Am 6. Juni 1944 landen alliierte Truppen in der Normandie - das Schicksal von Nazi-Deutschland ist besiegelt! Etliche Schriftsteller, darunter Ernest Hemingway, Stefan Heym, Thomas Mann und Jean-Paul Sartre berichten über diesen folgenschweren Tag. Autor: Joachim Scholl
Credits
Autor dieser Folge: Joachim Scholl
Regie: Frank Halbach
Es sprachen: Irina Wanka, Christian Baumann, Caroline Ebner, Stefan Merki
Redaktion: Andra Bräu
Quellenhinweise finden Sie im Manuskript
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ZITATOR
Achtung, Achtung, hier ist die BBC London. Wir senden nun Mitteilungen in französischer Sprache: (kurze Pause) – „Les anglots longs de violons de l’automne / Blessent mon coeur d’une langue montone...“ / Atmo stehen lassen, darauf Sprecherin)
SPRECHERIN
„Les anglots longs de violons de l’automne / Blessent mon coeur d’une langue montone...“ – „Das lange Schluchzen herbstlicher Geigen / Die mein Herz mit langweilender Mattigkeit verwunden“ – an einem Dienstag, in der Nacht zum 2. Juni 1944 erklingt im britischen Rundfunk französische Poesie. Nur die ersten beiden Zeilen von „Chanson d’Automne“, aus dem Gedicht „Herbstlied“ von Paul Verlaine. Aber das genügt, die Empfänger reagieren wie elektrisiert. MUSIK ENDE
Es ist eine literarisch verschlüsselte Botschaft an die Résistance, die Widerstands- bewegung im besetzten Frankreich. Jahrelang haben die Untergrundkämpfer auf diese Verse gewartet, die jetzt nur eines bedeuten: Innerhalb der nächsten 48 Stunden beginnt hier, auf dem Kontinent, der große Angriff – die Invasion!
SPRECHER
Noch einmal wird die Geduld der Résistance auf eine harte Probe gestellt. General Dwight D. Eisenhower, der amerikanische Oberbefehlshaber der alliierten Landungstruppen, hat den Invasionstermin auf den 4. Juni gelegt. Drei Millionen Soldaten sind an der südenglischen Küste zusammengezogen. Mehr als 5000 Schiffe drängeln sich in den Häfen am Kanal. 7000 Kampf- und über 2000 Transportflugzeuge stehen bereit. Doch dann schlägt das Wetter um, Sturm kommt auf. Die erste Welle an Schiffen, die bereits unterwegs ist, muss umkehren. Das Warten wird unerträglich.
MUSIK „Verklärte Nacht, op 4.“; ZEIT: 00:47
ZITATOR
In der ganzen Welt fragten sich die Menschen, wann es soweit sein würde, und nicht wenige beteten. Aber nirgends war die Spannung größer als ins London. Hier fühlte man das Drama, auf beinahe schmerzend körperliche Weise. Es war so nah, nur eine Stunde entfernt, bis zur Küste im Süden.
MUSIK ENDE
SPRECHERIN (auf Musik)
Der kanadische Kriegs-Korrespondent Lionel Shapiro in seinem 1956 veröffentlichen Roman „The 6th of June“, „Der 6. Juni“:
MUSIK „Verklärte Nacht, op 4.“; ZEIT: 00:23
ZITATOR
Die Menschen gingen in die Pubs, um die endlosen Abende zu verkürzen. Hier war es am schlimmsten. Die Lokale waren voll und trotzdem tödlich still. Warum nur? Es ist diese verdammte Warterei, sagten die Leute zu sich, aber es war der Tod an den Stränden, an den sie in Wahrheit dachten.
