Bei jeder Beerdigung denke ich mir: Das ist unser aller Weg. Dem Grab entgegen. Früher war mir dieser Weg noch weit. Zwischendurch schien er mal erschreckend absehbar. So oder so: Wir sind auf dem Weg ins Grab. Unaufhaltsam.
Außer in Nain. Vor der Stadt kommt der Menschenmenge um Jesus ein Beerdigungszug entgegen. Jesus ist von der Trauer der Witwe um ihren einzigen Sohn „in den Eingeweiden erschüttert“. Er tritt heran und berührt die Bahre.
Der unaufhaltsame Zug bleibt stehen, weil einer an die Trage des Toten und damit an die Trägerschaft des Todes rührt. Es ist, als hätte sich Jesus der Todesdynamik der Welt in den Weg gestellt. Doch die zeigt sich nicht erst in meinem leiblichen Sterben, sondern schon in vertaner Zeit und lieblosem Dasein, in nichtigem Denken und leerem Gerede, in vergeblicher Mühe und sinnloser Sorge.
Dann spricht Jesus den Toten an: „Ich sage Dir: Steh auf!“ Sein Wort hat Macht, wenn ich es mir denn sagen lasse. Im Tod erweist sich diese Macht österlich an Leib und Seele – im Leben zeigt sie sich in erfüllter Zeit und liebender Tat, im redlichen Denken und im guten Wort, in der Mühe, die sich lohnt, und der Sorge um das, worauf es ankommt. Wie der Mutter den Sohn, gibt er uns die Lebendigkeit des Lebens zurück.
Zuvor ist Jesus diesen Weg ins Grab erst selbst noch gegangen. In Nain zeigt sich, was er tut. In Jerusalem zeigt sich, wer er ist. Der Auferstandene tritt an uns heran und rührt an den Tod in uns. Der kann jetzt machen, was er will. Wir sind ins Leben gerufen, über das er keine Macht mehr hat.
Fra' Georg Lengerke
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