Die überraschende Frage am Ende des Gleichnisses von der bittenden Witwe bedrängt mich: „Wird jedoch der Menschensohn, wenn er kommt, den Glauben auf der Erde finden?“ Natürlich kann man sich gegen diese Frage immunisieren, indem man den Glaubensverlust oder das Kommen Christi einfach verdrängt oder für das Problem kommender Generationen hält oder sich damit beruhigt, Jesus habe schließlich versprochen, dass die Kirche nicht untergehe (Mt 16-18). Aber nicht nur mich bedrängt diese Frage sehr.
An diesem Sonntag teile ich diese Bedrängnis zum Beispiel mit einem Menschen am Ende und einem am Anfang seines Lebens.
Die Witwe erinnert mich an leidgeprüfte Menschen, die mich lehren, dass unser Bitten, unser „Dranbleiben“ an Gott Geduld braucht, bis sich in uns oder um uns jene Türen auftun, durch welche die Gerechtigkeit und Barmherzigkeit Gottes uns und wir sie finden können. Werden wir im Glauben durchhalten, bis wir Jesus von Angesicht zu Angesicht sehen? Ich denke gerade eine sehr alte Beterin im Bergischen Land. Sie wird bald hundert, möchte zu Gott gehen und fragt sich – mitunter auch ernsthaft – ob er sie wohl vergessen hat…
Und dann schaue ich auf das kleine Mädchen, das ich heute taufen werde. Für sie gilt ja auch: Wird sie in der Kirche und ihrem Umfeld Glauben finden? Werden Menschen da sein, denen sie Liebe Gottes und die Freundschaft Jesu glauben kann? Die Eltern und Paten werden heute versprechen, solche Menschen zu sein. Doch in Wirklichkeit muss sich jeder Christ fragen lassen, ob Christus und die kleine Vera bei ihnen wohl Glauben finden werden.
Fra' Georg Lengerke
view more