MUSIK ENDE
O-Ton engl. BBC-Kriegsberichterstatter 0’57 / mit Voice over
„The Canal troops are landing, they are landing all around me, as I speak, red and white parachutes fluttering down, in perfect formation…”
SPRECHERIN
Am 6. Juni ist „D-Day“, Decision Day, der Tag der Entscheidung. Ab 1.00 Uhr nachts landen 18.000 britische und amerikanische Fallschirmjäger im Hinterland der normanischen Küste zwischen Sainte-Mère-Église und Caen. Sie treffen auf einen völlig überraschten Gegner. Niemand bei der deutschen Heeresleitung hat den Angriff zu diesem Zeitpunkt erwartet. Auch nicht der Schriftsteller Ernst Jünger, der als Offizier im Generalstab von Paris stationiert ist. Zwei Tage nach der Landung schreibt er in seinem Tagebuch:
ZITATOR
Am gestrigen Tag bei General Speidel in La Roche-Guyon. Wir fuhren gegen Mitternacht zurück. Auf diese Weise verpassten wir um eine Stunde das Eintreffen der ersten Meldungen über die Landung. Sie wurde am Morgen bekannt und überraschte viele. Die ersten abgesprungenen Kräfte wurden nach Mitternacht festgestellt. Zahlreiche Flotten und mehrere tausend Flugzeuge traten bei den Operationen auf. Es handelt sich ohne Zweifel um den Beginn des großen Angriffs, der diesen Tag historisch machen wird.
SPRECHERIN
Und Adolf Hitler? Der „Führer“ weilt in Berchtesgaden und verschläft den Vormittag. Seit 5 Uhr 30 rollen die Angriffswellen gegen die Strände der Normandie, um 10 Uhr 15 traut man sich endlich, Hitler zu wecken. Im Morgenmantel empfängt er die Nachricht. Dann verstreichen entscheidende Stunden, der selbsternannte Oberbefehlshaber der Wehrmacht zögert, die bereitstehenden Panzer-Divisionen in Marsch zu setzen.
MUSIK privat Take 005 “The Winter Soldier”; Album: Captain America The Winter Soldier (Original Motion Picture Soundtrack); Label: Hollywood Records – D0001911602; Interpret: Gavin Greenaway; Komponist: Henry Jackman; ZEIT: 00:35
Generalfeldmarschall Rommel, der Oberkommandierende der deutschen Truppen in Frankreich, fleht Hitler förmlich an. Am Nachmittag, viel zu spät, gibt er endlich den Befehl. Erst am späten Abend wird die Invasion in Deutschland bekanntgemacht.
MUSIK hoch
SPRECHER
Als Ernst Jünger in der Nacht zum 6. Juni durch Paris fährt, hätte er zwei französischen Schriftstellern begegnen können: Jean-Paul Sartre und Simone de Beauvoir.
MUSIK ENDE
Sie kommen gerade von einer Party, es wurde getrunken, gesungen, gelacht, Albert Camus hatte wie wild getanzt. In ihrer Autobiographie schreibt Simone de Beauvoir:
ZITATORIN
Wir gingen mit Olga und Bost zur ersten Metro und begleiteten die beiden bis zum Montparnasse. Die Place de Rennes lag verlassen im fahlen Licht der Morgendämmerung. Plakate an der Bahnhofsmauer verkündeten, dass der Zugverkehr eingestellt sei. Was ging vor? Ich schlief fünf oder sechs Stunden. Als ich erwachte, drang die Stimme eines Radios durch mein Fenster. Sie sagte lang erwartete, unglaubliche Dinge, ich sprang aus dem Bett. Die anglo-amerikanischen Truppen hatten in der Normandie Fuß gefasst! Die Tage, die nun kamen, waren ein einziges Fest. Die Leute lachten einander zu, die Sonne strahlte – und wie fröhlich waren die Straßen.
