In den nächsten Wochen wird uns die Geschichte des Propheten Samuel erzählt, an der Schwelle zwischen der Zeit der Richter und der Könige Israels. Die Geschichte des Gebets und der Erhörung seiner Mutter Hanna rührt an mehrere Nöte unserer Zeit: an die Not ungewollter Kinderlosigkeit, an die Not von Kränkung und Demütigung zweier Frauen eines Mannes, an Not und Schmerz, die so benommen machen, dass Hanna vom Priester Eli in Schilo als betrunken und haltlos verachtet wird.
Und sie erzählt die Geschichte der Empfängnis eines bereits weggegebenen Kindes. Das Nasiräergelübde (Numeri 6) war ein – oft bereits von Eltern gegebenes – Gelübde zum Dienst in einem Heiligtum, verbunden mit einer entsprechenden asketischen Lebensform.
Uns Heutigen sagt die Erzählung der Empfängnis Samuels nicht bloß, dass Kinder nicht ihren Eltern gehören. Sie erzählt uns vielmehr den Anfang einer Berufung. Berufung darf nicht auf eine bestimmte Lebensform oder bestimmte Lebensaufgabe verengt werden. Berufung bedeutet grundsätzlicher, dass das ganze Leben Gerufenwerden und Antwortgeben ist und so seine Richtung und seinen Sinn bekommt.
Samuel wird „ins Leben gerufen“. Und Hanna gibt ihr Kind zurück und frei, noch bevor sie es empfangen hat. Das ist der erste Dienst, den Eltern ihren Kindern und wir alle unseren Nächsten tun sollen, dass wir einander entlassen in den Ruf Gottes. Samuel wird den noch zu hören und zu unterscheiden lernen.
Hanna genügt es zu wissen, dass Gott ruft und ihr Kind dann in seinem Element sein wird, wenn es in allem die Stimme Gottes hindurchhört und sein Leben zu einer Antwort macht.
Fra' Georg Lengerke
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