Gute Reportagen schreiben und mit ihnen Journalistenpreise gewinnen ist "auch ein ethisches Problem", schrieb Claudius Seidel schon 2010. Denn gute Reportagen verühren ihren Autor, zu verschleiern, dass sie nicht aus "Fleisch, Blut oder quietschenden Autoreifen" bestehen, auch wenn sie davon handeln, sondern nur aus Worten, die ein Autor wählt, mit denen er wie ein Gott durch das Erleben seiner Leser pflügt. Doch wo ist die "asketische moralische Strenge", die sich aus dieser Verantwortung ergibt? Beim Spiegel hat nicht nur ein Autor betrogen, sondern ein System versagt. Und ein ganzes jouranlistisches Genre ist daran gescheitert. Nur eingestehen will man es sich wieder einmal nicht. Fürs Schreiben der Rentnerrepublik denke ich heute etwas in Zeitnot darüber nach.
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