Der Kölner Dom - Ein Riese der deutschen Geschichte
Der Kölner Dom: Über 600 Jahre dauerte es, bis er stand. Als er 1880 vollendet war, war der Dom sogar für kurze Zeit das höchste Gebäude der Welt. - Aber der Kölner Dom fasziniert nicht nur durch seine schiere Größe, sondern als Monument der Kultur- und Kunstgeschichte.
Credits
Autor und Regie dieser Folge: Martin Trauner
Es sprachen: Katja Bürkle, Peter Veit
Technik: Susanne Herzig
Redaktion: Nicole Ruchlak
Im Interview:
Dr. Mathias Deml – Kunsthistoriker am Dombauarchiv in Köln
Weiterführende Links zum Kölner Dom:
Geschichte des Kölner Doms
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Mathias Deml erklärt den Altar der Stadtpatrone von Stephan Lochner
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Literaturtipps:
Literaturangaben
Arnold Wolff, „Der gotische Dom in Köln“ – da entdeckt man viele Kleinigkeiten aus der Geschichte des Doms. Und vor allem: Schöne Fotografien
Harald Friese, „Der Kölner Dom“ – eine umfassende Darstellung mit vielen Bildern
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Lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Manuskript:
ERZÄHLERIN
Da gibt es dieses Bild aus der Nachkriegszeit des Zweiten Weltkriegs. - Die Stadt Köln liegt in Schutt und Asche. - Die Hohenzollernbrücke, die auf den Dom zuführt, ist von der deutschen Wehrmacht gesprengt worden - die Altstadt: ein Skelett. - Nur der Dom, der Kölner Dom, der hat das alles überstanden…
001 ZUSPIELUNG (Mathias Deml)
Und wenn man sich die Stadt zu diesem Zeitpunkt anguckt, ist die Kölner Innenstadt eine einzige Trümmerwüste und zumindest, aus der Ferne heraus betrachtet, wirkt der Dom so, als ob er den Krieg fast unversehrt überstanden hätte.
ERZÄHLERIN
Der Dom zu Köln, entworfen im Mittelalter, gebaut im Stile der Gotik, ein Mythos - ein Monument für die Ewigkeit?
MUSIK: „Sederunt principes“
ZITATOR (Helmcken 1899)
Der Dom zu Köln — welch heiliger, unergründlicher Zauber liegt in diesem Bilde, in diesem Worte verborgen! Der Dom zu Köln ist für die deutsche Kunst und Kultur, was der Rhein ist für die Herrlichkeit der deutschen Nation. Das Symbol des Rheines ist der Dom!
ERZÄHLERIN
Schreibt ein Kirchenführer aus dem Jahr 1899. Also: der Kölner Dom, der scheint unvergänglich. Unbezwingbar. Und da gibt es ja noch dieses Bild aus den Kriegszeiten 1945, vom Dom, der alles unbeschadet überstanden habe…
002 ZUSPIELUNG (Mathias Deml)
Weswegen dann auch teilweise das Gerücht entstanden ist, der Dom sei ganz bewusst im Krieg verschont worden. - Das stimmt so nicht ganz.
MUSIK aus
ERZÄHLERIN
Sagt Mathias Deml, Kunsthistoriker am Dombauarchiv in Köln. Denn: nicht nur die Alliierten, selbst die deutsche Wehrmacht hat den Dom beschossen. Aber:
003 ZUSPIELUNG (Mathias Deml)
Dass der Dom im Vergleich zu den anderen Bauten in Köln noch so gut aussah, ist letzten Endes seiner Konstruktionsweise zu verdanken. Die meisten der Bomben sind durch die Gewölbe oder auch mal durchs Fenster in den Dominnenraum eingeschlagen, dort detoniert.
Da der Dom aber in erster Linie aus gewaltigen Fensterflächen und relativ schmalen Pfeilern besteht, konnte ein Großteil der Druckenergie, die entstanden ist, durch die Fenster wieder nach außen gelangen.
