Zu meiner Priesterweihe schenkte mir eine theologisch bewanderte Tante eine kleine runde Pappschachtel. In der fand sich eine Lupe auf drei Beinen. Der Boden der Schachtel zeigte einen Wolkenhimmel. In dessen Mitte ein ca. 1mm Durchmesser graubraunes Kügelchen. Darunter mit der Hand geschrieben „Mk 4,30-33“. Das ist die Parallelstelle zu der heutigen Evangelienlesung.
Das Kügelchen ist ein Senfkorn, von dem Jesus bei Markus sagt, es sei das kleinste unter allen Saatkörnern. Wir brauchen eine Lupe, um es zu erkennen und die feinen Unebenheiten auf seiner Oberfläche.
So beginnt das Reich Gottes. Mit dem übersehbaren, schnell verachteten, selten ernst genommenen Allerkleinsten. Wenn das gesät wird, dann wird daraus ein Baum, in dem die Vögel des Himmels nisten – ein erhabenes, reiches Zuhause für viele.
Oft schaue ich beim Licht der Sonne in die Schachtel, durch die Lupe auf das Senfkorn und den Pappehimmel. Das kleine liebe Kunstwerk erinnert mich, auf das Kleine zu achten und mutig kleine Anfänge zu machen. Wieviele groß aufgezogene Aktionen verkümmern oder enden als pathetische oder kitschige Karikatur des Reiches Gottes. Das Große Gottes beginnt klein. Die Menschwerdung Gottes beginnt mit einer menschlichen Zelle und das Reich Gottes wie ein Senfkorn.
Und wir sollen säen. Säen braucht Mut. Wer sät, der begräbt Kostbarstes, ohne sicher sein zu können, ob die Saat aufgeht. Derzeit rät mir mein Beichtvater bei fast jedem unserer Gespräche: „Es ist Zeit zum Säen. Säen Sie! Säen Sie! Dann werden Sie schon erleben, wo das Reich Gottes wächst.“
Fra' Georg Lengerke
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