Der Rat des Fuchses an den „Kleinen Prinzen“ (von Antoine de Saint-Exupéry) ist eine rührende Phrase geworden: „Man sieht nur mit dem Herzen gut.“ Das stimmt ja auch nur so halb: Man sieht nur gut, wenn das Herz mitsehen darf, also dann, wenn man nicht herzlos sieht. Man muss schon auch mit den Augen und mit dem Verstand sehen. Sonst gibt es (im übertragenen und wörtlichen Sinn) ein böses Erwachen.
Bei der Berufung Davids jedoch geht es um den Blick Gottes: „Der Mensch sieht, was vor den Augen ist, der Herr aber sieht das Herz.“ (1 Sam 16,7) Das ist nun eine weniger rührende Perspektive.
Vom Pfarrer von Ars zum Beispiel wurde gesagt, er habe die „Gabe der Herzensschau“ gehabt; die Gabe also, die Gründe und Abgründe, die Motivationen und Absichten seines Gegenübers wahrzunehmen. Wenn man sie ernst nimmt, ist das vermutlich keine nur erfreuliche, sondern eher eine schockierende, äußerst sensible und verantwortungsvolle Gabe.
Aber gut. Bei der Berufung Davids geht es ja nicht darum, dass Herzensschau eine erstrebenswerte Gabe sei, sondern darum, dass wir uns mit Gott vom Äußeren nicht täuschen lassen, sondern auf das schauen sollen, was wir vom Inneren, vom Herzen eines Menschen erkennen können.
Vor allem aber sollen wir uns nicht von unserer eigenen Äußerlichkeit ablenken lassen, sondern unsere innere Motivation und Absicht im Blick behalten. Wir sollen auf die Reinheit unseres Herzens, seine Liebesfähigkeit und Unbestechlichkeit achten. Und zwar so, dass wir uns darauf freuen und uns nicht vor Angst in die Hose machen, wenn uns gesagt wird: Gott sieht Dein Herz!
Fra' Georg Lengerke
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