„Lehre uns beten, wie auch Johannes seine Jünger beten gelehrt hat“, bittet einer der Jünger Jesus. Uns wird nichts über die Gebetsschule des Täufers gesagt, aber dreierlei können wir annehmen. Erstens haben die Johannesjünger erlebt, wie der Täufer selbst gebetet und aus der Verbundenheit mit Gott gedacht, gesprochen und gehandelt hat. Zweitens wird Johannes zu ihnen über das Gebet gesprochen haben, das zu der von ihm verkündeten Umkehr gehört. Drittens schließlich wird Johannes mit seinen Jüngern und den Menschen am Jordan gebetet haben.
Ähnliches hören wir von den Jüngern Jesu: Sie erleben Jesus im Gebet. Das Beten Jesu wird für sie zur Anfrage, wo sie ihn darum bitten, auch zu betenden Menschen zu werden. Es wird für sie zur Offenbarung, wo sie Jesus für sie zum Vater beten hören (Joh 17). Und es wird für sie zum Rätsel, wo sie einschlafen, während Jesus im Gebet vor seinem Leiden Blut schwitzt (Mt 26,36-46; Lk 22,44). Zugleich spricht Jesus zu ihnen über das Gebet (z.B. Lk 11 und Mt 6), das zugleich vertrauendes Bitten und verfügbares Hören auf Gottes Willen sein soll.
Doch es gibt einen grundsätzlichen Unterschied zwischen der Gebetsschule des Täufers und der Jesu: Wie Johannes ist Jesus der, von dem sie Beten lernen. Anders als Johannes ist Jesus der, zu dem sie beten. In Ihm kommt ihnen Gott selbst entgegen. Er lässt sie teilhaben an dem Gespräch zwischen Vater, Sohn und Heiligem Geist. „Durch ihn und mit ihm und in ihm“ beten die Jünger aller Zeiten und Orte. Und auch diese Bitte ist vor ihm schon Gebet: „Herr, lehre uns beten!“
Fra' Georg Lengerke
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