Das heißt, die Pfeiler wurden durchgeschüttelt. Ein großer Teil der oberen Gewölbe ist eingestürzt. Die Grundsubstanz blieb allerdings stehen.
Atmo Glocke
ERZÄHLERIN
Der Dom hat also den Krieg – obwohl nicht unversehrt - überstanden, und konnte so 1948, drei Jahre nach Kriegsende, ganz besonders gefeiert werden. :
004 ZUSPIELUNG (Mathias Deml)
Ja, es gibt tatsächlich 1948 ein großes Jubiläum in Köln. Da feiert man 700 Jahre Grundsteinlegung.
ERZÄHLERIN
Die Dombauhütte in Köln hatte davor viel zu tun… Eine Radioreportage von 1948 berichtet:
005 ZUSPIELUNG (Radioreportage 1948)
Gründonnerstag im Kölner Dom Jahr 1948. Es ist nicht das würdige Bild, das ansonsten an diesem Tag des Kirchenjahres in einer Kathedrale herrscht.
ERZÄHLERIN
Ein knappes halbes Jahr vor dem Jubiläum im Sommer 1948 besucht der Radioreporter Bernhard Ernst den Kölner Dom…
006 ZUSPIELUNG (Radioreportage 1948)
Und der Rundfunksprecher steigt – etwas wider der Würde des Tages, die Feuerwehrleiter, eine 40 Meter hohe hinauf, um auf eines der Gerüste des Kölner Doms zu gelangen, zum Dombaumeister …
ERZÄHLERIN
Zum amtierenden Dombaumeister Willy Weires. Der berichtet ganz nüchtern von den Restaurierungsarbeiten nach den Kriegsschäden…
007 ZUSPIELUNG (Radioreportage 1948)
Das ist ein schweres Laufgerüst, das wir dort angebracht haben, um die Arbeiten schneller voranzutreiben. Denn sie werden sehen, dass uns dieser Termin sehr auf dem Nacken liegt und dass wir uns sehr anstrengen müssen, um den Dom zur angegebenen Zeit wieder zugänglich zu haben…
ERZÄHLERIN
Der Reporter freilich ist gerührt von der Erhabenheit dieses Bauwerkes…
008 ZUSPIELUNG (Radioreportage 1948) und dann Orgelmusik aus dem O-Ton
(Und) ich glaube, wir können am 15. August, wenn wir hier im feierlichen Rahmen stehen, dann von dem Feste der Auferstehung aus den Trümmern sprechen …
MUSIK (Orgel aus dem O-Ton und dann weg)
ERZÄHLERIN
Der 15. August ist das wohl wichtigste Datum in der Geschichte des Kölner Doms. An diesem Tag, im Jahr 1248, soll der Erzbischof Konrad von Hochstaden den Grundstein für die neue Kirche gelegt haben. –
Ganz nah am Rhein. - Aber erstmal: Selbst wenn man sich den Kölner Dom an keinem anderen Platz mehr vorstellen könnte als direkt vor dem Hauptbahnhof, stellt sich trotzdem die Frage: Gibt es einen speziellen Grund, warum genau hier der Grundstein gelegt wurde?
009 ZUSPIELUNG (Mathias Deml)
Darüber können wir nur spekulieren. Es gab mal in früheren Zeiten die Theorie, dass an der Stelle ein Tempel gestanden haben könnte. Für den gibt es allerdings keinerlei Hinweise. Wir wissen, dass eine erste große Kirchenanlage an dieser Stelle um das Jahr 500 errichtet worden ist.
ERZÄHLERIN
Und bei Ausgrabungen hat man tatsächlich etwas gefunden.
010 ZUSPIELUNG (Mathias Deml)
Aus dieser frühen fränkischen Zeit haben wir unter anderem ein Taufbecken gefunden, das älteste Taufbecken, das im Rheinland erhalten ist. Also nicht so, wie wir heute in Kirchen an Taufbecken kennen, sondern wirklich ein großes Becken für die erwachsenen Taufe, wo man dann zwei Treppenstufen hinab gestiegen ist.