SPRECHER
Jean-Paul Sartre zeigt weniger Enthusiasmus, er fühlt sich unschön abgelenkt. hat nur Sinn für sein neues Theaterstück „Huis Clos - bei Geschlossene Geellschaft“, das in diesen Tagen Premiere feiern soll. – Viele tausend Kilometer entfernt, im kalifornischen Exil, ist ein anderer Dramatiker von Weltgeltung ebenfalls ganz auf seine Arbeit konzentriert. Genau am Invasionstag vollendet Bertolt Brecht den „Kaukasischen Kreidekreis“. Dann geht er ins Kino. In seinem „Journal“ verzeichnet er diesen Eintrag:
ZITATOR
6. Juni 1944. – Ich kam mit Homolka und Karin aus dem Film „Memphis Belle“ – der Flug einer Flying Fortress nach Wilhelmshaven – und saß schon wieder beim Schach, als Hanns Eisler telefonierte, die Invasion in Frankreich habe eingesetzt. Das Radio spie Nachrichten, ein Augenzeuge sprach schon von der Normandie aus. (( Barbara sagt, dass die Lehrerin für Social Science die Invasion nicht mit einem Wort berührt hätte, auch Steff hörte nahezu keine Äußerungen an der Universität. Winge berichtet, ein Mann hätte zu ihm gesagt: „Da regen sich nur die Fremden auf und die, die Verwandte drüben haben bei der Armee.“) )
SPRECHERIN
In Brechts Nachbarschaft wird die Nachricht mit größerem Interesse aufgenommen. Der berühmteste Schriftsteller des deutschen Exils, Thomas Mann, feiert ausgerechnet am D-Day Geburtstag. Am Abend notiert er in sein Tagebuch:
ZITATOR
Pacific Palisades, Dienstag, den 6. Juni. – Mein 69. Geburtstag. Stand halb neun Uhr auf. Während Katja mir ihre Geschenke zeigte, rief Mrs. Meyer aus Washington an, von der ich, bevor ich die Zeitung gesehen, erfuhr, dass die Invasion Frankreichs bei Caen, Calais, Le Havre begonnen hat. Eigentümliches Zusammentreffen. Beim Frühstück die Zeitungsnachrichten. Die Meyer erklärte,
befriedigende direkte Nachrichten aus dem Kriegsministerium zu haben. Spannung auf koordinierte Aktionen der Russen. Telephon mit den Franks. Man erwartet eine weitere Ansprache des Präsidenten.
Regie: O-Ton / Amerik. Nachrichtensprecher (In OF: ab 12‘36)
„Ladies and Gentlemen, the President of the United States…”
SPRECHERIN
Tags zuvor hat Franklin D. Roosevelt im Rundfunk den Einmarsch alliierter Truppen in Rom verkündet. Nun wendet sich der amerikanische Präsidente erneut an sein Volk:
Regie: O-Ton / Roosevelt TC 12:36-13´42
My fellow Americans! Last night when I spoke to you about the fall of Rome I knew at that moment that troops of the United States and our allies were crossing the channel.”
DARÜBER
ZITATOR
Liebe Mitbürger. Gestern Nacht, als ich zu Ihnen sprach, über den Fall von Rom, wusste ich in diesem Moment bereits, dass Truppen der Vereinigten Staaten und unserer Verbündeten den Kanal überquerten. Bis jetzt waren wir erfolgreich. Und so bitte ich Sie, in dieser kritischen Stunde, mit mir zu beten...
SPRECHERIN
Genau zu dieser Zeit arbeitet Thomas Mann an seinem Roman „Doktor Faustus – Die Geschichte des Tonsetzers Adrian Leverkühn, erzählt von einem Freunde“. Serenus Zeitblom heißt der eher furchtsame, brave Chronist, und in die Rekapitulation der tragischen Biographie Leverkühns mischt der Erzähler aktuelle Beobachtungen und Reflexionen. Am 23. Mai 1943 setzt der Roman ein, an diesem Tag beginnt Thomas Mann mit der Niederschrift. Im Juni 1944 befindet er sich im 33. Kapitel. Und die sensationelle Nachricht aus der Wirklichkeit diktiert ihm die Fiktion.
