Der kurze Wortwechsel zwischen Jesus und einer Frau aus der Menge sagt etwas über das Verhältnis Mariens zu den Christen: dass nämlich der Mensch, der das Wort Gottes hört und es befolgt, wie jene selig zu preisen sei, die es unter ihrem Herzen getragen hat. Er erinnert uns auch einmal mehr an den Unterschied zwischen der natürlichen Verwandtschaft im Anspruch der Mutter und der geistlichen Verwandtschaft jener, die den Willen Gottes tun.
Vor allem aber geht es hier um zwei Weisen, wie Gott in seiner Menschwerdung für uns da ist.
Zum einen ist da Christus in uns, hier im Bild Mariens. Wir selbst sind ja eine „Stelle“ seiner Gegenwart in der Welt. Wir sind in ihm und er in uns (Joh 14,20). Paulus bezeichnet die Christen als Tempel (1 Kor 3,16), als heiligen Ort Gottes, und erinnert uns daran, dass Christus durch den Glauben in unseren Herzen wohnt (Eph 3,17). Die Mystiker werden dann später in reichen Bildern von der Gegenwart Christi in der Seele sprechen.
Zum anderen ist Christus uns gegenüber, zum Beispiel im Bild der Apostel. Sein Wort kommt immer auch von außen auf uns zu. Es wird vermittelt durch die Zeugen und die Schrift, die Kirche, durch Schwestern und Brüder. Es geht nicht nur mit uns, es wendet sich auch gegen uns. Es stellt sich uns in den Weg, mal freundlich leitend, mal mühsam sperrig, oft schmerzlich korrektiv und immer unerbittlich wahr.
Beide Daseinsweisen Christi, in uns und uns gegenüber sind nicht voneinander zu trennen. Er ist der „inwendige Lehrer“ (Augustinus), der als der in uns Wohnende uns zugleich gegenübersteht.
Fra' Georg Lengerke
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