Luxusgut Olivenöl - Bringt der Klimawandel die Olive nach Deutschland?
In Europa bricht die Olivenernte ein. Fehlendes Wasser und hohe Temperaturen setzen den Bäumen in den Anbauregionen rund ums Mittelmeer zu. Während es im Süden zu heiß wird, experimentieren Landwirte im Norden Europas mit dem Anbau von Oliven. Werden Olivenbäume auch bei uns heimisch? Und was für Hindernisse gibt es?Im Süden wird es den Oliven zu heiß, also ab in den Norden mit ihnen. Der Klimawandel macht es möglich, dass Olivenbäume bald bei uns heimisch werden könnten. Unterwegs mit den Agrorebellen, die unsere Landwirtschaft revolutionieren wollen. Von Anna Küch
Credits
Autorin dieser Folge: Anna Küch
Regie: Irene Schuck
Es sprachen: Anna Küch
Technik: Stefan Oberle
Redaktion: Bernhard Kastner
Im Interview:
Erich Welleschitz Landwirt
Matthias Welleschitz Landwirt
Markus Fink, Agrorebels
Carmen Sánchez, Olivenöl-Expertin
Michael Becker, Gärtner
Wir freuen uns über Feedback und Anregungen zur Sendung per Mail an radiowissen@br.de.
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Das vollständige Manuskript gibt es HIER.
Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:
O-TON 1 Erich Welleschitz
„Da sind sie wieder... sehen Sie die Kaninchen, diese Biester...
Autorin:
Erich Welleschitz ist wütend. Der Biolandwirt steht auf seinem Feld und deutet auf den Abhang. In der Ferne hoppeln drei Kaninchen.
O-TON 2 Erich Welleschitz
„Das größte Problem bei uns hier sind eigentlich die Wildkaninchen. Das muss man sagen. Wildkaninchen, die haben schon 40 Bäume erledigt. das heißt, sie graben gerne, sie graben sich zu den Wurzeln, fressen die Wurzeln ab oder nagen die Rinde ab und somit der Fall erledigt. Und eine Reihe haben sie in einer Nacht geschafft.
Musik 1
"Always turns to spring" - Komponist und Ausführender: Bill Frisell - Album: Ghost Town - Länge: 0'42
Autorin:
Und es ist nicht irgendeine Reihe. Erich Welleschitz hat hier im Marchfeld östlich von Wien einen Olivenhain gepflanzt. 135 junge Bäume, die ihre silbrig-grünen Blätter in die kalte Frühlingsluft recken.
Die Gegend gilt als Korn- und Gemüsekammer Österreichs. Doch der Anbau verändert sich. Neben Zwiebeln, Erbsen, Spargel, Karotten, Getreide werden auch immer mehr Exoten angebaut. Feigenbäume, Granatapfel, Melone und seit neustem Oliven - wie beim Landwirt Welleschitz:
O-TON 3 Erich Welleschitz
„Also ganz ehrlich, war es eine ganz unbedingte Idee meiner Frau. Sie hat gesagt du wir müssen das unbedingt machen. Ja, und sie hat einfach nicht mehr loslassen von dem Gedanken und hat gesagt habt ihr keine geeigneten Flächen, irgendwo muss doch was geben. Da hab ich gesagt oh ja, wir haben schon eine geeignete Fläche. Dann machen wir das. Und der Klimawandel selbstverständlich spielt da auch a Rolle.
Autorin:
Welleschitz zupft ein paar Blätter von den Olivenbäumen. Der Hain macht viel Arbeit. In diesen Wochen müssen die Zweige geschnitten werden. Die ganze Familie hilft mit. Sohn Matthias zeigt, was zu tun ist:
O-TON 4 Matthias Welleschitz:
„Ja, der Ast und der Ast. Grundsätzlich geht es ja beim Schnitt dann darum, dass jedes Blatt möglichst viel Licht bekommt und dass das kein riesenhoher Baum wird, sondern ja, wie man sich einen Olivenbaum halt vorstellt. Dass das eben klar und in die Breite hin ausfallen wird, er klar und in die Breite hin ausfallend wird. Dadurch kriegen die einzelnen Blätter ziemlich viel Licht....“
Autorin:
Die Landwirte in der Gegend bemerken den Klimawandel deutlich:
Die Winter werden immer milder, die Sommer heißer. Vieles, was Erich Welleschitz früher angebaut hat, funktioniert mit den hohen Temperaturen nicht mehr so gut.
