Die Empörung der Schriftgelehrten und Pharisäer über Jesu Nähe zu den „Zöllnern und Sündern“ wird verständlicher, wenn ich mir vorstelle, Jesus hätte jemanden aufgesucht, der mich betrogen oder verletzt hat. Sie empören sich ja nicht über seine Gemeinschaft mit den Armen, das wäre in der Tat verwerflich. Sie empören sich über seine Gemeinschaft mit den Sündern – mit Leuten also, zu denen auch ich auf Abstand gehe, weil sie die Gemeinschaft mit Gott und mit mir verletzt haben.
Aber auch ich gehöre ja zu denen, deren Beziehung zu Gott versöhnungsbedürftig ist. Von den „Zöllnern und Sündern“, den Betrügern und Gewalttätern unterscheide ich mich nur graduell. Das ist mein Schmerz und wird mein Glück. Denn die Sehnsucht Gottes nach ihnen gilt auch mir.
Und sie ist bereit, jeden Preis zu bezahlen, damit keiner verloren und auch noch der letzte Schuft gerettet wird. Dieser Preis bin auch ich ihm wert – und sei es das Leben seines Sohnes, der mich bis in den Tod zu suchen und zu finden gekommen ist.
Sobald ich die Angst vor der schlechten Gesellschaft derer verliere, die an mir schuldig geworden sind, und mich mit ihnen zusammen finden lasse, wird das meine größte Freude sein.
Als Jünger Jesu stehen wir auf drei Seiten: auf der Seite der Verlorengegangenen, die sich finden lassen sollen; auf der Seite der Mitsucher und Mitfinder Gottes, die seinen Preis zu zahlen bereit sind; und auf der Seite derer, die sich mitfreuen, dass auch ihre Feinde mit ihnen zusammen gesucht und gefunden wurden. Nur so können wir wieder Freunde werden.
Fra' Georg Lengerke
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