Am 11. September 2001 waren wir gerade aus Beirut in Frankfurt angekommen. Viele blieben noch zusammen in einem Café. Auf einmal auf allen Bildschirmen die brennenden Türme. Angeblich brannte auch das Pentagon. Zum Weißen Haus und dem Kapitol nur Gerüchte. Im Flughafen machte das Wort vom Weltkrieg die Runde…
An den folgenden Tagen die Evangelientexte dieser Tage: Selig ihr Armen… Weh euch, ihr Reichen…
Ich habe mich oft gefragt, wie dieses Evangelium im Ohr der Terroristen geklungen hätte. Ob sie nicht gefunden hätten, es gäbe ihnen recht? Oder andersherum: Ob es nicht als Verheißung für die Opfer und Gerichtsansage für die Attentäter und ihre Anhänger zu verstehen sei? Und schließlich: Ob nicht eigentlich doch jeder aus dem Evangelium seine eigene weltanschauliche Giftsuppe kochen kann?
Aber das Evangelium ist keine Parteinahme für die einen gegen die anderen. Es ist für und gegen alle, weil Gott alle retten will, auch die Bösesten; und weil alle der Bekehrung bedürfen. Wir sind mit beidem gemeint – mit dem „Selig seid ihr!“ und mit dem „Wehe euch!“. Mit der Seligpreisung, nicht weil Armut, Hunger, Tränen oder Verfolgung etwas Gutes wären, sondern weil Gott daraus etwas Gutes machen kann und will. Mit dem Weheruf, nicht weil Reichtum, Sattsein oder Lachen etwas Schlechtes wären, sondern weil es Momente gibt, in denen wir uns von der Not unserer Nächsten nicht die gute Laune verderben lassen wollen, und weil wir uns um Himmels Willen in unserer Behaglichkeit nicht in Sicherheit wähnen sollen.
Fra' Georg Lengerke
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