O-TON 5 Erich Welleschitz:
40 Grad sind keine Seltenheit. 40 Grad ist schon normal, vor allem starke Südwinde. Und wenn dann so der Südwind geht tagelang, das ist wirklich heiß und unangenehm. Es ist halt so, dass man in der Landwirtschaft ganz anders betroffen ist.
Autorin:
Die Nachbarn von Welleschitz pflanzen jetzt Bananen an. Die wachsen wie Unkraut, sagt der Landwirt. Er selbst probiert es mit Olivenbäumen
Musik 2
"Un Héros Très Discret - Départ en Train" - Album: Jacques Audiard - Komponist: Alexandre Desplat - Länge: 0'59
Autorin:
Hitze, Trockenheit, karge Böden. So wachsen die Olivenbäume seit Jahrtausenden von Jahren vor allem im Mittelmeerraum. In Spanien, Griechenland, Italien. Portugal. Es gibt über 1.000 verschiedene Arten. Die Stämme sind knorrig, der Busch weit verzweigt. Olivenbäume können uralt werden. Sie zählen zu den ältesten Kultur- und Nutzpflanzen der Menschheit. Und das Olivenöl war immer schon wertvoll. Könnte das grüne Gold auch bald bei uns entstehen?
Markus Fink ist überzeugt davon, dass der Olivenbaum auch hierzulande wachsen kann. Er sieht den Klimawandel als Problem und Chance zugleich. Zusammen mit zwei Mitstreitern hat er den Verein Agrorebells gegründet. Die Agrorebellen erforschen exotische Obstsorten und bringen sie nach Österreich. Über 5.000 Olivenbäume haben sie schon zusammen mit Landwirten aus ganz Österreich gepflanzt:
O-TON 6 Markus Fink:
„Wir sagen halt nicht, was tut der Klimawandel mit uns, sondern was machen wir mit dem Klimawandel. Wir wollen umgehen damit, umkehren können wir ihn nicht. Wir können ihn verlangsamen, so gut es geht, Und wir haben uns zur Aufgabe gemacht, den Bauern / den hiesigen Landwirten zu helfen, sie zu beraten. Was können sie mit ihren Äckern machen, um weiterhin gut bestehen zu können?
Autorin:
Markus Fink ist eigentlich Physiker. Er hat lange Jahre mit der Weltraumbehörde ESA zusammengearbeitet. Früher hat er Pflanzen im Weltall erforscht:
O-TON 7 Markus Fink:
„Wo man geschaut hat, wie sichert man das Überleben für den Astronauten auf der ISS? Wie kann man eine bemannte Mars-Mission durchführen und so weiter? Wie können Pflanzen in unwirtlichen, unter unwirtlichen Bedingungen gedeihen? Diese Fragestellung hat mich auch fasziniert. Irgendwo und so ist dann daraus das Projekt irgendwann Aggro-Rap geworden. Wenn man Tomaten auf der ISS zum Wachsen bringt ... wir versuchen halt die Olive in Mitteleuropa zum Wachsen zu bringen.
Musik 3
"Un Héros Très Discret - Départ en Train" - Album: Jacques Audiard - Komponist: Alexandre Desplat - Länge: 0'31
Autorin:
Als Markus Fink 2019 damit loslegte, titelte eine Zeitschrift: „Der Astronaut, der die Oliven nach Österreich bringt“. Das war der Beginn des Erfolgs. Viele Landwirte in Österreich lasen den Artikel und waren Feuer und Flamme.