(…) Ein ganz sensationeller Fund.
ERZÄHLERIN
Vermutlich im 9. Jahrhundert errichtet man dann hier eine sehr große karolingische Kirche, den so genannten „Alten Dom“ - Aber warum braucht es dann ein paar hundert Jahre später einen „Neuen Dom“?
011 ZUSPIELUNG (Mathias Deml)
Ja, darüber haben wir leider keine Quelle, die uns das ganz genau sagt, aus dem und dem Grund beginnen wir zu bauen. Wir können nur darüber spekulieren und es gibt sicherlich eine Vielzahl von Gründen.
ERZÄHLERIN
So Mathias Deml. – Ein entscheidender Grund dürfte gewesen sein, dass im Jahr 1164 der damalige Kölner Erzbischof Reinhard von Dassel Gebeine aus Mailand nach Köln gebracht hat – die Gebeine der Heiligen Drei Könige.
012 ZUSPIELUNG (Mathias Deml)
Die Mailänder haben die natürlich nicht ganz freiwillig hergegeben. Es war sozusagen eine Kriegsbeute. Zwei Jahre vorher hatte Kaiser Friedrich Barbarossa zusammen mit seinem Kölner Erzbischof die Stadt Mailand belagert und erobert und als Dank für die geleisteten Dienste hat Reinhard von Dassel diese Gebeine vom Kaiser geschenkt bekommen.
MUSIK: „Ascolta“
ERZÄHLERIN
Die Heiligen Drei Könige sind jetzt in Köln! - Nun muss man wissen, dass diese drei Könige sehr umstrittene und auch nur „so genannte Heilige“ sind. Förmlich „Heiliggesprochen“ wurden sie bis heute nicht. - Im neuen Testament werden sie nur vom Evangelisten Matthäus mit einem Satz erwähnt. Und der nennt sie die „Magoi apo anatolon“ – Also die „Sternendeuter aus dem Osten“. - Wie viele Magier es waren oder gar, wie sie hießen, darüber schweigt sich Matthäus aus.
MUSIK aus
013 ZUSPIELUNG (Mathias Deml)
In Mailand scheinen diese Reliquien relativ unbekannt gewesen zu sein, aber Reinhard von Dassel war ein sehr gewiefter Politiker auch und er reiste nun mit weiten Umwegen nach Köln, unter anderem durchs Burgund, und machte überall, wo er vorbeikam, kräftig Werbung dafür, dass er nun im Besitz der Gebeine der heiligen drei Könige - nach mittelalterlichen Vorstellungen, die Gebeine der ersten christlichen Könige überhaupt - ist. Und als sie in Köln ankamen, wurde Köln zu einem der wichtigsten Wallfahrtsorte des Christentums …
ERZÄHLERIN
Für die Reliquien der Heiligen Drei Könige baut man gegen Ende des 12. Jahrhunderts einen prunkvollen Schrein, da fehlt also nur noch eine prachtvolle Kirche, um die Gebeine auszustellen, und eine große Kirche auch für die Pilger, die zunehmend in die Stadt kamen. Denn nach Köln zu wallfahren hat sich für viele als doch einfacher erwiesen, als die schwere Reise nach Santiago de Compostela in Spanien anzutreten oder gar das Abenteuer nach Jerusalem zu wagen. Zu den anderen wichtigen Heiligen Stätten der Christenheit.
MUSIK: „Tanec“
ERZÄHLERIN
In Köln beruft man nun einen Dombaumeister. Der erste in einer sehr langen, aber auch einer sehr langen unterbrochenen Tradition. - Heute kennt man von ihm gerade noch seinen Namen: Meister Gerhard.
014 ZUSPIELUNG (Mathias Deml)
Wir wissen, dass er wahrscheinlich in den 1260er -Jahren gestorben ist.
