„Das ist ja nur die Spitze des Eisberges“, heißt es, wenn es um die bekannt gewordenen Fälle sexueller Gewalt in der Kirche geht. Will sagen: Der Rest des Eisberges (unter der Wasseroberfläche) sind die nicht bekannt gewordenen Fälle sexueller Gewalt.
Für Jesus ist der Eisberg offenbar noch viel größer als wir denken. Er besteht nämlich nicht nur aus den begangenen, sondern auch aus den vorgestellten Vergehen: „Ihr habt gehört, dass gesagt worden ist: Du sollst nicht die Ehe brechen. Ich aber sage euch: Wer eine Frau ansieht, um sie zu besitzen, hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen.“ (Mt 5,27.28) Ehebruch beginnt nicht im Bett, sondern im Herzen und im Kopf. Der verwirklichte Ehebruch ist „nur die Spitze“ des Sündeneisberges. Der gedachte Ehebruch jedoch gehört zu demselben Eisberg – nur unter der Wasseroberfläche. Das bedeutet, dass jeder unkeusche Blick und Gedanke zu demselben Eisberg von Schuld gehört, dessen sichtbare Spitze unter anderem aus den bekannt gewordenen Fällen sexueller Gewalt in der Kirche besteht.
Die Sünde in der Kirche beginnt schon mit unserem Denken und Schauen. Das macht weder die Schuld der Täter noch das Leiden der Opfer geringer. Aber es erinnert uns daran, dass mit den Kinderschändern die meisten von uns unter Anklage stehen.
Also muss die Bitte um Umkehr und Gnade entweder ihnen genauso wie uns gelten – oder es kann gar niemand auf Gnade hoffen.
Fra' Georg Lengerke
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