Schlecht informierte Christen werfen den Juden gerne vor, ihre Religion bestehe zuerst und vor allem in der Erfüllung von Gesetzesvorschriften. Abgesehen davon, dass es krankhafte Gesetzesfrömmigkeit auch unter Christen gibt, ist diese Unterstellung nicht nur töricht, sondern auch Grund für den Antijudaismus unter den Christen.
Ein frommer Jude wird diesen Vorwurf empört von ich weisen. Das „Gesetz des Mose“ ist nicht ein Strafgesetzbuch oder ein gesellschaftlicher Verhaltenskodex. Es ist vielmehr die Lebensform des Volkes Gottes – mit Gott und für die Welt. Seine „Erfüllung“ ist nicht Gesetzesfrömmigkeit, sondern die Antwort auf das Wort und Handeln Gottes auf dem Weg in die Freiheit. Ein frommer Jude hat das Gesetz Gottes lieb, weil er Gott liebhat. Deshalb will er mit Gott und von seinem Wort geformt leben.
Schon Jesus musste den Vorwurf der Juden und die Erleichterung der Heiden, das Gesetz des Mose abgeschafft zu haben, korrigieren. Im Gegenteil, er hat das Gesetz nicht nur erfüllt; er ist auch der, auf den hin das Gesetz gemacht ist. Wo aber das Gesetz erfüllt ist, da ist es überwunden.
Viele halten die vom Gesetz gewollte „Gottesgemäßheit“ für aufoktroyiert. Sie meinen, das Getrennsein von Gott gehöre zu ihnen wie Auge oder Hand. Für sie, sagt Jesus, wäre es besser, sie trennten sich von Auge oder Hand, als ganz von Gott getrennt zu sein.
Wenn wir Jesus Christus so liebhaben, wie der fromme Jude Gott und sein Gesetz, wenn wir das Leben des Leibes Christi mit der gleichen Leidenschaft leben, wie der fromme Jude das Leben des Volkes Gottes, dann haben wir das Gesetz erfüllt.
Fra' Georg Lengerke
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