MUSIK „Verklärte Nacht, op 4.“; ZEIT: 00:48
ZITATOR
Die Invasion Frankreichs, als Möglichkeit längst anerkannt, hat sich vollzogen – eine mit vollkommener Umsicht vorbereitete technisch-militärische Leistung ersten oder überhaupt neuen Ranges, und bald waren es der zu Strande gebrachten Truppen, Tanks, Geschütze und jederlei Bedarfe mehr, als wir wirder ins Meer zu werfen vermochten. Cherbourg hat nach heroischen Radiogrammen des Kommandierenden Generals an den Führer kapituliert, und seit Tagen schon tobt eine Schlacht, deren Streitgegenstand die normannische Stadt Caen ist.
MUSIK ENDE
Regie: O-Ton / Dt. Kriegsberichterstatten 0’15 (In OF: 21’08)
„Hier hart an uns vorbei heulen die Granaten der englischen Artillerie, sie beschießt den Dorfrand hinter unserem Rücken, wo man anscheinend Fahrzeug- bewegungen erkannt hat. In der Talsohle vor uns sind die grauen Ruinen und zerfetzten Baumstümpfe eines total, bis auf das letzte Haus heruntergebrannten Dorfes zu sehen. .
MUSIK „Hydra“; ZEIT: 02:03
SPRECHER
Um 3.30 Uhr hat der Feuerschlag begonnen. Tausende von Schiffsgeschützen beschießen die deutschen Befestigungsanlagen. In der Luft ist die gesamte Bomberflotte im Einsatz. Noch warten die über 4000 Landungsboote im sicheren Schutz der Geleitschiffe. Die alliierte Führung hat den 30 Kilometer langen Küstenstreifen in fünf Landezonen eingeteilt. Im Abschnitt „Utah“ und „Omaha“ landen amerikanische Soldaten, und in einem Boot vor „Omaha Beach“ sitzt mitten unter den durchnässten und frierenden G.I.s der weltberühmte Romancier Ernest Hemingway. Als Kriegs-Korrespondent hat er schon zuvor von vielen Fronten berichtet. Die Invasion sollte die Krönung für den Boxer, Stierkampf-Liebhaber und notorischen Macho sein. Seinen Wunsch, gleich in der ersten Angriffs-Welle mitzufahren, lehnt das alliierte Presse-Ministerium entsetzt ab – den ersten Lande-Einheiten werden wenig Überlebens-Chancen eingeräumt. Man rechnet mit 10.000 Toten, eine Zahl, die sich als realistisch erweisen sollte. Hemingway darf in die siebte Welle!
ZITATOR
Wir näherten uns der Küste im Morgengrauen. Das Landungsboot war sechsundreißig Fuß lang und sah aus wie ein Sarg. Er nahm viel Wasser über, das in grünen Schauern auf die Stahlhelme der Soldaten prasselte, die Schulter an Schulter hockten, in der steifen, ungeschickten, ungemütlichen, einsamen Genossenschaft von Männern, die in die Schlacht gehen. Unter der Back des stählernen Boots lagen Kisten voll TNT, mit Gummischwimmwesten umwickelt, um in der Brandung zu schwimmen, und Bazookas in Haufen und Kisten voll Bazooka-Raketen, und alle diese Munitionspacken steckten in wasserdichten Plastikhüllen wie die College-Girls, wenn’s regnet. Voraus war die französische Küste zu sehen.
MUSIK ENDE
SPRECHERIN
Der Reporter Hemingway war auf „Omaha Beach“ gelandet; im südlichsten Abschnitt „Utah“ liegt der einfache Gefreite Jerome D.Salinger im Sand. Der spätere Verfasser von „Der Fänger im Roggen“ wird nur ein einziges Mal in seinem Leben von diesem Tag erzählen, leicht angetrunken, auf einem Veteranentreffen, sonst hätte die Welt nie davon erfahren.
