Es ist eine erschütternde Rede, die Jesus da von ferne an Jerusalem hält: „Ich wollte deine Kinder sammeln, so wie eine Henne ihre Küken unter ihre Flügel nimmt; aber ihr habt nicht gewollt.“ Ich muss an eine leidgeprüfte Mutter denken, die ich in Exerzitien begleitete. Irgendwie traf sie diese Stelle ins Mark. Sie kannte das Hüten-Wollen der Henne selbst um den Preis des eigenen Lebens nur zu gut. Und sie weinte bitterlich über Jesu Schluss: „aber ihr habt nicht gewollt“.
Doch Jesu Entscheidung ist getroffen. Er will den Unwillen nicht brechen, sondern sich eher von ihm brechen lassen – um ihn von innen zu lösen. Jesus geht förmlich in die Ablehnung der Menschen hinein. Er weiß, dass sie ihn nicht wollen und ihn umbringen werden – wie vor ihm die Propheten. So als wollte er sagen: Wenn die Heilige Stadt nicht unter meine Flügel will, dann werde ich mich unter ihre Schläge begeben.
Jesus geht in meinen Unwillen hinein. Er betritt unser Leben und damit den Raum der Verweigerung und liebt unser Nein zu Tode. Die durchgehaltene Liebe tötet den Tod. Mit Ostern ist der Sieg der durchgehaltenen Liebe errungen. Und nun ist es der auferstandene Herr, der darum wirbt, dass wir uns seinem Flügel-Schutz anvertrauen.
Daran erinnert mich die vorletzte Strophe aus "Nun ruhen alle Wälder" von Paul Gerhard (das sich auch ganz zu beten lohnt):
Breit aus die Flügel beide,
O Jesu, meine Freude,
Und nimm dein Küchlein1 ein!
Will Satan mich verschlingen,
So laß die Englein singen:
Dies Kind soll unverletzet sein!
Amen
1 altdeutsch für „Küken“.
Fra' Georg Lengerke
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