So kann es in unseren Beziehungen gehen: Während einer dem anderen nahe ist, ist der andere dem einen fern. Selbst die Liebe kann einseitig sein. Es gibt Schwankungen, Ungleichzeitigkeiten, besonders im Alter, bei Lebensveränderungen oder gegenüber fremd bleibenden Menschen. Die einseitige Liebe ist eine göttliche Tugend. Die Feinde lieben, den Bösen gut und den Fernen nah sein – das ist die Königsdisziplin christlicher Spiritualität.
So geht es im heutigen Evangelium. Die Aussätzigen bleiben Jesus fern. Sie sind vom Gesetz dazu verpflichtet, ihn zu warnen: „Unrein! Unrein!“ (Lev 13,45). Stattdessen rufen sie aus der Ferne: „Jesus, Meister, hab Erbarmen mit uns!“ Aus der Ferne trauen sie sich. Aus der Ferne glauben sie, was man ihnen von Jesus erzählt.
Sie sind Jesus fern aber Jesus ist ihnen nah in seiner Heilungsmacht. Er verlangt nichts Großes von ihnen, sondern nur das ihnen Mögliche und vom Gesetz nach einer Heilung Vorgeschriebene (Lev 14,2-4).
Nach der Heilung kehrt nur einer um. Ein Fremder. Als Samariter und Aussätziger ein doppelt Ferner. Der Dank bringt ihn in die Nähe. Dankend findet er zu Jesus. Den scheinbar „Heilen“ bezeugt er seine Heilung und beschämt die Undankbaren mit seiner Dankbarkeit.
Ich kenne Menschen, die sich nicht zu beten trauen, weil sie sich Gott fern erfahren. Aber wir sollen nicht warten, bis wir uns ihm nah genug finden. Wir sollen aus der Ferne rufen. Und wenn wir Grund zum Danken haben, werden wir merken, dass wir in die rettende Nähe dessen gekommen sind, der uns schon nahe war, als wir ihm noch fern waren.
Fra' Georg Lengerke
view more