Am Schluss der Rede über den guten Hirten sagt Jesus: „Meine Schafe hören auf meine Stimme; ich kenne sie, und sie folgen mir.“ (Joh 10,27)
Mit dem Kennen und dem Gekanntwerden ist das so eine Sache. Wo wir jemanden wirklich kennen, da hat er uns Einblick und sich zu erkennen gegeben. Das kann sehr schön sein. Oder sehr ernüchternd. Je nachdem, was wir finden. Und je nachdem, wie gut wir jemanden wirklich kennen (wollen).
In einem neuen geistlichen Lied beginnt der Refrain mit den Worten: „Und ich danke dir, dass du mich kennst und trotzdem liebst.“ Immer denke ich: Irgendwas stimmt da nicht. Das hieße ja: Je besser wir jemanden kennen, umso mehr Gründe finden wir, ihn nicht zu lieben. Das mag manchmal für den zweiten Blick hinter die Fassade stimmen. Aber dann ist auch das Gegenteil wahr: Je besser wir jemanden kennen, umso mehr verstehen wir, wie er so geworden ist, umso mehr kommen wir dahin, wo das Ja Gottes niemals zu wohnen aufgehört hat.
Ich bin versehrt. Vielleicht auch tief. Ich bin zutiefst des Erbarmens, der Vergebung, der Erlösung bedürftig. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass die Reformatoren recht damit haben, dass ich durch und durch verdorben bin; dass nichts in mir übrig sein soll, was der Liebe lieb ist.
Herr, Du liebst mich nicht obwohl,
sondern weil Du mich kennst.
Und so dank ich Dir, dass Du mich kennst –
und deshalb liebst. Amen
Fra' Georg Lengerke
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