also in den Behältern gesammelt.
Musik: Secret proofs 0‘16
Jedes Jahr im Juni, kurz vor dem Saisonstart muss Christine Denk die unangenehmste Arbeit des Jahres verrichten: das, was die rund 2000 Gäste im Vorjahr hinterlassen haben, muss ins Tal:
11.Zsp TR 16.35
Bei uns ist es baulich leider so, dass es große Behälter sind, die ich nicht nach außen fahren kann, sondern wir schaufeln das aus. Mit so einer kleinen Gartenschaufel steht dann einer vor der Luke und der nächste schüttet es in einen Bigpack. wir sind alle in Schutzanzügen und mit Mundschutz, dauert einen halben Tag und dann schaufelst du die Hinterlassenschaften von einer Saison Hütte aus.
ERZÄHLER:
Alltagsdinge, über die sich die meisten wenig Gedanken machen, werden auf 2300 Meter Höhe zur Herausforderung.
Hier oben kommt das Wasser auch nicht einfach so aus dem Hahn.
12.Zsp TR 17.20
Wir sind eine Hütte, die nicht viel Wasser hat. Wir sind abhängig vom Oberflächenwasser, also Schmelzwasser; Gletscher gibt’s fast nicht mehr, also Schneewasser und dann Regenwasser. Erstes Thema ist, überhaupt zu vermeiden, Wasser zu verbrauchen. Das Ziel ist am Ende, eine Hütte bewirtschaften und dem Gast eine gute Zeit zu bringen, in den Bergen Zeit zu verbringen. Und am Ende musst du mit den Strukturen zurechtkommen, die dir das Umfeld dort bietet. Und wenn du nicht viel Wasser hast, ist eine Trocken-WC-Anlage auch eine Konsequenz daraus.
ERZÄHLER:
Über einen Schmelzwasserbach, der von einem Gletscher gespeist wird, 500 Höhenmeter weiter oben, war die Augsburger Hütte jahrzehntelang mit Wasser versorgt. Inzwischen ist der Gletscher durch die Klimaerwärmung praktisch verschwunden, in trockenen Sommern ist der Wasserzufluss in den vergangenen Jahren wochenlang ganz versiegt. In der Hüttenabteilung des DAV laufen die Problemberichte bei Robert Kolbitsch zusammen. Auf vielen Hütten müssen Lösungen für den Wassermangel gefunden werden.
13.Zsp 001/5.20
Das ist ein Thema, das uns immer stärker betrifft. Verursacht durch den Klimawandel im Gebirge, das spüren wir da oben zuallererst. Das heißt wir wer-den dort die jetzigen Spültoiletten auf Trockentoiletten umstellen und werden dadurch den Wasserverbrauch um 70% reduzieren. Weil ohne Wasser kann ich die Hütte nicht betreiben.
Musik: Handicraft work 0‘19
ERZÄHLER:
Die Folgerung liegt auf der Hand; aber gerade das Beispiel Augsburger Hütte zeigt, wie komplex das Thema Trockentoiletten ist. Erst seit kurzem sind Unternehmen richtig aktiv geworden und entwickeln Lösungen für Trockentoiletten auf Berghütten.
16.Zsp 001/6.20
Da tut sich extrem viel. Es gibt in der Schweiz keine neuen Hütten mehr, ohne Trockentoilettensysteme und wir werden die jetzt auf unseren Hütten adaptieren. Es gibt derzeit mehrere Projekte, wo wir Hütten auf Trockensysteme um-stellen. Wir werden die gebauten Beispiele evaluieren, und dann den Sektionen Hilfsmittel zur Verfügung stellen, wie wir künftig die Trockentoilettensysteme auf den Hütten umsetzen können.
Musik: Testing procedure (reduced) 0‘41
ERZÄHLER:
In der Organisationsstruktur des Alpenvereins sind jeweils die Sektionen die Betreiber der Hütten. Aber die Herausforderungen sind inzwischen zu groß für einzelne Alpenvereinssektionen. Denn der Wassermangel ist nur eines der Symptome des Klimawandels, der in den Alpen doppelt so schnell abläuft, wie im Flachland. Hier ist die Durchschnittstemperatur gegenüber 1880 bereits um 2 Grad gestiegen. Nicht nur Gletscher verschwinden rasend schnell wie über der Augsburger Hütte. Auch der Grund, auf dem Hütten stehen, wird instabil, weil der Permafrost im Fels auftaut.
An der TU München erforscht Professor Michael Krautblatter die geologischen Prozesse im Gestein und steigt im Auftrag des Alpenvereins auch auf die Berge. Eines der Sorgenkinder ist die Landshuter Europahütte auf 2700 Meter Höhe über dem Brenner. Mit einem Netzwerk aus Sensoren und elektrischen Leitungen hat Michael Krautblatter durch die Messung der Leitfähigkeit im Untergrund Veränderungen im Permafrost erforscht.