SPRECHER
Dort, wo die Einheit von Jerome D.Salinger gelandet ist, trifft sie auf den heftigsten Widerstand der Deutschen. Hier sind die Verteidigungsanlagen am besten ausgebaut. Minenfelder, Sperrhöcker, Stacheldraht und in den Sand getriebene Balken machen die Landung von Panzern und Fahrzeugen schier unmöglich. Diese Balken heißen im Jargon der deutschen Landser „Rommelspargel“. Sie liefern, bald 15 Jahre später, dem Schriftsteller Günter Grass den Anlass für ein satirisches Gedicht in seinem Roman „Die Blechtrommel“. Im Sommer 1944 ist der Held Oskar Matzerath Mitglied in einer Fronttheatertruppe. Man gastiert in Frankreich. Während eines Picknicks auf den Betonbunkern des „Atlantik-Walls“ wird spontan gedichtet. Künstlerin Kitty sagt die Verse auf:
Regie: Blechtrommel-Wirbel
MUSIK „Golden arrow“; ZEIT: 00:53
ZITATORIN
Noch waffenstarrend, mit getarnten Zähnen
Beton einstampfend, Rommelspargel
Schon unterwegs ins Land Pantoffel,
Wo jeden Sonntag Salzkartoffel
Und freitags Fisch, auch Spiegeleier:
Wir nähern uns dem Biedermeier
(Trommelwirbel)
((Noch schlafen wir in Drahtverhauen
Verbuddeln in Latrinen Minen
Und träumen tags darauf von Gartenlauben,
Von Kegelbrüdern, Turteltauben,
Vom Kühlschrank, formschön Wasserspeier:
Wir nähern uns dem Biedermeier!
(Trommelwirbel)
Muss mancher auch ins Gras noch beißen
Muss manch ein Mutterherz noch reißen
Trägt auch der Tod noch Fallschirmseide
Knüpft er doch Rüschlein seinem Kleide
Zupft Federn sich vom Pfau und Reiher
Wir nähern uns dem Biedermeier! ))
Blechtrommel-Wirbel
SPRECHER
Anderntags ist der Spaß vorbei, wird das Künstlervölkchen vom Angriff der Alliierten überrascht, Oskars Freundin Roswitha von einer Granate getötet.
SPRECHERIN
Tausende Kilometer entfernt, tief im Osten, empfängt ein weiterer späterer deutscher Literatur-Nobelpreisträger die Nachrichten aus der Normandie. Seit fünf Jahren, vom ersten Tag des Krieges an, marschiert der Infanterist Heinrich Böll durch den Schrecken. Er wird schwer verwundet und kommt nur knapp mit dem Leben davon. Die Landung der Alliierten lässt Böll hoffen. Sehnsüchtig schreibt er gleich am 7. Juni aus einem ungarischen Lazarett an seine Frau Annemarie:
ZITATOR
Gestern Abend erfuhren wir alle mit großer Erregung und Erwartung von der Invasion im Westen. Das ist ein unglaublich wichtiges Ereignis, diese Invasion, das kann wirklich zur Entscheidung des Krieges noch in diesem Jahr führen; wäre es nicht toll, wenn uns endlich einmal ein Zeichen vom Beginn des Endes leuchten würde, ach, dieser wahnsinnige, verbrecherische Krieg muss bald zu Ende gehen!
Regie: O-Ton Winston Churchill (In OF: 33’41)
“We tried again and again to prevent this war...
ZITATOR
„Immer wieder haben wir versucht, diesen Krieg zu verhindern“, hat der britische Premierminister Winston Churchill im November 1939 gesagt.
Regie: O-Ton kurz hochziehen
„...which should not have happened…
ZITATOR 1
“Aber jetzt sind wir im Krieg, und wir warden Krieg führen, und wir warden ihn solange führen, bis die andere Seite genug davon hat.
Regie: O-Ton kurz hochziehen
„...until the other side has had enough of it.“
SPRECHERIN
Am 11.Juni vereinigen sich die alliierten Brückenköpfe zu einer geschlossenen Front, die Invasion ist endgültig gelungen – mehr als eine halbe Million Soldaten und 90.000 Fahrzeuge stehen auf französischem Boden. Es wird nur noch zwei Monate dauern, bis die Streitmacht Paris erreicht. Am 25. August wird die Hauptstadt befreit. - Als passionierter und bekannter Schriftsteller wird Winston Churchill ebenfalls über die Invasion und den Siegeszug der Alliierten schreiben, in seinem Buch „Der Zweite Weltkrieg“ – noch vor Abschluss des sechsbändigen Werks erhält er dafür 1953 den Literatur-Nobelpreis.
