Lazarus ist im heutigen Gleichnis der Name eines Bettlers vor einer verschlossenen Tür. Der soll nicht namenlos bleiben. Von dem reichen Mann drinnen kennen wir keinen Namen. Vielleicht, weil er sich für Gott und die Armen unansprechbar gemacht hat.
Lazarus weist über sich selbst hinaus. Zunächst bedeutet er der Arme vor unserer Tür, die zwischen uns offen oder verschlossen ist. Er ist die Person gewordene Anfrage an uns, wo wir mit dem Rücken zur Welt und ihrer Not dahinleben.
Lazarus erinnert uns an Christus. Von ihm sagt das Johannesevangelium, dass er als Einziger von Gott Kunde bringt, weil er „am Herzen des Vaters ruht“ (Joh 1,18) – so wie Lazarus im Schoß Abrahams. Lazarus ist Christus vor der Tür. Mit Lazarus hat Gott sich in seiner Menschwerdung so vereinigt, dass wir mit Lazarus Christus und mit Christus Lazarus begegnen und dienen.
Dann ist Lazarus die auch die „arme Kirche“ und die „Kirche der Armen“, die die Kirche nicht sein will. Die Kirche, deren Wunden die Sünden der Menschen sind, an denen sich die Hunde gütlich tun. Sie ist der Ort Christi abseits der glänzenden Fassade der Kirche, die glänzend dastehen und menschlich reüssieren will.
Schließlich zeigt mir Lazarus auch mein eigenes inneres Leben. Jener Mensch, der ich bin und nicht sein will. Meine verletzte, mitgenommene und verwundete Seele, von der es mir manchmal scheint, als friste sie ein Dasein vor dem Haus meines scheinbaren, künstlichen und betäubten Lebens.
Zeig mir Lazarus, Herr,
damit ich bei ihm Dich
und bei Euch mein ungelebtes,
von Dir geliebtes Leben finde.
Amen.
Fra' Georg Lengerke
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