Am Anfang mussten die Agrorebellen viel experimentieren. Sie legten Forschungshaine an, pflanzten verschiedene Olivenbäume. Und hatten auch den Mut zu scheitern:
O-TON 9 Markus Fink:
„Wenn es einen Totalausfall gab, dann war das ein einziges Mal, und zwar in Kärnten in der Testphase. Da hatten wir eine geschlossene Schneedecke von 40 bis 50 Zentimeter über mehrere Wochen. Und das hat kein Olivenbaum überlebt. Da war nicht unbedingt das Temperaturminimum, sondern die geschlossene Schneedecke.“
O-TON 10 Markus Fink
„Hallo? Ja das ist jetzt ganz schlecht.“
Autorin:
Mittlerweile wollen immer mehr Landwirte von Markus Fink und den Agrorebellen beraten werden. Dauernd klingelt sein Telefon. Markus Fink liebt seine Arbeit. Er ist in Größenbrunn östlich von Wien aufgewachsen. Seine Großeltern hatten einen bäuerlichen Betrieb, dazu gehörte ein kleiner Weinberg. Ein Weingarten sagen die Österreicher. Dort kelterten die Landwirte früher den Wein für den Eigenbedarf:
O-TON 11 Markus Fink
„Das wurde dann nicht mehr rentabel, sehr viel Arbeit. Mittlerweile sind die Flächen größtenteils als Brachflächen geblieben. Nur wenige Landwirte bauen hier noch Trauben an, und aus diesen Flächen werden jetzt hoffentlich sukzessive Olivenhaine. Der Boden ist gut. Es sind Südhänge.“
Autorin:
In der Ferne liegt die Slowakei. Weit ist es nicht zur Grenze. Mit dem Auto fahren wir durch die Gegend, die sich nach und nach verändert:
O-TON 12 Markus Fink
„Schauens mal da, da haben wir Palmen, sieht man überall an jeder Ecke. Da Zwergpalmen kleine Olivenbäume. Das wäre in den 1980er Jahren unmöglich gewesen!“
Autorin:
Klimatisch ist der Anbau kein Problem. Fink und seine Kollegen haben mit verschiedenen Sorten experimentiert. Sie sind in den Mittelmeerraum gefahren, nach Italien, Portugal und Spanien, um die richtigen Bäume zu finden. Am Anfang erklärten sie die Landwirte - zum Beispiel in Spanien - für verrückt:
O-TON 13 Markus Fink
„Die spanischen Bauern kennen Österreich als allererstes als Skifahrergebiet, wenn sie es überhaupt kennen. Und die meinen, ich wäre ein bisschen „loco“. „Loco“ bedeutet verrückt oder crazy. Ja, dann erklärt man halt na ja, wie schaut in Zentralspanien das Klima aus zum Beispiel in Madrid? Wie viel Minusgrade bekommts Ihr in Madrid eigentlich? Naja, also vielleicht minus sechs, minus sieben, minus acht der mal. Ja, naja, wir kommen hier dann auf minus neun, minus zehn. Das ist gar nicht so weit weg und wie lange auch nur ein, zwei Tage im Jahr. Und damit sehen dann auch die Landwirte dort, dass es vielleicht gar nicht so crazy ist, im Osten Österreichs sage ich jetzt einmal, im pannonischen Gebiet, Olivenbäume zu pflanzen, zumindest das auszuprobieren, diese zu pflanzen.“
Musik 4
"Always turns to spring" - Komponist und Ausführender: Bill Frisell - Album: Ghost Town - Länge: 0'29
Autorin:
Das pannonische Gebiet ist eine Tiefebene, die sich von Ungarn bis nach Österreich erstreckt. Die Winter sind mild und feucht. Die Sommer heiß mit viel Sonnenschein. Ein submediterranes Klima. Ideal für die Olivenbäume sagt Markus Fink. Er stoppt das Auto, steigt aus und führt auf einen Aussichtspunkt. Dort stehen ein paar dürre Pflanzen vom Wind zerzaust.
