Während des Monats im Libanon führe ich mit jedem Teilnehmer der Summercamps mindestens ein Gespräch. Dieser Tage sagte mir jemand, dass er die Forderungen des Evangeliums in der realen Welt weltfremd fände.
Daran muss ich auch bei der heutigen Lesung über die Feindesliebe in der Feldrede bei Lukas wieder denken. Die unterscheidet sich von der entsprechenden Stelle bei Matthäus (von der hier bereits am 16.03.19 und am 18.06.19 die Rede war) u.a. durch die sog. „Goldene Regel“: „Und wie ihr wollt, dass euch die Menschen tun sollen, das tut auch ihnen.“
Die Goldene Regel konfrontiert uns mit der Lebensnähe der Feindesliebe. Denn sie sagt uns ja nicht nur was wir tun sollen, sondern fragt uns zuvor danach, was wir von anderen erwarten. Es geht hier nicht nur um die Liebe zu den Feinden, die wir haben, sondern um die Liebe zu den Feinden, die wir sind.
Was aber erwarten wir von denen, die uns (warum auch immer) für Feinde halten? Wir selbst haben es nötig, von denen geliebt und gesegnet zu werden, deren Feinde wir sind. Wir haben es nötig, dass uns nicht alles 1:1 heimgezahlt wird, was wir anderen in Gedanken, Worten und Taten antun. Wir haben es nötig, zu empfangen, wo wir bitten, und Vergebung zu finden, wo wir schuldig werden.
Öffne mir die Augen, Herr,
für die,
denen ich Feind bin,
für die Geduld derer,
mit denen ich ungeduldig bin,
für die Großherzigkeit derer,
in deren Schuld ich stehe,
für den Segen derer,
die mir egal sind.
Und lehre mich,
meine Feinde so zu lieben,
wie ich als Feind geliebt werden will.
Amen.
Fra' Georg Lengerke
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