Für manchen genervten Schulabgänger war es das Abiturevangelium, das zum Nutzen der Talente mahnt. Für Berthold Brecht war es das Kapitalistenevangelium, in dem die Reichen reicher und die Armen ärmer werden.
Doch geht es hier nicht um Begabungen und Kapital. Es geht um Güter, die „jedem nach seinen Fähigkeiten“ gegeben werden. Die jeweilige Menge ist nicht ein Qualitätsmerkmal, sondern die Weise, wie Gott uns gerecht wird. Keiner bekommt mehr als er kann. Entscheidend ist, dass ich „im Kleinen treu“ bin und nicht ängstlich klein von meiner scheinbar kleinen Gabe denke.
Dann sagt das Gleichnis, dass Gott uns mit den Gaben die Welt anvertraut und uns gewissermaßen das Feld überlässt. Nun geht es darum, die Gaben zu mehren. Wozu? Nicht zur Bereicherung meiner selbst, sondern als dankende Antwort an den Geber und als Weitergabe für die Anderen. Diese Mehrung besteht nicht im Behalten und Verbergen, sondern im Einbringen – mit allen Risiken des Verlustes, die das mit sich bringt.
Ich verbringe diese Wochen gerade mit Freiwilligen aus Deutschland und dem Libanon und mit schwer geistig und körperlich behinderten jungen Männern in den Bergen oberhalb von Beirut. Günstige Bedingungen für große Investitionen. Mancher entdeckt erst im Geben, was er empfangen hat. Und wo immer Einer für den Anderen in die Gemeinschaft des Leibes Christi investiert, was er empfangen hat, dort ergeht eine Einladung, die schon hier den Himmel meint: „Komm, nimm teil an dem Freudenfest deines Herrn.“
Fra' Georg Lengerke
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