O-TON 14 Markus Fink
„Das ist unser zweiter Forschungshain. Der befindet sich auf der Parndorfer Platte. Das ist eine typische sehr windige Gegend, extrem heiß und trocken im Sommer und annähernd kein Schnee im Winter, heute ist ein gefühlter Wintertag, fünf Grad und Regen.“
Autorin:
Markus Fink greift in die Erde und lässt sie durch die Finger rieseln, dann flüchtet er ins Auto. Der Regen ist zu stark.
O-TON 15 Markus Fink
„Wir versuchen, verschiedene Sorten verschiedenen Alters zu vergleichen, verschiedene Substrate zu setzen, mit Hanglage, ohne Hanglage, mit Schotter drunter, lehmig oder nicht lehmig oder was auch immer. Und dann zu vergleichen. Wie entwickeln sich die Bäume?
O-TON 16 Carmen Sánchez
„Schlürfgeräusch ... Hörst Du das? Das ist damit etwas Luft hereinkommt und sich vermischt.“
Autorin:
Olivenölprobe bei Carmen Sanchez in Köln Pulheim. Die Spanierin hat zwei Schälchen mit verschiedenen Oliven-Ölen vorbereitet und lässt mich vergleichen:
O-TON 17 Carmen Sánchez:
„Das schmeckt nach Tomate, hinten raus die Schärfe.
Genau! Und nach dem Runterschlucken hast du vielleicht noch das Gefühl der Bitterkeit und Schärfe.“
Autorin:
Die Schärfe und Bitterkeit sind Merkmale für ein gutes Olivenöl. Und es gibt noch mehr.
O-TON 18 Carmen Sánchez
„Auch ein sehr gutes Zeichen ist: Wenn das ein Olivenöl ist fettig. Aber diese gute Qualität ist er eher seidig. Also die Zunge wird nicht so von eine Schicht aus Fett bedeckt. Diese seidige Flüssigkeit ist total sauber und hinterlässt keine Spuren. Das ist auch ein sehr gutes Zeichen.“
Autorin:
Carmen Sanchez weiß, wovon sie spricht, sie ist diplomierte Oliven-Öl Sommeliere, genauer gesagt sie sich an der Universität von Jaen in Andalusien zur Expertin für natives Olivenöl ausbilden lassen. Ihre Mission: den Menschen beibringen, was wirklich gutes Oliven-Öl ist. Oder besser Oliven-Saft.
O-TON 19 Carmen Sánchez:
„Schau mal, die Olive ist eine Frucht. Alle anderen Öle kommen aus Kernen, und die Olive als da mehr ist eine Frucht. Und wenn ich sie auspresse, dann bekomme ich einen Saft.“
Autorin:
Viel von diesem Saft ist gerade nicht auf dem Markt. Europas Olivenbauern haben schlechte Jahre hinter sich, die Ernten sind eingebrochen, die Preise auch für minderwertiges Öl drastisch gestiegen. Das gab es bislang noch nicht, erzählt Carmen Sanchez:
O-TON 20 Carmen Sánchez
„Spanien ist Hauptproduzent von Oliven-Öl. Und es ist das erste Mal in der Geschichte vom Oliven-Anbau, dass zwei Ernten direkt hintereinander katastrophal sind. Das passiert 2023 und davor 2022. Das hat sicherlich mit dem Klimawandel zu tun.“
MUSIK 5
"Always turns to spring" - Komponist und Ausführender: Bill Frisell - Album: Ghost Town - Länge: 1'03
Autorin:
Dürre und Hitze führten dazu, dass die Blüten an den Olivenbäumen geradezu verbrannt sind und keine Oliven entstehen konnten. Das heißt, die Ernten in Spanien haben sich halbiert. Eine Katastrophe! Spanien vermarktet etwa 50 Prozent des weltweit konsumierten Olivenöls. Auf einmal fehlten riesige Mengen an Öl. Und die Preise für das grüne Gold kletterten in die Höhe.
