„Niemand kann zu mir kommen“, sagt Jesus, „wenn nicht der Vater, der mich gesandt hat, ihn zieht.“ (Joh 6,43) Vor der Revision der Einheitsübersetzung stand da führt statt zieht. Vielleicht weil ziehen zu sehr nach zerren und nach Einschränkung unserer Entscheidungsfreiheit klingt. Diese Frage hat schon den heiligen Augustinus beschäftigt. Aber, so sagt er, wir können nicht gegen unseren Willen glauben. Wir werden nicht gezerrt, sondern angezogen; weniger gedrängt als verlockt.
Das Ziehen Gottes ist seine Antwort auf unser Verlangen nach ihm. Es hat mit seiner Anziehungskraft, seiner Attraktivität zu tun. Zweimal ist im Johannesevangelium vom Ziehen Gottes die Rede: einmal an der Stelle, die heute gelesen wird: die kommen zu Christus, die vom Vater gezogen werden. Und dann kurz vor seinem Leiden als Jesus sagt: „Wenn ich über die Erde erhöht bin, werde ich alle zu mir ziehen.“ (Joh 12,32) Der Vater zieht uns zum Sohn, und der erhöhte Christus zieht uns dort an sich, wo seine Liebe der Schuld der Welt standhält und den Tod besiegt.
Es gibt ja viele Dynamiken und Kräfte, die uns ziehen (oder an uns zerren). Und nicht alle kommen von Gott. Also kommt es erstens darauf an, dass wir unterscheiden und entscheiden, von welcher Kraft wir uns ziehen lassen wollen. Und zweitens darauf, dass wir Gott bitten, uns zu ziehen: „Fühlst du dich nicht von Gott gezogen“, rät der hl. Augustinus, „dann bete, damit du gezogen werdest!“
view more