17.Zsp 76/1.55 + 2.50
Bei der Landshuter Europahütte gibt’s sehr massive Setzungen. Und das sind sehr unterschiedliche Setzungsraten innerhalb der Hütte, das heißt, der bisherige Hüttenbau ist nicht zu erhalten. Und wir haben eine neue Fläche vorgeschlagen.
ERZÄHLER:
Während an dieser Stelle die alte Hütte nicht mehr zu retten ist, konnte Michael Krautblatter für die Stüdlhütte am Großglockner eine einfache Lösung finden: es ging darum, dass das Schmelzwasser vom Dach nicht mehr direkt neben der Hütte in den Boden einsickert und dadurch andauernde Frost- und Tau-Prozesse auslöst, die die Felsen aufsprengen.
18.Zsp 76/0.20
Die Stüdlhütte war für uns ein gutes Beispiel, es geht ja bei Alpen-vereinshütten auch darum, mit geringem Aufwand viel bewirken zu können. Und das ist ein Fall, wo wir gesehen haben, das warme Dachwasser, das in die Permafrost-Nordflanke fließt, ist die Hauptursache. Man hat einen begrenzten Eingriff, man führt dieses warme Dachwasser weg, und hat damit gleich eine ziemlich gute Wirkung.
Musik: New discovery 0‘17
ERZÄHLER:
Inzwischen greift der Klimawandel massiv in die Schutzhütten-Infrastruktur der Alpen ein. Der Deutsche Alpenverein steht vor einer gewaltigen Herausforderung, sagt Robert Kolbitsch, der Hüttenchef:
19.Zsp 002/2.45 + 4.09
Wir werden uns die Hüttenstandorte sehr genau anschauen, wir werden Risikobeurteilungen machen: wie schaut die Wasserversorgung der Hütte künftig aus, die Murengefahr auf den Hütten, Muren werden zunehmen. Wir müssen die Standorte sehr genau anschauen, macht der Erhalt des Standorts wirklich Sinn, wir müssen über Alternativen nachdenken und darüber nachdenken, einzelne Standorte schließen.
ERZÄHLER:
Der Schweizer Alpenclub SAC ist in diesem Bereich bereits weiter: durch die größeren Höhen und das extremere Relief treten hier die Klimawandelfolgen noch drastischer zutage. In einer großangelegten Untersuchung wurden gerade alle Hütten auf ihre Klimasensitivität untersucht. Ergebnis: jede dritte Schutzhütte ist vom Klimawandel bedroht, erklärt Peter Mani, Experte des SAC:
20.Zsp 81/1.32 + 2.24
Die Britanniahütte hat Probleme mit dem Zugang, weil der Gletscher dort weggeschmolzen ist. Früher war das ein einfacher Hatsch, heute dis-kutiert man dort, eine große Hängebrücke reinzutun, weil man durch das Gelände nicht mehr kommt. Bei der Oberaletschhütte ist das Problem beim Tourenangebot, die Hochtouren werden dort wesentlich schwieriger und gefährlicher werden.
Musik: Disturbing factors 0‘28
ERZÄHLER:
Andere Berghütten in der Schweiz wurden in den vergangenen Jahren durch Lawinen oder Muren zerstört. Nach 150 Jahren steht die Kultur der Berghütten vor einer historischen Zäsur. Verglichen mit den geologischen Erschütterungen an exponierten Standorten in der Schweiz, machen sich die Klimawandelfolgen auf der Augsburger Hütte in Tirol eher unspektakulär bemerkbar, dafür aber andauernd.
Hier evtl. Archiv-Atmo Küche (nicht in den Zusp. vorhanden)
ERZÄHLER:
Christine Denk steht mit ihren Mitarbeiterinnen am Herd, um das Abendessen zu kochen. Zu diesem Zeitpunkt laufen praktisch nur die Küchengeräte, um das Stromnetz nicht zu überlasten. Da zeigt die Steuerung der Elektronik plötzlich eine Störung an:
21.Zsp AH 7.02
Scheiße; Unable to read Wasserkraftwerk, 18 Uhr 12..
Atmo Kraftwerk
ERZÄHLER:
Während das Abendessen für die Gäste gekocht wird, muss jemand aus dem Hütten-team 250 Höhenmeter im alpinen Gelände absteigen zum Kleinwasserkraftwerk am Bergbach, das die Hütte versorgt. Eine halbe Stunde später wird sich dort herausstellen, dass nur eine Sicherung rausgeflogen ist. In trockenen Sommern aber, wenn der Schmelzwasserabfluss versiegt, gibt es oben auf der Augsburger Hütte auch keinen Strom aus dem Kleinwasserkraftwerk mehr. Die Energieversorgung ist eine weitere große Baustelle im Hüttenteam des DAV bei Robert Kolbitsch:
22.Zsp 002/0.25
Wenn ich zu wenig Wasser habe, habe ich auch Probleme, genügend Energie aus Wasserkraft zu bekommen. Die Sonnenenergie ist unsere wichtigste Energielieferant auf unseren Hütten. Die Photovoltaik wird ausgebaut, das ist jetzt nichts Neues. Aber auch die Speichertechnologie wird immer besser, auch daran arbeiten wir. Beides in Verbindung mit reduziertem Verbrauch, dann schaffen wir es, relativ autark die Hütten betreiben zu können.