Auch Italien und Griechenland hatten schlechte Ernten. Hier hatte es vergangenen Mai und Juni zu viel geregnet. Also in der Blütezeit. Dadurch klappte es mit der Bestäubung nicht. Normalerweise weht der Wind den Pollen einer anderen Olivenpflanze heran. Doch durch den Dauerregen war es zu nass, die Blüten konnten sich nicht bestäuben, also gab es keine Frucht. Die Feuchtigkeit lockt auch die Olivenfruchtfliege an, einen gefürchteten Schädling:
O-TON 21 Carmen Sánchez
„Genau bei Feuchtigkeit. Genau dann fühlt sich diese Fliege sehr wohl. Sie bohrt die Frucht an. Und das bedeutet Sauerstoff in Kontakt mit den Fruchtfleisch. Das bedeutet dass die Oxidation, die Fermentationsprobleme bei dem Olivenöl direkt da sind. Egal, wie toll der Bauer ist. Egal, wie toll die Ölmühle ist. Geschmacklich wird das Öl nix mehr werden.“
Autorin:
Der Mittelmeerraum ist das Zentrum der Olivenbäume, doch auch andere Regionen holen auf. In Australien und Kalifornien werden schon lange Oliven angebaut. Sie kamen mit den Missionaren und Reisenden, Entdeckern und Erobern in die Länder.
In Verkostungen probiert Carmen Sanchez jetzt ganz oft Oliven-Öl, das aus anderen Weltregionen stammt. Immer wieder sind sie und ihre Kollegen überrascht, wie gut Oliven-Öl aus Südafrika, Brasilien oder Uruguay ist: Könnte dann nicht auch Deutschland zum Anbaugebiet werden? Jetzt, wo es gefühlt jeden Sommer heißer wird?
O-TON 23 Carmen Sánchez
„Im Prinzip ja. Der Olivenbaum ist sehr bescheiden, das ist ein Kerl, der sehr bescheiden und ist und der kann wachsen, ohne große verwöhnt zu werden. Nur Wasser tut gut und vor allem was er braucht, und was er deutlich vermisst, ist die Sonne.
Er braucht den Sommer. Warum? Weil was eine Blüte schafft ist unglaublich. Also erstmal kommt irgendwann eine kleine Frucht, die wie eine Erbse aussieht. Da gibt es noch nicht einen harten Kern ist nichts und bis Anfang des Sommers. Ich rede jetzt so zum Beispiel von Spanien. Bis Juni hat er es geschafft einen Stein zu bekommen. Dann macht er Urlaub bis September. Und im September fängt die Olive an, die Frucht also, das Öl zu machen.“
Autorin:
Bis das alles passiert, kann es jahrelang dauern. Erst wenn Olivenbäume etwa sechs Jahre sind, werfen sie Ertrag ab.
Musik 6
"Paean (Original Composition For Replica Lyre in the Ancient Greek Dorian Mode)" - Album: The Ancient Greek Lyre - Ausführender: Michael Levy - Länge: 0'42
Autorin:
Viele Geschichten ranken sich um den Baum und seine schmackhaften Früchte. Schon zum Ende der Bronzezeit wurden Ölbäume im östlichen Mittelmeerraum systematisch kultiviert.
Auf Kreta waren Oliven bereits 6.000 vor Christus ein wichtiges Lebensmittel. Die antiken Griechen waren Spitzenreiter im Verbrauch. Ein Kämpfer verbrauchte 30 Liter jährlich zur Körperpflege, 20 weitere Liter für seine Ernährung und einen halben Liter als Medizin. Auch in der Bibel spielt der Olivenzweig eine Rolle als Symbol des Friedens. Carmen Sanchez ist jeden Tag aufs Neue fasziniert:
O-TON 24 Carmen Sánchez:
„Der Olivenbaum ist so unglaublich, weil der Olivenbaum, wenn wir hören, dass er es schafft, so alt zu werden ist, Manchmal erlebt er ganz böse Sachen, und aus dem Nichts treibt wieder Leben. Das hieß ich kriege ein. Es ist unglaublich. (schluckt ...stockt ...)“
Autorin:
Als Carmen Sanchez nach Deutschland kam, traute sie ihren Augen kaum. Direkt im Nachbardorf in Stommeln bei Köln wuchsen: Olivenbäume.
