Es gibt zwei Missverständnisse der Wunder Jesu. Das eine ist die Moralisierung der Machttaten Jesu, die angeblich nur Bilder sind für das, was wir selbst tun sollen. Das andere ist eine Wunderfixiertheit, die so tut, als wäre das Entscheidende das Wunder – und nicht etwa Gott, der es tut, oder der Mensch, mit dem Gott sich verbinden will.
Nun besteht die Gefahr, dass wir die Wunder, die Gott mit dem Menschen im Menschen wirkt, auch nur für eine Moralisierung halten. Aber was ist denn das größere Wunder? Jenes, das Gott ohne den Menschen, oder jenes, das Gott mit dem Menschen wirkt?
Natürlich kann Gott aus fünf Broten hunderte von Broten machen – so wie er hätte 12 Legionen Engel schicken können, um Jesus zu retten (Mt 26,53). Aber das ist für Gott – salopp gesagt – „keine Kunst“. Brot wehrt sich nicht.
Aber was für eine Wundermacht ist am Werk, wenn aus einem Feigling ein Märtyrer, aus einem Egoisten ein Diener der Armen oder aus einem Sicherheitsdenker einer wird, der um der Liebe willen alles riskiert?
Vielleicht hat Gott in Christus auf der Wiese aus wenig Brot viel Brot gemacht. Kann sein. Vielleicht aber hat er sich auch so mit den Menschen verbunden, dass sie in Freiheit wie die Jünger ihre ängstlich gehütete Notration hervorgeholt und geteilt haben.
Wer seine eigenen Verhärtungen und seinen Geiz, seine Ichbezogenheit und seine Zukunftsangst kennt, ernstnimmt und an ihnen leidet, der wird deren Überwindung und seine Befreiung zur Hingabe in der Verbundenheit mit Christus für Gottes größeres Wunder halten.
Und um dieses größere Wunder Gottes bitte ich.
Fra' Georg Lengerke
view more