Aufgrund der Architektur des Kölner Domes können wir darauf schließen, dass er entweder aus Frankreich kam oder zumindest in Frankreich geschult worden war. Und dort die neuesten großen Kirchenbauunternehmungen sehr gut kannte.
ERZÄHLERIN
Die neuesten „Kirchenbauunternehmungen“ in Frankreich, das sind etwa die Kathedralen von Amiens oder die von Saint-Denis. Und diese Kathedralen sehen so ganz anders aus als die alten romanischen Kirchen. Die es in Köln zuhauf gibt. Diese neuen Gemäuer streben in die Höhe, der Innenraum ist nicht finster, wie bei den alten Kirchen, sondern Licht durchflutet die riesigen Fenster und erhellt den Chorraum. - Heute übrigens nennt man diesen Stil: „Gotik“. Entstanden in Frankreich…
015 ZUSPIELUNG (Mathias Deml)
Der Kölner Dom ist tatsächlich ein erstaunlich französischer Bau, was seine Architektur angeht. Der sich in vielen Dingen etwa im Grundriss an der Kathedrale von Amiens orientiert, im Wandaufbau und in Details, aber auch an der modernsten Pariser Architektur des frühen 13. Jahrhunderts, etwa der Saint-Chapelle in Paris. - Und wie unser ehemaliger Dombaumeister Arnold Wolf immer hervorgehoben hat, neigt der Kölner Dom dazu, die dort gefundenen Formen noch mehr weiter zu entwickeln und zu perfektionieren. Das ist natürlich jetzt schwierig, ohne Bilder, im Radiointerview zu beschreiben…
MUSIK: „Eros“
ERZÄHLERIN
Der Schauspieler August Wilhelm Iffland hat es 1790 trotzdem versucht.
ZITATOR (August Wilhelm Iffland - 1790)
Die Pracht des himmelan sich wölbenden Chors hat eine majestätische Einfalt, die alle Vorstellung übertrifft. In ungeheurer Länge stehen die Gruppen schlanker Säulen da, wie die Bäume eines uralten Forstes (…)
ERZÄHLERIN
August Wilhelm Iffland war hingerissen, als er den Dom betrat.
ZITATOR (August Wilhelm Iffland - 1790)
Lässt sich auch schon das Unermessliche des Weltalls nicht im beschränkten Raume versinnbildlichen, so liegt gleichwohl in diesem kühnen Emporstreben der Pfeiler und Mauern das Unaufhaltsame, welches die Einbildungskraft so leicht ins Grenzenlose steigert…
MUSIK aus
ERZÄHLERIN
Aber noch einmal zurück ins Mittelalter, als in Köln das Unternehmen „Dombau“ Fahrt aufnimmt.
016 ZUSPIELUNG (Mathias Deml)
Und am Anfang hat man auch relativ schnell gebaut, 1322 war der Domchor als wichtigster und bedeutendster Teil des Kölner Domes in voller Höhe fertig gestellt und konnte feierlich eingeweiht werden.
ERZÄHLERIN
Also schon nach knapp 70 Jahren Bauzeit… Für mittelalterliche Verhältnisse ganz flott… Danach beginnt man mit dem Bau von Langhaus, Querhaus und den Türmen. Zwei sollen es werden. Ein Südturm und ein Nordturm.
MUSIK: „Tanec“
ZITATOR (Francesco Petraraca 1333)
„Vidi templum urbe media pulcherimum quamvis inexpletum“ –
ERZÄHLERIN
Im Jahr 1333 soll der italienische Dichter Francesco Petrarca durch Köln gereist sein.