Musik: Precision on demand 0‘28
ERZÄHLER:
Die Hütte der Zukunft soll möglichst als in sich geschlossenes System funktionieren, genau abgestimmt auf die natürlichen Ressourcen. Annehmlichkeiten wie warme Duschen, Federbetten oder üppige Speisekarten kann es dann kaum mehr geben. Die Diskussionen um den Komfort auf Hütten sind schon ein Jahrhundert alt und werden jetzt unter den neuen Vorzeichen von Klimaschutz und Umweltverträglichkeit geführt.
23.Zsp TR 02
Duschen ist nicht schlecht, aber mal ein Wochenende geht auch ohne. Brunnen vor der Hütte langt locker. Wolldecken reichen völlig aus
ERZÄHLER:
Bei Christine Denk auf der Augsburger Hütte erledigen sich viele Komfortfragen durch die Umweltbedingungen von selbst:
24.Zsp CD 53.49
Also wir haben nur Wolldecken, weil ich mit den Wasserproblemen gar keine Chance habe, diese Federbetten regelmäßig abzuziehen und zu waschen. Ich glaube, ein Gast will doch nur, dass sauber ist; das ist wichtig.
ERZÄHLER:
So zählt auch die Kommunikation zu den wichtigen Aufgaben der Hüttenwirtin:
25.Zsp CD 54.44
Wir haben dieses Umweltgütesiegel und da ist eine Auflage, dass du die Gäste aufklärst, wie funktioniert deine energetische und wassermäßige Versorgung und das fragt auch jeder Gast. Ich glaube, wenn Leute auf der Hütte waren und die Restpfütze am Ferner sehen, das ist sofort transparent, was der Klimawandel macht.
Musik: Calculations 0‘25
ERZÄHLER:
Im Werkzeugkasten des Berghüttenbetriebs bahnt sich eine tiefgreifende Trendwende an: wenn Hütten umgebaut oder renoviert werden, dann dient es nicht mehr der Komfortsteigerung. Als die Kemptener Hütte im Allgäu vor kurzem renoviert wurde, hat auch die Hüttenwirtin Gabi Braxmaier, die das Schutzhaus auf 1850 Metern seit Jahrzehnten bewirtschaftet, am neuen Konzept mitgewirkt:
26.Zsp TR 1:06:52
Es war Anliegen von uns, dass man die Duschen abschafft, weil einfach das Duschverhalten manchmal ein bisschen krank ist. Wir haben Tagesgäste ghabt, die gekommen sind, geduscht haben. Wir wollten den Gast wieder ein bisserl zurückholen, wir haben keine Duschen mehr, wir haben kein Wlan, kein warmes Wasser. und eigentlich sind wir ganz glücklich damit
Musik: New evidence 0‘48
ERZÄHLER:
Wie in einem Reallabor wird der Ressourcenverbrauch so weit wie möglich heruntergefahren. Die Berghütten sollen in einer der empfindlichsten Naturlandschaften überhaupt zu einem Modell werden für einen klima- und umweltfreundlichen Lebensstil, wie ihn die Gesellschaft insgesamt braucht. In einer neuen „Hütten-Wege-Vision 2030“ skizziert der Deutsche Alpenverein derzeit den Pfad, wie er mit seinen 320 Hütten in den Alpen klimaneutral werden kann. Als Leiter des Hüttenressorts tüftelt Robert Kolbitsch mit seinen Fachleuten gerade an einem Modellprojekt, das 2025 starten soll: Anlass ist der notwendige Umbau der Hochlandhütte über Mittenwald im Karwendel:
28.Zsp 001/1.45 + 0.30
Wie hoch sind meine CO2-Emissionen, was kann ich sparen. Mit diesem Modellprojekt wollen wir Konstruktionen vorgeben, die künftig die Bau-maßnahmen einfacher darstellen. Wir versuchen anhand dieses Beispiels neue Wege zu gehen, was Baukonstruktion, was Materialität betrifft, dass wir zum Beispiel, was den Schallschutz betrifft, was die Statik betrifft, ans Praktikable gehen, um den Materialeinsatz zu reduzieren.
ERZÄHLER:
Die Aufgabe reicht vom Dachaufbau bis zur Trockentoilette und den Küchengeräten. An den Planungen ist die Technische Universität in München beteiligt. Technische Lösungen, Verfahrensweisen, Materiallösungen – die neuen Erkenntnisse sollen dann allen Alpenvereinssektionen als Best-Practice-Beispiele für ihre Hütten weiter-gegeben werden.
Musik: Handicraft work 0‘15
In ihrer 150-jährigen Geschichte stehen die Schutzhütten in den Alpen mitten in einem spannenden Veränderungsprozess.
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