Verteilung, Überhöhung und Missbrauch von Macht in der Kirche sind aktuelle und wichtige Themen. Doch grundsätzlicher noch sind die beiden Macht-Themen im heutigen Evangelium: Machtannahme und Machtverzicht.
Zum einen wird gesagt, dass Jesus den Zwölfen dynamis (Kraft) und exousia (Vollmacht) gibt. Diese zeigen sich in der Weise, wie sie von Gott und seinem Reich sprechen, und darin, dass sie Macht über die unsichtbaren Mächte haben, die den Menschen besetzen und von Gott und sich selbst entfremden.
Zum anderen werden die Zwölf bei jeder Sendung daran erinnert, nicht etwa gut ausgestattet, sondern mit wenig genug loszuziehen, und sich nicht zu sehr an eine innerweltlich für notwendig gehaltene Ausstattung von Macht und Mitteln zu binden.
Es wäre dumm, zu fordern, wir sollten statt über die erstgenannten über die zweitgenannten Machtthemen sprechen. Aber wird über letztere überhaupt noch gesprochen? Die Empfangsbereitschaft für geistliche Kraft und Vollmacht erscheint als charismatische Schwärmerei. Und ein Verzicht der Kirche auf gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Macht und Ausstattung ist für die allermeisten Wortführer ein gefürchtetes Tabu.
Ich denke derzeit oft an die Klage Daniels: „Wir haben in dieser Zeit weder Vorsteher noch Propheten und keinen, der uns anführt.“ (Dan 3,38)
Aber gut, die Zeit kommt, in der Gott der Kirche ihre Weltmacht nimmt und Kraft und Vollmacht denen schenkt, die am wenigsten damit rechnen. Je mehr wir uns auf Letzteres freuen, umso weniger wird uns Ersteres wehtun.
Fra' Georg Lengerke
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