ZITATOR (Francesco Petraraca 1333)
Ich sah mitten in der Stadt die herrliche Domkirche, die man nicht ohne Grund die allerherrlichste nennt, obwohl …
ERZÄHLERIN
Petrarca schiebt ein „quamvis“, also ein--- „obwohl“ hinterher. Was das wohl bedeutet? - Ihm ist halt nicht verborgen geblieben:
ZITATOR (Francesco Petraraca 1333)
Der Dom ist unvollendet…
MUSIK aus
ERZÄHLERIN
Mathias Deml von der Kölner Dombauhütte ergänzt:
017 ZUSPIELUNG (Mathias Deml)
Und da merkt man, dass dann der Bauprozess allmählich ins Stocken geraten ist. Und irgendwann zwischen 1520 und 1530, ganz genau wissen wir es nicht, hat man dann die Bauarbeiten tatsächlich für über 300 Jahre unterbrochen.
ERZÄHLERIN
Warum eigentlich der Dombau zu dieser Zeit eingestellt wurde, weiß man auch nicht genau. Vermutlich war die Zeit der großen Kathedralen nach französischem Vorbild einfach vorbei… Der Dom bleibt also über viele Jahrhunderte ein Fragment. Trotzdem prägt er das Kölner Stadtbild des Mittelalters, und das, obwohl von den Türmen nicht viel zu sehen gewesen ist. Vom Nordturm stehen nur wenige Mauern, gerade mal fünf Meter groß, aber immerhin, zumindest der Südturm ist etwas über 56 Meter hoch, er hat so ungefähr ein Drittel der heutigen Höhe erreicht. Oben auf dem unvollendeten Südturm sieht man eine verwaiste Baustelle…
018 ZUSPIELUNG (Mathias Deml)
(Und) oben auf diesem Turmstumpf stand ein gigantischer hölzerner Baukran, wahrscheinlich eine der größten Baumaschinen des Mittelalters überhaupt, der bis ins 19. Jahrhundert dann das Wahrzeichen von Köln war.
ERZÄHLERIN
In vielen zeitgenössischen Kupferstichen wird der Dom mit dem Kran abgebildet. Und erstaunlich, obwohl der Dombau ruht, den Kran hält man in Stand, nach einem Blitzeinschlag im frühen 17.Jahrhundert wird er sogar repariert. Der Baukran wird für viele Generationen zum Sinnbild dafür, dass der Dom irgendwann fertig gestellt werden wird… So hofft man das zumindest …
019 ZUSPIELUNG (Mathias Deml)
Dieser Baukran war wirklich weltberühmt, sogar in „Moby Dick“, einem amerikanischen Roman von Herman Melville, wird er erwähnt als Symbol dafür, dass die wirklich großartigen Werke der Menschheit viele, viele Generationen brauchen, um vollendet zu werden.
MUSIK: „The vikings & Barons“
ERZÄHLERIN
Hermann Melville bemüht sich, in einem Kapitel von Moby Dick über alle Erscheinungsformen von Walen zu schreiben. Also: Welche Arten von Walen gibt es? Wie sehen die aus? - In der Fachsprache nennt man dieses Vorhaben eine „Cetologie“ - Ein schwieriges, sogar unmögliches Unterfangen. -
ZITATOR (Melville – „Mobby Dick“ - Übersetzung 1922)
„Doch nun lasse ich mein cetologisches System im Stich, so unfertig, wie der erhabene Kölner Dom gelassen wurde, mit dem Kran hoch auf der Plattform des unvollendeten Turms. Denn kleine Bauwerke können von dem beendet werden, der sie zuerst geplant hat; die großen, die wahren, sie überlassen es immer der Nachwelt, den Schlussstein einzufügen…
MUSIK aus
ERZÄHLERIN
Über Jahrhunderte ist also nicht viel passiert, an dem Kölner Domrohbau. Der gotische Stil war zunehmend aus der Mode gekommen. Selbst ein Johann Wolfgang von Goethe hält die Gotik lange Zeit für eine Ansammlung von „Zusammengestoppeltem, Aufgeflicktem, Überladenem“. - Doch plötzlich tut sich was in Köln… Denn im späten 18. Jahrhundert findet man die Gotik plötzlich gar nicht mehr ganz so schlecht. Aber nun muss man den Dom erstmal vor einem äuß0eren Feind schützen…
