Je nachdem, wo einer steht, hört er das Evangelium anders. Dem Trägen wird gesagt, aufzustehen, und dem Unentwegten, sich auszuruhen. Die Zerstreuten werden gerufen, sich zu sammeln, und die Versammelten werden gesendet. Die Sünder werden zur Umkehr gerufen und die Gerechten in die Dankbarkeit.
Manchmal sind es nur kleine Hinweise, die meinen Gewohnheiten gegenläufig sind und mich innehalten lassen. So heute, wenn von der Einsamkeit, dem Abstieg und dem Anhalten die Rede ist.
Jesus geht in die Einsamkeit und durchbetet die Nacht. Auch noch im mittleren Alter muss ich der einen Angst widerstehen, etwas zu verpassen, und mich der anderen Angst stellen, dass die Einsamkeit vor Gott unbeantwortete Fragen an mich oder verdrängte Einsichten für mich hat.
Nach der Berufung der Apostel steigt Jesus vom Berg hinab. In den Alltag der Menschen. In die Not und die Freude, die Dramatik und Banalität des täglichen Lebens. Abstieg ist die Bewegung der Menschwerdung. Wer mit Christus geht, muss mit ihm absteigen, um mit ihm und den Armen und Sündern auch aufsteigen zu können.
Schließlich bleibt er mit seinen Jüngern stehen. Das ist ein dauerndes Hören, Unterscheiden und Entscheiden, wann weitergehen und wann stehenbleiben dran ist: stehenbleiben, um sich erreichbar zu machen, stehenbleiben, um an der Not nicht vorüberzugehen; stehenbleiben, um nach dem Weg zu sehen.
Locke mich, Herr,
in die Einsamkeit mit Dir.
Nimm mich hinein
in Deinen Abstieg zu den Menschen.
Und halte Du mich an,
wo ich Halt finden
oder geben soll.
Amen.
Fra' Georg Lengerke
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