Musik 7
"Un Héros Très Discret - Départ en Train" - Album: Jacques Audiard - Komponist: Alexandre Desplat - Länge: 0'23
Autorin:
Dicht an dicht stehen die 115 Olivenbäume beim Gartenhof Becker, die langen Zweige mit den grünen Blättern recken sich nach oben. Dem Regen entgegen. Es ist ein kühler Maitag. Inhaber Michael Becker hat seinen Schirm aufgespannt. Trotz der kühlen Temperaturen trägt er kurze Hosen:
O-TON 25 Michael Becker:
„2008/2009 dieser Winter war hier zwei oder drei Tage lang unter 20 Grad. Und da haben wir gemerkt, dass das eine Sorte ist, die auch die Kälte verträgt - das ist die Sorte Leccino aus der südlichen Toskana und die anderen Sorten sind uns fast alle kaputtgegangen.“
Autorin:
„Der Oliven-Hain in der Kölner Bucht ist nach Angaben von Michael Becker, der nördlichste der Welt. Und hat es mittlerweile in der Gegend zu einiger Berühmtheit gebracht. Jedes Jahr veranstaltet der Gärtner ein Oliven-Fest zu dem tausende Besucher pilgern, im Hain sitzen, gute Olivenöle probieren und einiges über den Baum erfahren. Dabei hatte alles 2005 als Experiment begonnen sagt Becker, der zu sich in die Küche eingeladen hat.“
O-TON 26 Michael Becker:
„Im Prinzip hab ich gedacht das muss funktionieren. Die Kölner Bucht ist einer der wärmsten Regionen, die es in Deutschland gibt im Winter. Also im Sommer nicht. Es ging ja eigentlich nur darum, ähm zu gucken, können die die Kälte ab oder können die das nicht? Und ja, ich, mein Vater hat gesagt jetzt bist du ganz bekloppt. Er als alter Obstbauer. Wir hatten immer schon eine Apfelplantage Pflaumen, Birnen und da lag die Olive ja auch irgendwie so dazwischen, das passte schon irgendwie.“
Autorin:
Und es passte wirklich. Nach ein paar Jahren gab es dann die ersten Ernten. 2020 waren es sogar 300 Kilo Oliven. Zusammen mit Freunden und Bekannten spannten sie Netze auf, pflückten die Oliven klassisch per Hand. Und dann? Dann war da der Traum vom eigenen Olivenöl aus Köln:
O-TON 27 Michael Becker
„Also das Problem bei Olivenöl ist, von der Ernte bis zur Presse, soll möglichst 24 Stunden sein. So was. Was machen Sie? 24 Stunden von hier also die nächste Presse wäre dann mehr oder weniger am Gardasee? Ah, das ist kaum zu schaffen. Und so mussten wir halt versuchen, irgendwoher eine Presse zu kriegen. Und dann haben wir dann im Prinzip in Italien eine Presse bestellt, die es halt im Baumarkt gibt, um die anscheinend wohl viele italienische Familien, die zwei, drei Bäume haben. Die machen da ihr eigenes. Aber das hat bei uns dann eben nicht ganz so gut funktioniert.“
Autorin:
Aus hundert Kilo Oliven wurden gerade einmal dreieinhalb Liter Öl:
O-TON 28 Michael Becker
„Das war natürlich ein Witz, Aber es war das erste hergestellte Olivenöl in Deutschland. Ich habe immer gesagt, das muss Olio di Cologne heißen.“
Autorin:
Der Geschmack war fantastisch, ähnlich einem italienischen Öl. Doch der Aufwand ist bislang zu groß. Jetzt experimentiert der Gärtner mit eingelegten Oliven.
