Internationales Sommercamp des Malteserordens in Ettal. Seit 700 Jahren wird hier gebetet. Das hat den Ort geprägt. Als ob das jahrhundertelange Beten im Raum stünde.
Auch in der Wahrnehmung der Christen gibt es Gnadenorte. Orte, an denen sich das Heilswirken Gottes immer wieder auf wahrnehmbare Weise mitgeteilt hat. Aber diese Gnadenorte unterscheiden sich von anderen heiligen Orten.
Die Heiden zur Zeit Jesu suchen ihre Gottheiten an deren Orten auf (so die Samariter auf dem Berg Garizim). Für die Juden ist der Gebetsort schlechthin der Tempelberg in Jerusalem. Aber nicht, weil hier ein Gott unter vielen seinen Wohnsitz hat, sondern weil hier die Offenbarung Gottes „wohnt“ und Gott sich hier durch Israel der Welt als Schöpfer und Retter und „Gott aller Götter“ geoffenbart hat. „Wir beten an, was wir kennen“, sagt Jesus zu der Samariterin.
Mit der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus und der Zerstörung des Tempels verändert sich die Verortung des Gebetes ein weiteres Mal. „Die wahren Beter“, sagt Jesus, beten nicht mehr nur hier oder dort, sondern „im Geist und in der Wahrheit“ an.
Der neue Tempel Gottes ist Christus – und der Mensch, mit dem sich Gott in seiner Menschwerdung verbunden hat. Christliches Beten ist nicht ortlos. Der Mensch selbst wird zum heiligen Ort. Wo wir zum dreifaltigen Gott beten, sind wir schon bei ihm eingetreten, beten wir schon „im Geist“ (also verbunden mit ihm) und in der Wahrheit (also zu dem, der sich uns bekannt gemacht hat). Im schönen Ettal oder sonstwo auf der Welt.
Fra' Georg Lengerke
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