020 ZUSPIELUNG (Mathias Deml)
1794 ist Köln von französischen Revolutionstruppen erobert worden…
MUSIK: „Holcane attack“
ERZÄHLERIN
Die Mitglieder des Domkapitels fliehen mitsamt dem Dreikönigsschein und der Dombibliothek auf die andere Seite des Rheins nach Osten, genauer gesagt weit in den Kölner Osten, ins Sauerländische Arnsberg. - Und die französischen Soldaten besetzen den Dom. Das Gebäude dient jetzt als Magazin und als Kriegsgefangenenlager. Die französischen Soldaten verheizen alles Holz, das greifbar ist. Erstaunlicherweise verschonen sie das mittelalterliche Chorgestühl – Aber: die letzte Messe im Dom scheint gelesen zu sein…
021 ZUSPIELUNG (Mathias Deml)
Und genau in dieser Zeit eigentlich der größten Gefährdung für den Dom gab es nun hier in Köln einige Leute, die den Bau wieder entdeckten. An erster Stelle muss hier Sulpiz-Boisserée, ein Kaufmannsohn aus Köln genannt werden, der nun alles dafür tat, bei seinen Zeitgenossen dafür zu werben, diesen gewaltigen Bau, der sehr, sehr stark auch heruntergekommen war, zu restaurieren und vielleicht dann auch, wie es dann tatsächlich passiert ist, zu vollenden.
ERZÄHLERIN
Sulpiz-Boisserée ist gerade mal 24 Jahre alt, als er seine Mission beginnt. Die französischen Truppen besetzen immer noch Köln, aber der junge Kaufmannssohn wirbt und wirbt für sein neues Dombauvorhaben. Er kann sogar einen gewissen Johann Wolfgang von Goethe für sich gewinnen, der sich mittlerweile vom Saulus zum Paulus gewandelt hat. Goethe lehnt die Gotik jetzt nicht nur nicht mehr ab, er hält sie für „d i e“ deutsche Baukunst. Natürlich sei die Gotik erfunden worden von einem Genie, so wie er selbst eines ist …
022 (Teil1) ZUSPIELUNG (Mathias Deml)
Das Ganze hat sich dann noch vermengt mit nationalen Ideen. Nach den gewonnenen Befreiungskriegen gegen Napoleon hat man lange darüber debattiert, wo man ein großes deutsches Nationaldenkmal errichten könnte. - Und da hat bereits 1814 Josef Görres vorgeschlagen, man könne doch den Kölner Dom, alle Deutschen gemeinsam, egal welcher Konfession, fertig bauen. Görres vertrat die Meinung, die viele seiner Zeitgenossen fälschlicherweise vertraten, die Gotik wäre ein typisch deutscher Baustil. Und in die Diskussion hat sich dann am Ende auch noch der Kronprinz von Preußen eingemengt, der ganz begeistert vom Kölner Dom war. Und nun versprochen hat, wenn ich mal König geworden bin, gebe ich viel Geld dafür aus, den Dom fertig zu bauen.
MUSIK: „Sederunt principes“ -
ERZÄHLERIN
Und dann geht es tatsächlich sehr schnell. Also nicht nur nach mittelalterlichen Maßstäben … Schon 1824 ist eine neue Dombauhütte gegründet worden, die zunächst erst einmal die vielen Schäden des bestehenden Baus beseitigen musste. Und der Kronprinz von Preussen?
022 (Teil2) ZUSPIELUNG (Mathias Deml)
Er hat 1842 Wort gehalten und als Friedrich Wilhelm IV. den Grundstein zum Dombau gelegt
ERZÄHLERIN
Dann geht man den Dominnenraum an. Vollendet das Lang- und das Querhaus. - Und in nur 15 Jahren errichtet die Dombauhütte mit Hilfe neuer Techniken, etwa mit Hilfe der Dampfmaschine, die beiden Türme genauso und in der Gestalt, wie sie ursprünglich, 600 Jahre zuvor, geplant worden sind.