O-TON 29 Michael Becker:
Das ist so sehr pikante Einlegemethode. Also natürlich Wasser, Kochsalz, Pökelsalz und Rosmarin, Thymian, Knofi, Lorbeerblätter, schon mal eine Zitrone oder Peperoncino. Das gibt dann so ein eigentlich ein Geschmackserlebnis. Und jeder, der das probiert ist eigentlich begeistert und ich mein, Oliven aus dem Rheinland wäre natürlich auch schon eine schöne Sache.“
Autorin:
Wenn da nicht noch einige Hürden wären:
O-TON 30 Michael Becker:
„Da muss dann auch auf Nährwerte geachtet werden. Also das Gesundheitsamt stand, nachdem wir das erste Öl gemacht haben, standen die am nächsten Tag schon bei uns. Und ja, sie verkaufen doch noch nicht das Öl. Und ich könnte mir aber vorstellen, dass das mit den Oliven eingelegt schon funktionieren würde, da würden wir jetzt mal so eine Testphase machen.“
Autorin:
Seit 19 Jahren stehen die Olivenbäume hier in Köln. Sie haben den Gärtner Michael Becker verändert. Mittlerweile ist er nicht mehr für seine Äpfel, Pflaumen und Rosen bekannt, sondern für den Oliven-Hain. Manchmal geht er abends durch die Reihen spazieren …
O-TON 31 Michael Becker:
„Also, ich muss Ihnen ehrlich sagen im Winter mache ich das sehr oft, weil ich dann auch immer, wenn ich merke, es wird ein bisschen kälter, Schiss kriege. Und in den ersten Jahren war das auch ganz extrem. Also, da bin ich immer, da war ich auch irgendwie total stolz. Ich bin ich auch jetzt noch stolz darauf. Das ist auch heute immer noch für mich irgendwie so ein so ein Highlight. Und wir machen im Olivenhain ja auch Olivenöl-Verkostungen, die auch immer total schön sind. Und ich habe dann vor ein paar Jahren noch mal neu geheiratet. Und dann haben wir tatsächlich auch einen Olivenhain, so halbwegs die Hochzeit gefeiert.“
Autorin:
Michael Becker glaubt fest daran, dass es die Olivenbäume auch in Deutschland schaffen könnten. Noch ist er der Einzige in der Kölner Bucht.
O-TON 32 Michael Becker:
„Aber ich denke einfach, wenn der eine oder andere Pionier da auch noch mal versucht, was zu machen, also hier in der Region, kann das funktionieren.“
Musik 8
"Un Héros Très Discret - Départ en Train" - Album: Jacques Audiard - Komponist: Alexandre Desplat - Länge: 0'28
Autorin:
Noch kann es dauern, bis die Olivenbäume hier heimisch werden. Vor allem bis es das erste Olivenöl gibt. Doch diese Versuche sind vielversprechend.
In Österreich haben die Agrorebellen große Pläne. Sie tüfteln zusammen mit der Uni Wien und dem Institut für Bodenkultur an einer Neuzüchtung. Die erste österreichische Olivensorte, sagt Markus Fink:
O-TON 33 Markus Fink:
„Nämlich aus einer alten italienischen Sorte. Die haben wir gekreuzt mit einer sehr tragefreudigen selbstfruchtenden und spanischen Sorte. Und aus dieser Kreuzung haben wir jetzt erste Pflanzen gewonnen und mal sehen, ob die auch wirklich selbstfruchtend sind und auch wirklich sehr freudig sind und auch wirklich so frostresistent sind wie die alte italienische Sorte. Aber da sind wir auf einem guten Weg.“
Autorin:
Und viele Landwirte sind auch offen dafür. Gerade die neuen Generationen. Im Marchfeld im Osten von Österreich steht der 25jährige Matthias Welleschitz im Olivenhain. Angesichts des Klimawandels muss man umdenken, findet er:
O-TON 34 Matthias Welleschitz:
„Es sind halt andere Herausforderungen als vor 30 Jahren. Und Landwirte sind ja bekannt dafür, dass sie kreativ sind. Und irgendwie wird es zu meistern sein. Ansonsten schauts für alle schlecht aus.“
Autorin:
Matthias Welleschitz hofft jetzt auf seine ersten Olivenernten. Fallen die gut aus, will er zusammen mit seiner Familie weitere Olivenbäume pflanzen. Genug Flächen sind vorhanden
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