In der Wieskirche bei Steingaden gibt es an der Decke ein Fresko vom Mahl Jesu im Hause des Simon. Die Frau hockt vor Jesus, der sie mit der einen Hand segnet und mit der anderen sendet. Gegenüber am Tisch der Pharisäer und Hausherr Simon. An dessen Haltung fällt etwas auf: Einerseits hebt er abwehrend die Hände. Andererseits streckt er einen nackten Fuß in Richtung der auf dem Boden knieenden Frau.
Was mag das heißen? Unterstellt der Maler ihm Verlogenheit, weil er sich öffentlich von der Frau distanziert, sie insgeheim unter dem Tisch aber allzu gut kennt? Oder wird uns der innere Kampf des Simon am Ende der Rede Jesu gezeigt?
Jesus lässt sich von einer Frau berühren, deren Lebenswandel bei Männern wie Simon sofort ein Kopfkino auslöst. Aber offenbar geht es hier gar nicht um jene Zärtlichkeit, für die sich die Frau früher hat bezahlen lassen. Es geht um ihre aufrichtige Liebe zu dem, der ihr Leben durch die Gabe der Vergebung vom Kopf auf die Füße stellen kann. Und es geht darum, dass sich Jesus von der geläuterten Liebe und der Offenheit für seine Vergebung erreichen lässt. Beide bedingen einander. Die Liebe öffnet für die Gabe der Vergebung und die empfangene Vergebung befähigt zur Liebe.
Ich glaube, dass Simeon mit sich ringt: Vielleicht muss ich mich von dieser Frau im wörtlichen und übertragenen Sinn erst mal berühren lassen, damit der Panzer der Selbstgerechtigkeit aufgebrochen wird, und auch ich zu einem Liebenden werde, der Vergebung empfängt und zu einem Gerechtfertigten, der zur Liebe befähigt wird.
Fra' Georg Lengerke
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