023 ZUSPIELUNG (Mathias Deml)
Wir haben aber tatsächlich aus dem Mittelalter einen über vier Meter hohen Pergamentplan. Und der zeigt die beiden Türme bis ins Detail so durchgezeichnet, wie sie mit relativ wenigen Abweichungen tatsächlich dann im 19. Jahrhundert fertig gestellt worden sind.
ERZÄHLERIN
Mit 157 Metern Höhe ist der Kölner Dom bei seiner Vollendung im Jahre 1880 für einige Jahre das größte Bauwerk der Welt…
MUSIK ein wenig pathetisch und dann weg
ERZÄHLERIN
Und nun hatte man kurz gedacht, nach über 700 Jahren Bauzeit müsste doch jetzt mal Ruhe sein. – Köln hat endlich seinen Dom. Und endlich zu Ende gebaut, aber…
024 (Teil1) ZUSPIELUNG (Mathias Deml)
Aber natürlich auch nachdem der Kölner Dom fertig war, 1880, waren die Arbeiten nicht ganz abgeschlossen. Es gab noch Arbeiten im Innenraum, an der Ausstattung, Nachbesserungsarbeiten. Das Ganze hat bis ins frühe 20.Jahrhundert gedauert. Und dann hat der damalige Dombaumeister, der auch die Domvollendung im Amt erlebt hatte, Richard Voigtel, zwei Jahre vor seinem Tod (…) gesagt, die nächsten 100 Jahre müssen wir am Dom nichts mehr machen.
ERZÄHLERIN
Das war im Jahre 1900.
024 (Teil2) ZUSPIELUNG (Mathias Deml)
Und nur zwei Jahre nach seinem Tod (…) fiel ausgerechnet auch noch nach einem sonntäglichen Pontifikalamt im Kölner Dom der Flügel einer Engelfigur direkt über dem Hauptportal herunter.
ERZÄHLERIN
Aber es bleibt nicht bei dem einen Flügel. Den ersten Weltkrieg überstand der Dom noch unbeschadet. Doch im zweiten Weltkrieg erlitt der Nordturm einen Treffer, die Orgel ging verloren, das Hochschiffgewölbe des Langshauses stürzte ein. - Aber trotz dieser Kriege ist erstaunlich, dass sich im Kölner Dom etwas erhalten hat, das vielen anderen Kirchen nicht vergönnt war: Glocken aus dem Mittelalter…
025 ZUSPIELUNG (Mathias Deml)
Der Kölner Dom hatte das große Glück, dass im Ersten Weltkrieg nur eine seiner Glocken eingeschmolzen wurde und da auch erst ganz am Ende des Krieges, die sicherlich gar nicht mehr für Rüstungszwecke verwendet worden, die so genannte Kaiserglocke. - Und im Zweiten Weltkrieg schaffte das Domkapitel durch geschicktes Taktieren tatsächlich zu verhindern, dass überhaupt eine Glocke des Domes eingeschmolzen worden ist, so dass der Kölner Dom ein relativ besonderes Geläut hat, zudem unter anderem auch noch vier mittelalterliche Glocken heute gehören.
Atmo: Geläut „Kölner Dom“
ERZÄHLERIN
Also, wenn wir heute die Glocken des Doms hören, machen wir vielleicht eine akustische Zeitreise. Denn vor 700 Jahren klang das Geläut, wer weiß es, wohl gar nicht so anders wie heute …
026 ZUSPIELUNG (Mathias Deml)
Das sind einmal zwei kleine Glocken aus dem frühen 14. Jahrhundert, die bereits 1322 wahrscheinlich zur Weile des Domchors zu hören war, und zwei Großglocken des 15. Jahrhunderts, die Pretiosa und die Speciosa.
ERZÄHLERIN
Der Kölner Dom hat über viele Jahrhunderte die deutsche Geschichte überstanden und begleitet Und, na ja, er wird vielleicht wohl auch die Irrungen und Wirrungen der nächsten Jahrhunderte überdauern…
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