SPRECHER
Im selben Jahr 1948, als der erste Band von Winston Churchills Kriegs-Memoiren erscheint, kommt in New York der Roman eines deutschen Schriftstellers auf den Markt: „The Crusaders“ – ein weitgespanntes 800-Seiten-Epos, das nach der Landung der Normandie einsetzt, die Befreiung Frankreichs beschreibt, die Schicksale von Amerikanern und Deutschen gleichermaßen schildert und bis zur Eroberung Deutschlands reicht. Der Verfasser heißt Stefan Heym! –
SPRECHERIN
Als Technical Sergeant hat er im Presse-Korps der 12. US-Armee die Invasion aus nächster Nähe erlebt, es ist für ihn auch die Wiederkehr nach Europa! – 1933, mit zwanzig Jahren, war der Sohn einer jüdischen Kaufmanns-Familie nach dem Reichtagsbrand aus Deutschland geflohen. In den USA wurde er zum Amerikaner und erfolgreichen Schriftsteller, 1943 meldete er sich freiwillig zum Militär. Im Einsatz in Frankreich arbeitet er für die Feindaufklärung, verfasst Flugblätter und Ansprachen, die über Lautsprecher die deutschen Soldaten zur Aufgabe bewegen sollen. Im Roman hat Stefan Heym eines dieser von ihm entworfenen Flugblätter eingebaut:
ZITATOR
... wofür kämpft Ihr? Um einen verlorenen Krieg zu verlängern, einen Krieg, der Europa vernichtet, einen Krieg, der euch selbst vernichtet. Fünf Jahre lang habt ihr gekämpft. Milllionnen sind in Russland gefallen, und täglich nähern sich die Russen der deutschen Grenze. Die Front im Westen rollt donnernd vorwärts. Wenn ihr euch noch retten wollt, wenn ihr Deutschland noch retten wollt, gibt es nur einen Ausweg: SCHLUSS MACHEN!
SPRECHERIN
Stefan Heym wird nach dem Krieg zu einem der bedeutendsten Schriftsteller der jungen DDR. „The Crusaders“ erscheint dort 1950 unter dem deutschen Titel „Kreuzfahrer von heute“, in Westdeutschland wird die Ausgabe später „Der bittere Lorbeer“ heißen. Für seine militärischen Dienste wird Stefan Heym von den USA mit dem Bronze Medal Star ausgezeichnet. – Und in seinem Flugblatt hat er die Wahrheit gesprochen: Am 22. Juni, zwei Wochen nach der Invasion, sind 200 Divisionen der Roten Armee zur Offensive im Osten angetreten, sie sind den Deutschen fünffach überlegen. Überall nun brechen die deutschen Fronten zusammen.
Regie: Musik / unter Text
SPRECHER
Jetzt beginnt das Ende. Auch Serenus Zeitblom hat die Nachrichten gehört. In Kalifornien lässt Thomas Mann seinen ängstlichen Helden um Deutschland zittern:
MUSIK „Verklärte Nacht, op 4.“; ZEIT: 01:12
ZITATOR
Kein Halten mehr! Seele, denk‘ es nicht aus. Wage nicht, zu ermessen, was es heißen würde, wenn in unserem extremen, durchaus einmalig-furchtbar gelagerten Fall die Dämme brächen und es kein Halt mehr gäbe gegen den unermesslichen Hass, den wir unter den Völkern ringsum gegen uns zu entfachen gewusst haben. (...) Das Strafgericht – es komme! Nichts anderes bleibt mehr zu hoffen, zu wollen, zu wünschen. (...) Ein einsamer Mann faltet seine Hände und spricht: Gott sei eurer armen Seele gnädig!
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